Was ist überhaupt ... ein NFT?
NFTs sorgen für Wirbel auf dem Markt für digitale Kunstwerke – eigentlich kein Markt für ein Massenpublikum. Trotzdem sind sie heiss begehrt und gelten als neuster Investment-Hype. Was sich hinter dem Kürzel verbirgt, warum nicht jeder auf sie setzen sollte und welche Märkte sie in Zukunft noch verändern könnten, erklären wir in unserer Rubrik.
Um was geht’s?
Ein NFT ist genau genommen nichts anderes als eine digitale Besitzurkunde oder ein Echtheitszertifikat. In ihm wird nachvollziehbar festgehalten, wem ein Gut gehört und wer es geschaffen hat. Im Normalfall handelt es sich dabei um Güter, die entweder von sich aus digital sind oder im Digitalen genutzt werden: Ein Kunstwerk zum Beispiel oder ein Bild davon, ein Icon, ein Gegenstand in einem digitalen Spiel, ein Tweet – alles, was digital geschaffen wurde und/oder digital verfügbar ist, kann mit einem NFT einem Besitzer zugeordnet werden. Wer ein NFT einträgt, ist Besitzer des entsprechenden Gutes und kann es entweder behalten oder das NFT weiterverkaufen. Jeder Eintrag und auch jeder folgende Kauf oder Verkauf wird in einer Blockchain gespeichert und ist somit transparent nachvollziehbar.
Der Begriff NFT ist eine Abkürzung für « Non-Fungible Token», übersetzt «nicht austauschbares Zeichen». Zeichen meint dabei eine digitale Marke, die einen exakten Wert beschreibt. Im Gegensatz zu Coins von Kryptowährungen sind NFTs nicht austauschbar (non fungible). Dieser Unterschied ist wichtig, wie Markus Knecht, Informatiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Nordwestschweiz, erklärt: «Man kann einen Bitcoin gegen einen beliebigen anderen tauschen, genau wie bei Münzgeld. Ein NFT dagegen ist immer einzigartig, denn es bezieht sich auf ein bestimmtes Objekt und seinen Besitzer und sie können sich nicht gegenseitig ersetzen.»
Wer hat’s erfunden?
Die Idee hinter den NFTs stammt von Anil Dash und Kevin McCoy. Sie trafen sich im Jahr 2014. Dash war damals als Berater für Auktionshäuser tätig, während McCoy sich als Digital- und Videokünstler einen Namen gemacht hatte. Beide trieb die Frage um, woran man eigentlich bei digitalen Kunstwerken das Original erkennen kann und wie man es so verkaufen kann, dass der neue Besitzer auch als solcher erkennbar ist. Sie entwickelten gemeinsam den ersten Prototypen einer Blockchain, in der sie einem digitalen Original einen Besitzer zuordneten. Sie stellten ihre Idee noch im gleichen Jahr bei einer Veranstaltung des Museum of Contemporary Art in New York vor, der Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen. Erst einige Jahre später, als die Blockhain-Technologie und Kryptowährungen ihren Siegeszug antraten und nicht mehr nur Nerds vorbehalten waren, entwickelten andere die Idee weiter und schufen die ersten richtigen NFTs.
Wie funktioniert´s?
Jedes NFT beinhaltet einen Token, einen digitalen Schlüssel. Dieser besteht aus mehreren Informationen: Zum einen wird mittels Metadaten oder Links festgehalten, um welches Objekt es geht. Zum anderen wird der Besitzer eingetragen. Danach wird das NFT in einer Blockchain gespeichert. Die in ihm enthaltenen Informationen sind auf den entsprechenden Blockchain-Plattformen öffentlich einsehbar und unveränderlich. Wechselt ein NFT den Besitzer, wird diese Information einfach hinzugefügt, sodass immer die gesamte Historie gespeichert ist. «Durch die Blockchain wird garantiert, dass die Ursprungsinformationen sowie alle folgenden Informationen nicht manipuliert werden können», erklärt Markus Knecht. Denn die Blockchains sind dezentral organisiert und die Informationen liegen nicht auf einem Server, sondern auf verschiedenen. «Diese Daten kann man nicht so einfach überschreiben, man müsste das ja an verschiedenen Orten tun», sagt der Experte.
Der Handel mit NFTs und auch der anfangs erwähnte Hype darum funktioniert wie alle anderen Investments auch: Menschen investieren in ein NFT, weil sie das entsprechende Gut besitzen wollen und meist auch, weil sie davon ausgehen, dass der Wert steigt und sie es gewinnbringend verkaufen können. «Ob das bei jedem digitalen Gut der Fall ist, ist dann aber reine Spekulation», sagt Knecht.
Was bringt’s?
Der Grundgedanke der Erfinder war, einem digitalen Kunstwerk einen Original-Stempel zu verpassen und zusätzlich den Besitzer festlegen zu können. Beides wird von NFTs erfüllt und das hat gerade auf dem Kunstmarkt grosse Vorteile. «Ein Künstler kann eines seiner Werke mit einem NFT versehen und es dann selbst verkaufen. Mittelsmänner wie Galeristen bleiben aussen vor», erklärt Markus Knecht. Der Gewinn des Künstlers vergrössert sich entsprechend. «Ausserdem sorgen die NFTs für Transparenz auf grauen Märkten.» Denn gerade ungeregelte Märkte wie der Kunstmarkt seien häufig Schauplatz von Geldwäsche, Steuerbetrug oder ähnlichen kriminellen Machenschaften. «Da alle Informationen der NFTs in der Blockchain gespeichert sind und der Besitzer immer identifizierbar ist, wird das Risiko, bei Betrügereien erwischt zu werden, grösser», sagt der Experte. Allerdings gilt das nur, wenn die Strafverfolger sich auch in den Blockhains auskennen und umsehen – und das ist heute noch nicht überall der Fall.
NFTs sind mittlerweile auch nicht mehr auf den Kunstmarkt beschränkt. «Im Metaverse beispielsweise werden NFTs verwendet, um die Besitzverhältnisse von digitalen Villen, Einrichtungsgegenständen oder Ähnlichem festzuhalten», sagt Markus Knecht. Und er geht davon aus, dass sie in Zukunft auch über die digitale Welt hinaus Anwendung finden könnten: «Im Grunde sind es ja digitale Urkunden, also könnten damit auch Besitzverhältnisse von echten Häusern oder Ähnlichem festgehalten werden.»
Macht’s auch Probleme?
Ein Problem an NFTs ist sicher die Spekulation, die mittlerweile mit ihnen betrieben wird. Auf den weitgehend unregulierten Märkten, auf denen die Technologie zum Einsatz kommt, entkoppeln sich die Werte der NFTs schnell von den realen Werten der Werke. Dies wird auch vom eigentlichen Erfinder der Technologie, Anil Dash, als Problem gesehen. Er habe nie im Sinn gehabt, dass seine Erfindung den Markt für digitale Kunstwerke zu einer derartigen Spekulationswiese machen würde, schrieb er 2021 in einem Artikel für das Magazin «The Atlantic». Obwohl er selbst damals schon den Begriff der monetarisierten Graphik benutzte, habe er sich nicht vorstellen können, dass NFTs derartige Folgen haben könnten. Sein Artikel trägt denn auch den vielsagenden Titel «Dafür waren NFTs nicht gedacht».
«Ein weiteres Problem ist, dass viele Plattformen den Erstbesitzer nicht verifizieren», warnt Markus Knecht. Im Prinzip kann jeder ein NFT erstellen und damit Ansprüche auf ein digitales Werk erheben – egal, ob er wirklich der Urheber ist oder nicht. Ist er das nicht, ist das gesamte NFT im Grunde wertlos. Auch wenn die Blockchain-Technologie Betrügereien schwieriger macht – vor dieser Art des Betrugs ganz am Anfang schützt sie nicht. «Gerade Laien können häufig nicht bewerten, ob sie wirklich ein Original vom rechtmässigen Eigentümer erwerben oder eben nicht», sagt der Experte. Aus diesem Grund gelten NFTs als risikoreiche Anlagen.
Ein wenig beachtetes Problem an NFTs und den dazugehörigen Blockchains ist ihr Energieverbrauch: Sie sind wahre Energiefresser und die Rechenleistung, die für ihre Erzeugung notwendig ist, verursacht enorme Mengen an CO2. Als nachhaltig kann man die Technologien deshalb nicht bezeichnen.
Braucht jetzt jeder NFTs?
«Wie bei jeder neuen Technologie denken jetzt viele, dass sie NFTs brauchen», fasst Markus Knecht seine Beobachtungen zusammen. Als Investment für Privatpersonen sind sie aber risikoreich und für Laien nicht unbedingt zu empfehlen. Die Technologie an sich interessiert im Moment aber auch viele Unternehmen. «Sie möchten die Technik für Projekte nutzen», sagt Markus Knecht. «Dafür muss man sich aber erstmal eingehend mit der Technologie beschäftigen und genau wissen, wofür man sie einsetzen will und was ihr Nutzen sein könnte.» Oft seien NFTs eben nicht die richtige Technologie für den gewünschten Anwendungszweck und wer sie dann trotzdem nutze, nur weil sie up to date zu sein scheinen, hätte hinterher mehr Arbeit und Kosten als einen Nutzen davon.