Wo gehört sie hin?
Die Assistenz zögert oft beim Anblick der Management-Pyramide. Den Chef zu verorten, ist kein Problem, aber sich selbst zu finden schon eher.
Bitte ich Assistentinnen, sich selbst in der Managementpyramide zu verorten, tun sich viele schwer. «Mein Chef sitzt hier oben», zeigen sie dann. Doch oft folgt die Frage: «Wo gehöre ich eigentlich hin?» Als ausführendes Organ sehen sie sich oft auf der operativen Ebene. Selbst wenn sie im Organigramm integriert ist, ist im Alltag oft nicht klar, auf welcher «Seite» die Assistenz steht – Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite?
Betrachten wir einmal die Management-Pyramide (Seite 33). Wir sehen drei Ebenen: das Top Management (1), das Mittlere Management (2) und das Operative Management (3). Je nach Unternehmensgrösse und -branche unterteilen sich die Hierarchiestufen wie folgt: Auf Level eins sitzen die Geschäftsführer. Auf dem zweiten Level finden Sie die Bereichsleiter, Hauptabteilungsleiter, Abteilungsleiter etc. und auf dem dritten Level die Teamleiter sowie alle weiteren Mitarbeiter.
Nehmen wir einmal an, Sie sind Assistentin des CEO oder Sekretärin der Geschäftsleitung. Ihren Chef verorten Sie sofort auf der ersten Ebene. Richtig! Und wo gehören Sie nun hin? Natürlich, genau daneben! Denn Sie sitzen doch beim Kapitän mit auf der Brücke. Sie bekommen doch sofort mit, wenn der Blitz einschlägt, das Wetter umschlägt und das Steuer herumgerissen werden muss. Wie bei einem Tandem sind Sie direkt mit Ihrem Chef verbunden. Er sorgt für die Bestandssicherung und eine entsprechende Strategie. Seine Direct Reports prüfen adäquate Möglichkeiten zur Umsetzung, die diese wiederum ihren Mitarbeitern zur Ausführung anvertrauen. Und Sie halten Ihrem Chef wo’s geht den Rücken frei.
Wann müssen Sie sich neu positionieren?
- Sobald Sie eine andere berufliche Perspektive anstreben.
- Wenn Sie auf die herkömmliche Art und Weise wenig Erfolg haben.
- Falls Sie kein ausreichend gutes Ansehen geniessen.
- Wenn Ihr Vorgesetzter noch Optimierungsbedarf bei Ihnen sieht.
- In jedem Fall dann, wenn Sie unzufrieden sind mit Ihrer Situation.
Dazu gehört, dass Sie Ihre Wahrnehmung schärfen. Was passiert um mich herum? Wie muss ich mich positionieren, damit ich den Erwartungen an meine Rolle gerecht werde?
Die Rolle
Früher standen bei Assistentinnen überwiegend Schreibtätigkeiten auf dem Programm und Terminvereinbarungen wurden ordnungsgemäss abgearbeitet.
Heute wird neben der Terminkoordination und der Reisebuchung vor allem inhaltliches Engagement erwartet. Die Aufgaben werden nicht mehr nur angeordnet. Vielmehr ergeben sie sich durch die regelmässigen Rücksprachen mit dem Chef. Mitdenken ist gefordert, Zusammenhänge sollen erkannt und es soll proaktiv nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Zudem wird vorausgesetzt, dass sich die Assistenz so professionell und vorbildlich zeigt, wie es sich für die Repräsentanz einer Führungskraft ziemt. Daher sollte man unbedingt mit der Business-Etikette und mit interkultureller Kompetenz im erforderlichen Masse vertraut sein.
Einen immens hohen Stellenwert haben mittlerweile die Fach-, Sozial- und Selbstkompetenzen (zusammen als Handlungskompetenz bekannt). Wie bei so vielen Dingen, beginnt auch hier die Suche bei uns selbst: Wie gehe ich mit mir um? Welche Fehlerkultur vertrete ich? Geissle ich mich zig Mal am Tag für meine Unvollkommenheit? Achte ich darauf, dass ich mich nicht überarbeite? Bleibe ich zu Hause, wenn ich krank bin? Und belohne ich mich für gute Leistungen? Die Frage ist vor allem: Wie viel davon kann ich bei mir selbst wahrnehmen? Erst wenn es uns gelingt, barmherzig zu uns selbst zu sein, können wir unseren Mitmenschen sozial begegnen. Wir müssen uns unserer eigenen Grenzen bewusst sein, um unseren Stellenwert ausmachen zu können.
Die Stelle
Von jeher sitzt das Sekretariat zwischen den Stühlen und muss sich immer wieder neu positionieren. Was geblieben ist, ist die Unsicherheit über die Macht und den Einfluss im Unternehmen. Die Assistenz hängt in Linienorganisationen meist als Stabstelle direkt am Vorgesetzten (siehe Organigramm). Im Allgemeinen sind Stäbe für grundlegende Angelegenheiten zuständig und sollen Instanzen entlasten, indem sie anstehende Entscheidungen vorbereiten. Bei der Assistenz heisst das konkret: sich um die Belange seines Chefs zu kümmern, in seinem Sinne zu handeln, Notwendiges einzuleiten, Aufgaben zu koordinieren sowie Termine vor- und nachzubereiten. Dabei orientiert sie sich an seinem Arbeitsstil. Sie ist mehr als nur eine ausführende Kraft – sie ist seine Werbebotschafterin und obendrein die Visitenkarte des Unternehmens. Nach innen und nach aussen. Aber was bedeutet das für die Assistenz? Genau das gilt es zu hinterfragen.
Tipps für Ihren Weg
- Gehen Sie wertschätzend und offen mit Ihrem Umfeld um.
- Übernehmen Sie Verantwortung und treffen Sie Entscheidungen.
- Denken Sie in Lösungen, nicht in Problemen.
- Bringen Sie Qualität vor Schnelligkeit.
- Betrachten Sie sich immer wieder mit den Augen der anderen.
- Nehmen Sie öfter mal die Helikopterperspektive ein.
- Sammeln Sie Ihre Erfolge für das nächste Jahresgespräch.
- Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder Personaler über neue Perspektiven.
Ihre Position
Orten Sie auf der Management-Pyramide Ihre Position, damit Sie sich gut aufstellen können. Wer sind Sie dort? Was sind Ihre Aufgaben? Wofür stehen Sie? Wie ist Ihr Ansehen? Was sollten Sie tun, um einen guten Ruf aufzubauen bzw. zu festigen? Wie müssen Sie sich positionieren, um Ihr Ziel zu erreichen? Was ist überhaupt Ihr Ziel? Was halten Sie von einem in jeder Hinsicht professionellen und souveränen Auftreten?
Halte Sie einmal inne zum Analysieren: Wie ist mein Selbstbild – also wie glaube ich zu sein? Auskunft über das Fremdbild liefern andere: Wie wirke ich auf Dritte – wie schätzen die mich ein? Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, Feedback gewinnbringend für sich zu nutzen. Und entsprechen Ihre Selbst- sowie die Fremdeinschätzung denn auch Ihrem Wunschbild? Möchten Sie so gesehen werden? Im Idealfall liegen die drei Bilder so nahe beieinander, dass sich eine Schnittmenge ergibt. Das wäre ein Zeichen für die perfekte Rollenerfüllung bei einem hohen Grad an Authentizität. Die beste Voraussetzung für ein erfülltes Berufsleben.
Was ist zu tun?
Als Assistenz ist es wichtig, seinen Platz zu kennen und einzunehmen. Auf der einen Seite unterstützen Sie Ihren Chef. Auf der anderen Seite ist es ebenso wichtig, mal Sprachrohr für die andere Seite zu sein. Versuchen Sie, durch alle Ihnen zur Verfügung stehenden Brillen zu schauen: Was sehen Ihre Kollegen? Was sieht Ihr Vorgesetzter? Was kann man von aussen sehen? Was ist eigentlich unser aller Ziel? Wenn Sie es schaffen, das Treiben im Büro aus Helikopterperspektive zu betrachten, sind Sie ganz weit vorn. Dann haben Sie den besten Analyseplatz gefunden. Eine Assistenz mit Weitblick, die jederzeit den Überblick behält – ein erstrebenswerter Zustand, finden Sie nicht auch?! Was Sie brauchen, um das zu erreichen? Eine klare Positionierung! Und die erreichen Sie am besten, wenn Sie sich selbst noch besser kennenlernen. Drei weitere Bereiche spielen hierbei eine grundlegende Rolle:
- Ihre Bedürfnisse,
- Ihr Wertesystem,
- Ihre Antreiber.
Welche Bedürfnisse, Werte und Antreiber stehen hinter Ihrem Verhalten? Ergründen Sie diese. Sobald Sie wissen, was Sie ausmacht, was Sie antreibt, für welche Werte und Prinzipien Sie einstehen, können Sie sich klar positionieren. Halten Sie daran fest, sofern sie systemverträglich sind. Dann passen Sie ins Unternehmen und das Unternehmen zu Ihnen. Ein wichtiges Kriterium, um sich zugehörig zu fühlen.
10 Schritte zur Positionierung
- Überprüfen Sie Ihr Selbst-, Fremd- und Wunschbild.
- Machen Sie sich bewusst, wer Sie sind und warum.
- Finden Sie heraus, wie Sie wirken wollen. Was ist gut daran?
- Überlegen Sie sich, was Ihr berufliches Ziel ist. Wie erreichen Sie das?
- Halten Sie fest, was Sie schon können oder haben.
- Was und/oder welche Ressourcen benötigen Sie noch dazu?
- Suchen Sie sich Förderer, die Sie dabei unterstützen.
- Machen Sie sich anhand eines Zeitstrahls einen Plan.
- Fokussieren Sie Ihr Ziel und halten Sie jeden Meilen stein fest.
- Und womit belohnen Sie sich am Ende Ihres Weges?