Perfekt präsentieren

Weniger ist mehr

Präsentationen sind oft visuell überfrachtet. 
Klarheit statt Vollständigkeit heisst hier die 
Devise. Und analoge Präsentationstechniken 
gehören noch lange nicht in die Abstellkammer.

10 Uhr morgens. Der Raum ist dunkel, an der Wand strahlt ein weisses Rechteck. Darauf eine Tabelle, Zeilen, Spalten, Zahlen. Daneben steht ein Mann, kaum zu erkennen im Halbschatten und winzig im Vergleich zur Leinwand. Mit monotoner Stimme liest er die Zahlen ab, die vorne leuchten. Das Publikum wird müde. In welcher Zeile ist er gerade? Um was geht es nochmal? Und es wird noch müder. Ach egal, später gibt es die Folien ja als Handout. Und schon schlafen alle ein. Das Phänomen ist so bekannt, dass es einen Namen hat: «Death by Powerpoint». Und es ist sogar Thema wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Ergebnisse sind erschütternd, offenbar können nur fünf bis zehn Prozent aller Redner, die das Programm benutzen, das Interesse der Zuhörer wecken.

Von toten Hühnern

Da machen sich tagtäglich so viele Menschen Arbeit mit Präsentationen, bannen all ihr Wissen auf Folien und nichts davon kommt an? Das klingt nach einer Menge Zeitverschwendung auf beiden Seiten.

Thomas Skipwith, vierfacher Europameister in Rhetorik, bringt das Problem auf den Punkt: «Der Redner macht sich mit seiner Präsentation überflüssig, überfrachtet sie und das Publikum schaltet ab.»

Das kann sogar gewollt sein. In der US-Army wird diese Strategie angewendet, um wahre Zusammenhänge zu verschleiern. «Killing the Chicken» heisst das dann und das Ziel ist klar: Niemand soll mehr verstehen, um was es geht, und es hat auch niemand mehr Lust, sich damit zu beschäftigen. Sollte das Ziel  aber ein anderes sein, lohnt es sich, über die richtige Nutzung von Powerpoint und anderen Präsentationsformen nachzudenken.

Nur wenige Sekunden Zeit

Nach Ansicht von Skipwith fängt eine gute Präsentation mit der richtigen Vorbereitung an. Und zwar mit der des Vortrags selbst. Er empfiehlt, erst mal völlig ohne Folien zu denken und seine Rede in Stichworten zu skizzieren. Erst wenn das Konzept des Vortrags steht, wird entschieden, was besonders hervorgehoben werden soll und was die wichtigsten Punkte sind. «Und nur die gehören auf die Folien», sagt Skipwith. Jeder Redner sollte der Versuchung widerstehen, zu viel in die Präsentation zu packen. Wenige Schlüsselwörter reichen, um den Inhalt des Vortrags zu unterstützen. «Man braucht nicht die ganze Tabelle, wenn es nur um eine Zahl geht», erklärt Skipwith. Ebenso wenig hätten ganze Sätze oder lange Wörter etwas auf den Folien zu suchen. Die Zuhörer sollen den Inhalt einer Folie in wenigen Sekunden erfassen können – und sich danach wieder dem Redner zuwenden. «Wer wenig auf die Folien schreibt, schafft sich Redefreiheit und erhält die Aufmerksamkeit des Publikums», sagt Skipwith. Denn das hört zu, wenn es den Inhalt nicht auf den Folien geliefert bekommt. Zusätzlich erscheint der Redner kompetenter, weil er ohne Hilfsmittel auskommt. Und er kann sich nicht in seinen Folien verirren. Das kommt an.

Je nach Thema und Zielsetzung der Präsentation gibt es natürlich Unterschiede. Geht es um technische oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge mit einer entsprechenden Zuhörerschaft, können die Folien ruhig etwas mehr ins Detail gehen. Sollen die Zuhörer dagegen emotional überzeugt werden, empfiehlt Skipwith sogar, den Vortrag nur mit Bildern zu hinterlegen. «Damit kann ich viel mehr Gefühle erzeugen», sagt er.

Eine gute Unterstützung sind Folien, wenn ein Zusammenhang mit Grafiken oder Tabellen veranschaulicht werden kann. Aber auch hier ist Zurückhaltung angesagt. Eine Tabelle sollte nur die wichtigsten Zahlen enthalten, ein Diagramm oder eine Grafik nur so wenig wie möglich beinhalten. Auch mit Farben oder Animationen sollte sparsam umgegangen werden. Oft wirkt ihr Einsatz unruhig und lenkt ab. Gezielt und überlegt eingesetzt, sind sie aber gute Hilfsmittel. Wenn die wichtigste 
Zahl aus einer überladenen Tabelle plötzlich rot wird und der Rest um sie herum verschwindet, rückt sie in den Mittelpunkt. Und da soll sie ja hin.

Vorsicht vor Experimenten

Das «Weniger ist mehr»-Prinzip gilt neben dem Inhalt auch für das Grundlayout der Powerpoint-Folien. Ein bis zwei Grundfarben, eine Schriftart und maximal zwei Schriftgrössen reichen völlig aus. Eine gute Richtschnur für das Layout ist die Lesbarkeit der Folien. Durch Experimente mit beispielsweise heller Schrift auf dunklem Hintergrund oder kleinen Schriftgrössen wird das Publikum jedoch daran gehindert.

Viele Redner vergessen über den Folien während des Vortrags ihre eigene Präsenz. «Ich bin immer wieder überrascht, wie wenige Redner die Taste B bzw. S kennen, mit der die Folien ausgeblendet werden können», so Skipwith. Optimal sei ein Wechsel zwischen Folien und Vortrag, bei dem sich der Redner ruhig auch bewege. Die Titelfolie könne zum Beispiel ausgeblendet werden; der Regner könne dann in die Mitte gehen, ganz frei ins Thema einführen und danach wieder zur Seite gehen und die zweite Folie zeigen, schlägt er vor. «Dann versteckt sich der Redner nicht neben der Leinwand oder hinter dem Laptop.» Wer das mache, der habe die Zuhörer nicht mehr im Blick und verliere den Kontakt. Und das, so Skipsith, dürfe auf keinen Fall passieren. «Die Leute wollen angesprochen werden vom Redner, sonst sind sie weg», sagt er. Und das ist im Normalfall eher der Supergau als das Ziel eines Vortrags.

Faszinieren statt präsentieren

Matthias Pöhm ist Rhetoriktrainer und Gründer der Anti PowerPoint Partei. Miss Moneypenny hat ihn gefragt, wieso es besser sei, auf Powerpoint zu verzichten.

Herr Pöhm, Sie empfehlen, bei Präsentationen ganz auf analoge Hilfsmittel wie Flipcharts zu setzen. Wieso?

Matthias Pöhm: Wenn ich etwas bewegen will, muss ich mich selbst bewegen. Ich muss aktiv werden. Zeichne ich etwas live vor den Augen des Publikums, auf einen Flipchart, dann geschieht
etwas. Das Publikum schaut hin, verfolgt mich und das, was ich erschaffe. Dann merken sich die Leute den Inhalt.

Lässt sich das Publikum so auch emotional besser überzeugen?

Klares Ja. Eine Zeichnung am Flipchart hat eine viel emotionalere Wirkung als ein paar vorgefertigte Folien. Da kommt etwas rüber von Mensch zu Mensch, direkt und unverfälscht. Das macht einen enormen Unterschied in der Wirkung.

Aber nicht jeder traut sich zu, live vor Publikum eine Grafik zu zeichnen.

Auf die Zeichenkünste kommt es gar nicht an und es ist sogar viel einfacher, etwas am Flipchart zu zeichnen, das jeder sofort versteht, als mit Powerpoint. Denn niemand würde live etwas Kompliziertes zeichnen, da beschränkt man sich direkt auf das Wesentliche.

Bilder kann man aber nun wirklich schlecht zeichnen.

Bei Bildern haben Powerpoint und Konsorten ihre Berechtigung. Da würde aber auch ein Projektor reichen.

Erwartet das Publikum heute nicht eine Präsentation mit Powerpoint?

Es erwartet vor allem eine langweilige Präsentation. Wenn da jetzt jemand ganz ohne Folien um die Ecke kommt, seine Gedanken Schritt für Schritt entwickelt, zwischendurch mal etwas Wichtiges auf einem Flipchart notiert, dann ist das spannend. Das nimmt einem garantiert niemand übel, im Gegenteil.

Gibt es ausser Flipcharts noch andere Methoden, um der Powerpoint-Langeweile zu entgehen?

Es gibt ein paar Programme, mit denen man mehr live machen kann als mit Powerpoint. Aber das läuft alles über den Laptop und hat nicht denselben Effekt wie selbst zeichnen auf Papier. Da bewegen sich immer Bits und Bytes, das läuft nicht direkt zwischen den Menschen ab.

Gibt es noch andere analoge Hilfsmittel ausser dem Flipchart, die man nutzen kann?

Super ist, wenn man ein Produkt mitbringt. Das kann man zeigen, das Publikum kann es anfassen, ausprobieren, da entsteht ein ganz anderer Eindruck.

Haben Sie einen abschliessenden Tipp für unsere Leserinnen und Leser?

Lassen Sie Ihre Fantasie spielen. Sie wollen faszinieren, nicht nur präsentieren. Wenn Sie von dem überzeugt sind, was Sie vorne auf der Bühne veranstalten, dann können Sie sich alles erlauben.

 

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