Unternehmenskultur

Wer sind wir eigentlich?

Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur. In einer Werbeagentur ist diese anders als in einer Bank. Doch auch wenn die Kultur nicht immer so offensichtlich ist, bleibt sie ein tief verankertes Gut. Sie zu verändern, braucht ein gehöriges Mass an Anstrengung. Vor allem die Führungskräfte sind dabei gefragt.

Nach der Fusion zweier etwa gleich grosser Firmen vor rund sechs Jahren stellte das Management eines Unternehmens fest, dass sich die beiden unterschiedlichen Kulturen nur schwer miteinander vereinbaren liessen. Die jahrelange Konkurrenz hatte bei den rund 120 Mitarbeitenden ihre Spuren hinterlassen, es herrschten Missmut, Ungunst und Unverständnis. Eine grosse Herausforderung für die Führungskräfte. Die Geschäftsleitung erkannte den Handlungsbedarf und entschied sich, eine ganz neue Kultur zu schaffen. In Workshops und Sitzungen wurden Werte, Normen und Regeln für ein besseres, verständnisvolleres Miteinander definiert und niedergeschrieben. Zuletzt wurden diese den Mitarbeitenden in einer Informationsveranstaltung vorgestellt.  

Es dauerte nicht lange und die Geschäftsleitung musste feststellen, dass sich eine neue Kultur nicht einfach per Beschluss einführen lässt. Es zeigten sich erste unvorhergesehene Stolpersteine: Wie hält man nun die Mitarbeitenden bei Laune und motiviert sie dazu, die neue Kultur zu leben? Und wie kriegt man auch Querschläger ins Boot? Die Unternehmensleitung übertrug diese Aufgabe der Assistentin des CEO. Diese suchte im Internet nach möglichen Lösungsansätzen, doch die Suche gestaltete sich schwierig. Die Frage, wie man eine neue Kultur in eine Organisation einführt und wie man die Mitarbeitenden aus der vermeintlichen Wohlfühlzone in eine neue, unbekannte und für alle bessere Welt führen kann, blieb offen. Die Assistentin wandte sich an Miss Moneypenny und schilderte ihr Anliegen. Gemeinsam mit der Expertin Katrin Welge, Dozentin an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW und zertifizierte Managementberaterin, haben wir die wichtigsten Fakten zum Thema Unternehmenskulturveränderung zusammengetragen. 

Was ist Unternehmenskultur?

Organisationskultur (Englisch: organizational culture, corporate culture) ist ein Begriff der Organisationstheorie und beschreibt die Entstehung und Entwicklung kultureller Wert-muster innerhalb von Organisationen. Daraus lässt sich schliessen, dass Kultur also eine sich stetig wandelnde Vorstellung von Normen und Werten ist, welche ein Zusammengehörigkeitsgefühl fördert und jedem einzelnen Mitglied der Gruppe Sicherheit bietet. Der Charakter einer Unternehmung wird durch die Kultur stark geprägt. Diese bildet sich wiederum aus Erfahrungen, Erlerntem und Gewohnheiten und verfestigt sich im täglichen Umgang mit allen Anspruchsgruppen.

Doch wie spürt man die Kultur im eigenen Unternehmen? Katrin Welge erklärt, wie diese aus subjektiver Sicht beobachtet werden kann: «Das Verhalten und die Äusserungen von anderen Mitarbeitenden oder Führungskräften und das eigene Befinden dabei lassen auf die Kultur schliessen. Beispielsweise merkt man, ob eine Kultur des Miteinanders gelebt wird oder nicht.» Beispielhaft lassen ständige Lästereien sowohl über Mitarbeitende als auch Vorgesetzte oder verbreitetes «Finger-Pointing» bei Schuldzuweisungen auf eine angekratzte Kultur schliessen. Hingegen sind Austausch von Nettigkeiten, Fahrgemeinschaften oder Anbieten von Hilfe bei hohem Arbeitsanfall Anzeichen einer gesunden Unternehmenskultur. Beide Aufzählungen sind durchaus nicht abschliessend und können sehr unterschiedlich ausfallen.

Wozu eine Unternehmenskultur?

In Zeiten von hohem Wettbewerbsdruck und Globalisierung können sich Unternehmen nicht mehr darauf verlassen, dass ihre Produkte ausreichen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Produkte lassen sich kopieren und oft auch günstiger anbieten. Wesentlich mehr bringt es, sich von Mitbewerbern durch die Unternehmenskultur abzugrenzen. Dies kann sich auf verschiedene Arten zeigen: kundenfreundlichen Service und die problemlose Abwicklung von Garantie- oder Reklamationsfällen.

Im Service oder in der Art, wie das Unternehmen kommuniziert, macht sich der Charakter von aussen am schnellsten bemerkbar. Im Innern ersetzt und unterstützt die Kultur Teile der Führung, sie lenkt und lässt Situationen einfacher interpretieren. Zugehörigkeit und Sicherheit in einer Gruppe sind erstrebenswerte Neben-effekte einer angenehmen Unternehmenskultur.

Mögliche Stolpersteine

Wie im oben beschriebenen Beispiel ist ein Wandel der Kultur nicht leicht. Fast alle Unternehmen, die eine solche Veränderung durchlaufen, kommen früher oder später an Grenzen. Hier einige Beispiele, was passieren kann: 

Neue Kultur wird nicht anerkannt
Veränderungen, sofern sie nicht durch das eigene Innere hervorgerufen werden, sondern durch äussere Einflüsse ausgelöst werden, stossen von Natur aus auf Reibung. Für Katrin Welge ist klar: «Veränderungen, die von aussen auf Mitarbeitende treffen, ohne dass diese an dem Entwicklungsprozess beteiligt waren, treffen überwiegend auf Widerstand.» Wie der sprichwörtliche Elefant durch den Porzellanladen zu trampeln, wird also nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. Die Dozentin rät dazu den Geschäftsleitungsmitgliedern: «Sinnvoller ist die Einbindung aller Kader- und weiterer Schlüsselpersonen in die Erarbeitung neuer Werte und Normen oder eines neuen Leitbildes.»

Wer zu viel auf einmal verändern will, verändert nichts
Kulturen bestehen zu einem grossen Teil aus Gewohnheiten und Erfahrungen, welche zu einem früheren Zeitpunkt erlernt und als effektiv und richtig empfunden wurden. Wieso sollte man also etwas ändern, wenn es doch funktioniert? Eine Veränderung erreicht man nur durch stetige und langsame Annäherung von der bestehenden an die neue Kultur. Änderungen sollten nie alles auf einmal auf den Kopf stellen. Die Möglichkeit, das neu Erlernte als gut zu empfinden und alte Verhaltens- oder Denkmuster über Bord zu werfen, muss dabei erhalten bleiben.

Nur Mut

Mut ist die Grundlage für Veränderungen. Der «Mutpegel» eines Unternehmens bestimmt das interne Klima entscheidend mit und beeinflusst direkt, was das Unternehmen erreichen kann. Für Kulturen mit wenig Selbstvertrauen wirken selbst kleinste Veränderungen bedrohlich. Angst und Abwehr sind die Folge. Zur Ermutigung eines ganzen Unternehmens gehören...

  • Konfliktfähigkeit: In einer Kultur, in der nur nach Fehlern gesucht wird, verharren Mitarbeitende eher in ihrer Komfortzone. Nur wo mit Fehlern konstruktiv umgegangen wird, können sich Mitarbeitende ermutigt fühlen. 
  • Weniger nörgeln: Manager, die über die Ängstlichkeit ihrer Mitarbeiter lästern, tragen zur Entmutigung bei. Dieses Verhalten vermittelt der Belegschaft das Feedback, nicht gut genug zu sein. 
  • Wahrnehmung erweitern: Sich nur auf die Zunge zu beissen, wenn man mal wieder den Impuls verspürt, Negatives zu äussern, ist nicht Ziel der Übung. Besser ist es, sich bewusst zu entscheiden, auch die Dinge zu sehen, die in Ordnung sind. Wenn es die nicht gäbe, würde das Unternehmen schliesslich schon längst nicht mehr existieren. Das Positive als selbstverständlich zu erachten, wirkt auch entmutigend. 
  • Mut zur Veränderung machen: Das bedeutet nicht, die Gefahren zu verharmlosen. Aber es nützt auch nicht viel, über die Chancen zu reden. Vielmehr muss das Vertrauen gestärkt werden, dass die Veränderungen gemeistert werden können. Zum Beispiel indem man über vorhandene Stärken redet oder über frühere Erfolge bei Veränderungen. Das beseitigt zwar nicht die Bedrohlichkeit, verstärkt aber die Zuversicht. 
  • Schnelle Erfolge: Nichts ist ermutigender. Das Projekt muss aber so konzipiert sein, dass rasche Erfolge überhaupt möglich sind. Das Gleiche gilt für das Einplanen realistischer Zwischenziele. 

Quelle: www.umsetzungsberatung.de

Kultur wird im Alltag nicht wahrgenommen
Seien Sie kreativ im Alltag! Zeigen Sie, dass diese Veränderungen wirklich sinnvoll sind, Sie voll und ganz dahinter stehen und rufen Sie sie immerzu ins Gedächtnis. Katrin Welge weiss, welche Möglichkeiten bestehen, die neue Kultur zu verfestigen: «Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. An erster Stelle sollten alle bestehenden Prozesse, Strukturen und Kommunikationsgefässe – wie Mitarbeitenden- und Zielvereinbarungsgespräche, Team Jour Fixe – auf das neue Leitbild ausgerichtet werden und weitere Möglichkeiten geprüft werden, die das Neue, den Unterschied sichtbar und erfahrbar machen. Auch eine Weihnachtsfeier kann dazu genutzt werden, die neuen Unternehmenswerte zu erleben.»

Ebenso helfen regelmässige Info-Veranstaltungen oder E-Mail-Newsletter, auch ein Intranet oder das schwarze Brett mit den neusten Informationen, den frischen Wind in der Unternehmung zu halten. Beginnen Sie Sitzungen mit ein, zwei Minuten Zeit für die neue Kultur, um die Ebene der Sitzung zu definieren.

Querschläger
Jede Veränderung bringt auch Widerstand mit sich. Doch wie geht man am besten mit Mitarbeitenden um, die den neuen Werten nicht positiv gegenüberstehen? Katrin Welge sieht solche Teammitglieder als Chance: «Widerstand sollte nicht von vornherein negativ eing-estuft, sondern neutral als Energie wahr-genommen werden. Widerständige Mitarbeitende setzen sich mitunter aktiv mit der Veränderung auseinander, denken auf ihre Weise mit und kommen zunächst zu einer eigenen anderen Meinung. Bei Mitläufern weiss man nicht, ob sie nicht vielleicht sogar innerlich gekündigt haben. Das Gespräch mit den kritischen Mitarbeitenden ist möglichst früh anzugehen, damit diese spüren, dass ihre Einwände gesehen und gehört werden. Wichtig ist dabei, dass die Anliegen ernst genommen werden.»

Wichtige Bausteine

Aktive Mitarbeit
Beziehen Sie die Mitarbeitenden aktiv in den Entwicklungsprozess der neuen Kultur ein. Jede einzelne Abteilung sollte durch eine Person vertreten sein, im Idealfall wäre dies die leitende Person. So werden in Workshops verschiedene Blickwinkel ausgeleuchtet und Erfahrungen, Ideen und Ziele auf einen Nenner gebracht. Für Katrin Welge ist klar, dass eine solche Mitarbeit sinnvoll ist: «Geben Sie den Mitarbeitenden die Gelegenheit, sich aktiv mit dem neuen Leitbild auseinanderzusetzen: Was bedeuten die neuen Vorgaben für unsere Zusammenarbeit in unserer Abteilung und für die Zielerreichung?» Dass sich Mitarbeitende mit der Thematik auseinandersetzen, ist wünschenswert und oft kommen aus der Linie neue Perspektiven hinzu, welche zwingend in die Überlegungen des Managements miteingebunden werden sollten.

Authentisches Management
Um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, braucht es viele und regelmässige Anstösse, welche vom Management ausgehen. Eben dieses steht geschlossen hinter der Entscheidung und lebt die neuen Werte konsequent vor. Welge macht darauf aufmerksam, dass dem Management eine zentrale und entscheidende Rolle zuteilwird: «Das Verhalten der Führungskräfte sollte von den neuen Werten geprägt und den Mitarbeitenden eine Orientierungshilfe sein.» Den Mitarbeitenden soll Raum für Rückmeldungen an die Geschäftsleitung zur Verfügung gestellt werden und das Verhalten der Führung muss authentisch und anhaltend sein, damit das Vertrauen der Belegschaft erhalten bleibt und wächst.

Gute Gründe
Die anstehenden Veränderungen sollen sich für alle Anspruchsgruppen positiv auswirken. Gründe für die Übernahme der neuen Kultur, oder die Nachteile der alten Gewohnheiten, müssen aufgezeigt werden und nachvollziehbar sein. Um dies sinnvoll umsetzen zu können, muss man sich zuerst im Klaren sein, was denn als Vor- und Nachteile der aktuellen Kultur angesehen wird.

Positives Feedback
Positives Feedback motiviert. Mitarbeitende müssen die Auswirkungen der neuen Kultur spüren, um sie sich verinnerlichen zu können. Je rascher die Führung das Lob dafür ausspricht, desto nachhaltiger ist die Wirkung und desto schneller wird die neue Kultur in der Unternehmung angenommen.

Eine bahnbrechende Veränderung, wie eine neue Kultur einzuführen und zu festigen, ist durchaus ein sportliches, aber erreichbares Ziel. Eine gründliche Vorbereitung, ein Lageplan mit Zielführung sowie viel Kreativität und Engagement sind unabdingbar für den Erfolg. Allerdings: Diese Mammut-Aufgabe gehört nicht auf den Rücken einer einzelnen Person, schon gar nicht den einer Assistentin. 

In einem Sprichwort heisst es ja bereits: «Der Fisch stinkt vom Kopf her.» Und damit ist auch klar, wer bei solchen Grossprojekten in der Pflicht ist: der Chef beziehungsweise gleich die ganze Geschäftsleitung. Sie müssen die Werte vorleben. Welge macht ausserdem darauf aufmerksam, dass der bevorstehende Wandel allen Beteiligten viel Beharrlichkeit, einen langen Schnauf und Geduld abverlangt: «Einen zeitlichen Horizont zu nennen ist nicht einfach. Die Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Unternehmen, das sich nach einer turbulenten, informellen Start-up-Phase konsolidiert und für sich neu eine Kultur formuliert, steht vor anderen Herausforderungen als eine alt eingesessene Firma, die sich nach Jahrzehnten neu am Markt ausrichtet und sich auch kulturell neu definiert.» M

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Evelyne Burgherr arbeitet als freie Journalistin. 

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