Wenn das Office zum Home wird
Das Büro bleibt als Treffpunkt wichtig für den Austausch. Auch wenn wir die Möglichkeit haben, von überall zu arbeiten, ist es die Begegnung, die Innovation fördert. Büroausstatter schaffen dafür Zonen, die sie mit farbigem Mobiliar und Pflanzen wohnlich gestalten. Das macht uns produktiver und kreativer, sagt die Wissenschaft.
Wir schauen vor dem Schlafengehen noch schnell aufs Geschäftsmail, erledigen auf dem Weg zur Arbeit berufliche Telefongesprä-che und sehen dafür im Büro immer mal wieder nach, was sich auf unseren sozialen Netzwerken tut. Ausschliesslich im Büro arbeiten und im Büro ausschliesslich arbeiten war ges-tern, und was vor einigen Jahren noch als Verstoss gegen die Arbeitsregeln galt, ist inzwischen Usus.
Seit Jahren werden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer durchlässiger. Der Zenit ist jedoch längst nicht erreicht: Die Integration von Arbeit und Freizeit werde sich weiter verbreiten, prophezeit das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.
Spass, im Ernst
Weil wir durchs flexible Arbeiten stille Tätigkeiten immer öfter ausserhalb des Büros ausführen, wandelt sich dessen Funktion. Es wird zum Ort, an dem wir unseren Teamgeist pflegen, indem wir kommunizieren und kooperieren. Plauderstunden, bis vor Kurzem verpönt, werden dadurch salonfähig. Innovative Arbeitgeber fördern informellen Austausch und -Entspannungsmöglichkeiten sogar bewusst, denn sie erhoffen sich von vernetzten, locke-ren Mitarbeitenden mehr Produktivität und Kreativität: «Ungeplante Begegnungen sind der Ursprung vieler Lösungs- und Denkan-sätze», sagt Danny Schweingruber, Leiter Workspace Consulting bei Witzig The Office Company.
Damit geht ein weiterer Trend einher – weg von gleichförmigen Pultreihen hin zu Büros, die Zonen für soziale Interaktion oder Rückzug bieten. Um die Mitarbeitenden je nach Tätigkeit in konzentrierte oder kommunikative Stimmung zu versetzen, lassen sich Büroausstatter von den eigenen vier Wänden inspirieren. Zu Hause richten wir Räume oder Zonen ein, in denen wir mit Gästen oder der Familie plaudern und solche, in denen wir stillen Tätigkeiten nachgehen. Ersterem entspricht im modernen Büro etwa die Kaffeelounge oder die Sofaecke. Wer dagegen individuell arbeiten möchte, zieht sich an einen geräuscharm gestalteten Ort zurück.
Produktive Mini-Wellnessoase
Selbst wer in Sachen Bürogestaltung nicht das Zepter in der Hand hat, kann doch im Kleinen etwas für mehr Produktivität und Kreativität tun:
• Grün: Es muss kein Dschungel sein: Auch eine Pflanze macht schon ein wenig Sommer. Hübsch, nicht so oft gesehen und von der NASA auf die Eignung im Weltall geprüft sind folgende Luftreiniger:
- Bogenhanf (Sansevieria)
- Verschiedene Drachenbäume (Dracaena Janet Craig, Dracaena massangeana und Dracaena marginata)
- Chrysantheme (Chrysanthemum morifolium)
- Efeutute (Scindapsus aureus)
- Baumfreund (Philodendron)
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Ruhe: Wer keinen Platz für Pflanzen oder keinen grünen Daumen hat, kann sich mit grünen Einrichtungsgegenständen abschirmen, zum Beispiel mit dem Buzzi Cactus, einem Raumtrenner in Kakteenform aus schalldämpfendem Material.
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Bewegung: über Mittag ins Fitnessstudio gehen oder sich draussen bewegen, Stehungen statt Sitzungen anregen, zwischendurch Yoga für die Augen
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Mitsprache: Workshop anregen, bei dem Mitarbeitende einen Raum neu gestalten
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Farbe: eine Wand farbig streichen lassen, Sessel mit farbigen Bezügen wählen, Bilder aufhängen (auch solche aus Pflanzen), ein Abo beim Floristen lösen
Ideen brauchen Raum
Bürodesigner machen sich Erkenntnisse aus der Arbeits- und Farbpsychologie zunutze und kreieren Büromobiliar, das Räume klug unterteilt und mit bunten Farben, harmonischen Formen und angenehmen Materialien lockt. Da gibt es zum Beispiel auf drei Seiten geschlossene Boxen, die sich aneinanderreihen lassen und jeden Arbeitsplatz optisch und akustisch abschirmen. Innen hellgrün und aussen violett, bringen sie Farbe ins Büro. Will man sich in einer kleinen Gruppe zurückziehen, bilden Meetingboxen den richtigen Rahmen: Die vier grün ausgekleideten Sitzplätze beidseits einer kleinen Arbeitsfläche erinnern an Zugsabteile und schaffen einen Raum, in dem man ungestört von der Umgebung ganz auf ein Projekt fokussieren kann.
Das kann nur Natur pur
Grün ist bei der Büroausstattung der Renner. Das kommt nicht von ungefähr: Farbpsychologen der Ludwig-Maximilians-Universität München haben herausgefunden, dass Testpersonen bei schöpferischen Aufgaben besser abschnitten, wenn sie vorher etwas Grünes anschauten, zum Beispiel eine Pflanze.
Was liegt also näher, als sich ein Stück Natur ins Büro zu holen? Die positiven Wirkungen von Grünpflanzen sind wahrhaft unschlagbar. Sie machen uns nicht nur kreativer, sondern steigern auch unsere Produktivität. In einer aktuellen Studie der Universitäten Exeter, Queensland und Groningen leisteten die Probanden bis zu 15 Prozent mehr, wenn sie Grünpflanzen im Blickfeld hatten. Und damit nicht genug. Pflanzen regulieren auch die Luftfeuchtigkeit, dämpfen Geräusche und machen uns ausgeglichener.
Ein Tisch als Eisbrecher
Die Wissenschaft hat damit bewiesen, was viele aus eigener Erfahrung kennen: Man fühlt sich in persönlicheren, bunteren und begrün-ten Räumen wohler, leistet mehr und ist langfristig zufriedener. Daran orientiert sich das Modell der Zukunft, ist das IAO überzeugt: Eine Büroarchitektur, die Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden unterstützt, wird künftig der Standard sein.
In der Realität ist man vielerorts aber noch weit davon entfernt. Mobiles und zeitlich flexibles Arbeiten sind zwar allgegenwärtig, -Büros aber oft nicht mehr als ein Raum voller funktional eingerichteter Einzelarbeitsplätze. Fehlen Gelegenheiten, um sich auszutauschen, kommen die Vorzüge neuer Arbeitswelten nicht zum Tragen, meint Danny Schweingruber: «Noch sind sich viele Entscheider zu wenig bewusst, wie sehr die Büroeinrichtung das Verhalten der Mitarbeitenden beeinflusst. Gerade das Mobiliar dient aber als Beschleuniger interdisziplinärer Kommunikation.» Als Beispiel nennt er den wave‘table, einen langen Tisch mit zwei Höhen, an dem man sitzen oder stehen kann. Ist er so platziert, dass gleichzeitig Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen daran ar-beiten, kann er den Austausch anregen – ein wesentliches Plus für die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Experimentieren erlaubt
Man mag an der Wirksamkeit solcher Massnahmen zweifeln. Wer skeptisch ist, dem empfiehlt Schweingruber deshalb, sich schrittweise an die neuen Arbeitswelten anzunähern und es mit einem Pilotprojekt zu versuchen. Dabei bekommt erst einmal eine Etage oder Abteilung ein Büro mit unterschiedlichen Zonen. So können Arbeitgeber live beobachten, in welchem Mass sich die Einrichtung positiv auf den Output und das Teamgefühl auswirken kann. «Haben Mitarbeitende und Teamleader aber einmal gelernt, mit den neuen Freiheiten umzugehen, werden sie sie nicht mehr aufgeben wollen», so Schweingruber.