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Was ist überhaupt … Storytelling?

Geschichten erzählen wir uns seit Anbeginn der Menschheit. Wir lieben Geschichten. Kein Wunder also, dass sie unter dem Begriff Storytelling dafür eingesetzt werden, Produkte oder Dienstleis­tungen zu bewerben. Oder Unternehmen ein Gesicht zu geben. Egal ob intern oder extern, digital oder analog: Eine gute Story verhilft zu mehr Sichtbarkeit.

Um was geht’s?

Rotkäppchen und der böse Wolf, oder der Schafhirte, der aus Langeweile einen Wolfsangriff vortäuschte, bis ihm niemand mehr glaubte: Bei Märchen fiebern Kinder mit. Geschichten bleiben ihnen für immer im Gedächtnis, und die darin enthaltenen Informationen auch. «Vertrau keinem Fremden, erzähl keine Lügen», das bleibt hängen, wie nebenbei. Das gleiche Prinzip kommt beim Storytelling zum Einsatz.

Wer hat’s erfunden?

Schon in der Steinzeit am Lagerfeuer haben sich Menschen Geschichten erzählt. Lange bevor Schreiben und Lesen Standard wurden, vermittelte man wichtige Informationen mündlich. Und schon immer wurden sie in spannende Geschichten verpackt. Unsere Vorfahren erzählten ihre Geschichten nicht nur, sie malten sie auch. Davon zeugen zahlreiche Höhlenbilder, die rund um den Globus gefunden wurden. Die ältesten bis heute entdeckten sind rund 40 000 Jahre alt – sie entstanden etwa zeitgleich auf der indonesischen Insel Sulawesi, in Spanien und in Frankreich. Geschichten zu erzählen und sogar visuell zu unterstützen, ist also so alt wie die Menschheit und ein weltumfassendes Prinzip.

«Vielleicht erreicht ein Blogbeitrag nicht die Massen, wird aber in einem Expertenforum zitiert.»

Wo kommt es zum Einsatz?

Die Geschichte von zwei Jungen, die in der väterlichen Garage Oszillatoren zusammenschraubten und den Namen ihres späteren Mega-Konzerns per Münzwurf entschieden: Geschichten wie die Gründungsstory von Hewlett-Packard verleihen nicht nur Unternehmen den entscheidenden Touch Charakter, sondern manchmal auch ganzen Branchen, wie hier dem Silicon Valley. In Unternehmen wird Storytelling deshalb nicht nur im Produktmarketing genutzt, sondern auch, um die Unternehmensphilosophie und Kultur zu transportieren. Und das funktioniert, wie man an der Garagen-Geschichte sieht. Auch wenn die meis­ten Gründer im Silicon Valley bereits hochqualifizierte Forscher waren, hat sich der Mythos der jungen Helden, die aus dem Nichts etwas geschaffen haben, in den Köpfen festgesetzt. Es ist einfach die viel bessere Story.  

Wie funktioniert’s?

Nicht jedes Unternehmen kann auf eine Gründungsgeschichte zurückgreifen wie HP, und die meisten Geschichten, die von Unternehmen erzählt werden, sind vor allem eins: langweilig. «Einen tollen Lehrling haben alle, innovativ sind auch alle, die Produkte sind immer super und für die Kunden da sind sowieso alle», fasst Florian Wieser gängige Formen zusammen. Mit eigentlichem Storytelling habe das nichts zu tun. «Das Finden einer guten Story ist ein bisschen wie das Heben eines Schatzes», erklärt der Berater, der zusammen mit anderen das Schweizer Center for Story­telling gegründet hat. «Eine gute Story führt den Kunden zur Lösung seines Problems», sagt er. Um da hinzukommen, empfiehlt er ein Vorgehen in vier Phasen:

Phase 1: Die Schatzsuche «Als erstes reden wir über das Produkt. Denn das können alle», erklärt Wieser. Dazu werden drei einfache Fragen gestellt: Was kann das Produkt? Was ist der Mehrwert? Und welches Problem löst es? «Dem stellen wir einen konkreten Kunden gegenüber, der zuvor in einem Vorgespräch definiert wurde», führt Wieser weiter aus. Sabine, die Lieblingskundin, oder Maja, die umsatzstärkste Kundin zum Beispiel. Auch da werden wieder drei Fragen gestellt: Was macht die Person den ganzen Tag? Was will sie erreichen? Was hindert sie daran? «Und dann kommt der magische Moment des Matchings: Mehrwert trifft Hinderungsgrund oder Problemlösung trifft tägliche Aufgabe. Das sind die Storylines, da liegen die Geschichten. Dann haben wir den Schatz gefunden», so Wieser.

Phase 2: Die Erzählung Rund um die Storylines kann man dann sein Storyuniversum stricken. Das sollte das Bedürfnis des Kunden im Blick haben und sich entlang der Phasen des Customer Life Cycles bewegen: Aufmerksamkeit, Berücksichtigung, Entscheidung, Anwendung, Rückfragen und Empfehlung. Ziel des Storytellings im Marketing ist, die Menschen von einer Phase zur nächsten zu begleiten und zu bewegen. Durch ihr Interesse an den Storys lernt das Marketing, was sie bewegt, und die weiteren Massnahmen können basierend auf den Daten getroffen werden. Die Story wiederum kann auf viele verschiedene Arten und in verschiedenen Medien erzählt werden.

Phase 3: Die Organisation «Storytelling ist ein Prozess», weiss Wieser. Um es konsequent umzusetzen, braucht es ein Redaktionsteam. Und zwar eines, das nicht nur erzählt, sondern auch überwacht. Denn man kann die Wirkung der Geschichten messen, gerade im digitalen Bereich. Dabei geht es aber nicht um Suchmaschinen-Optimierung, sondern weit darüber hinaus. «Ein Beitrag soll natürlich von vielen gefunden werden, aber er soll vor allem die erreichen und überzeugen, für die er die passende Problemlösung bietet», erklärt er. Vielleicht erreicht ein Blogbeitrag nicht die Massen, wird aber in einem Expertenforum zitiert. Und ist damit genau bei den Lieblingskunden angekommen, die man im Sinn hatte.

Phase 4: Dranbleiben «Wenn man weiss, welche Artikel die besten waren, kann man das Thema verlängern oder vertiefen», erklärt Wieser. Und sich zum Beispiel den Ruf eines Spezialisten erarbeiten. Oder den eines Abenteurers. Ganz wie es zum jeweiligen Unternehmen passt. Aber das geht nur, wenn die nötigen Ressourcen und eine richtige Organisationsstruktur für das Storytelling geschaffen werden. «Wir machen mal schnell einen Blog und ein Jahr später haben wir nur drei Beiträge, das funktioniert nicht», so der Experte.

Was bringt’s?

«Die Kunden haben heute eine riesige Auswahl, sie gehen dahin, wo sich jemand Mühe macht und sie zur Lösung führt», weiss er. Wer zum Beispiel in einem Blog gut aufbereiteten Content mit Mehrwert findet, der wird sich im dazugehörigen Shop umschauen. Ein Unternehmen, das eine Geschichte zu erzählen hat, wird von Bewerbern höher geschätzt, weil es Identifikationspotenzial bietet. Der Bewerber, der die angestrebte Stelle als Höhepunkt seiner Lebensgeschichte und sich gleichzeitig als Lösung für das Problem des Arbeitgebers präsentiert, macht Eindruck. «Eine gute Story macht einfach den entscheidenden Unterschied», sagt Wieser.

Macht’s auch Probleme?

«Storytelling umzusetzen ist nicht so einfach, wie einen Massnahmenkatalog abzuarbeiten», weiss Wieser. Viele Unternehmen unterschätzten die Arbeit, die dahinterstecke. «Probleme macht es immer dann, wenn sich ein Unternehmen nicht wirklich in den Prozess einlässt, sondern das Ganze als einmalige Aktion wahrnimmt», sagt Wieser. Ohne die nötigen Ressourcen und gute Erzähler verlaufe jede noch so gute Geschichte im Sand.

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