Was ist überhaupt…

VUCA?

Die Welt um uns herum verändert sich in geradezu atemberaubendem Tempo. Kein Bereich bleibt davon verschont: Politik, Gesellschaft, Arbeitswelt, Familienleben, Beziehungen – was gestern noch sicher schien, kann morgen schon ganz anders aussehen. Das VUCA-Prinzip hilft, diesen dynamischen und radikalen Wandel zu verstehen und die passenden Antworten darauf zu finden.

Um was geht’s? Unsere Welt ist aus den Fugen geraten und kein Stein scheint auf dem anderen geblieben zu sein. Bisher gültige Strategien zur Lebensführung, im Management, in der Wirtschaft oder in der Politik gehen nicht mehr auf. Die Entwicklung neuer Technologien verläuft in einer Geschwindigkeit, mit der wir kaum mithalten können. «Wir leben in einer Welt, die sich selbst technisch radikalisiert, potenziert und links und rechts überholt», sagt Waltraud Gläser. Um diese Welt erfassen und beschreiben zu können, nutzt die systemische Organisationsberaterin VUCA. VUCA ist dabei keine Methode, sondern eine Zustandsbeschreibung.VUCA steht für:

Volatility (Flüchtigkeit) Die Natur und die Dynamik des Wandels entfalten enorme Kräfte und sind Katalysatoren für radikale Veränderung.

U ncertainty (Ungewissheit) Der Mangel an Berechenbarkeit, das Mass an unkontrollierbarer Überrumpelung und ein fehlendes Gefühl von Bewusstsein und Verständnis für Themen und Ereignisse sorgen für Ungewissheit.

C omplexity (Komplexität) Die Dynamik unserer Systeme multipliziert sich, während die Vernetzung gleichzeitig für Chaos und Verwirrung sorgt. Gesellschaften, Unternehmen, aber auch das individuelle Leben bieten Multioptionen und Multikomplexität.

Ambiguity (Mehrdeutigkeit) Es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge mehr. Die Realität ist verwirrend, oft unverständlich und in keiner Weise mehr planbar. Missdeutungen und Fehlinterpretationen nehmen zu, denn das Optimum von gestern ist der Standard von heute – was aber morgen relevant sein wird, ist ungewiss, mehrdeutig und kaum vorhersehbar.

Wer hat’s erfunden?

Mit dem Zusammenbruch der UdSSR in den 1990er-Jahren lösten sich die Blöcke auf, die die politische Welt bis dahin stabil gehalten hatten. Um die multilaterale Welt nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben, wurde an einer US-Militärschule der Begriff VUCA erfunden. Später breitete er sich auch in andere Bereiche strategischer Führung und auf andere Arten von Organisationen aus, vom Bildungsbereich bis in die Wirtschaft.

Wie kann man es nutzen?

«Im Grunde geht es erstmal ums Erfassen, Innehalten und Wahrnehmen», erklärt Waltraud Gläser. Was ist um mich herum los? In welchen Bereichen entdecke ich VUCA-Parameter? Kann ich die Phänomene, die mir begegnen, den VUCA-Kategorien zuordnen? Wo betrifft mich das in welchem Masse? VUCA zeigt veränderte Rahmenbedingungen für Entscheidungen auf und entlastet, weil Informationen ihre prognostische Aussagekraft verlieren, Interessenkoalitionen immer vielschichtiger werden und Motivlagen sich ständig verändern. Mit den VUCA-Faktoren bekommen die chaotischen und kaum fassbaren Vorgänge rund um uns herum wieder Klarheit und sogar eine gewisse Struktur. Und eine Welt, die man beschreiben kann, verliert einen grossen Teil ihres Schreckens.

Doch mit der reinen Zustandsbeschreibung ist es noch nicht getan. «Wenn man etwas erfasst hat, kann man damit arbeiten», erklärt Waltraud Gläser. Denn das ist die eigentliche Herausforderung in der VUCA-Welt: «Business as usual ist Sand im Getriebe», weiss die Expertin. Lineare Lösungen, lineares Denken, lineares Zeitverständnis, lineares Lernen, lineare Karrieren und Lebensentwürfe sind nicht mehr die Lösung, sondern das Problem. Und das macht vielen Menschen Angst. Denn wenn sicher geglaubte Lösungswege nicht mehr funktionieren, fühlen wir uns hilflos und agieren mehr und mehr hektisch und planlos. «Hier kann VUCA helfen, um wieder Klarheit zu bekommen», so die Beraterin. Denn VUCA kann auch als Abkürzung für eine Haltung gegenüber der Welt benutzt werden, die uns wieder handlungsfähig macht. VUCA steht dann für:

VisionSinn stiften, Orientierung an Wertehierarchie, Motivation ermöglichen. Der Zweck ist wichtiger als der Plan.

U nderstanding (Verstehen) Meta-strategisch denken und planen, Kontextverständnis herstellen, vom Ergebnis her ableiten, Kompetenzabgleich. Stoppen, schauen, zuhören, um antworten zu können.

C larity (Klarheit) Kohärenz schaffen, transparente Prozesse ermöglichen. Dem Chaos einen Sinn geben.

A daptability / Agility (Anpassungsfähigkeit / Beweglichkeit) Intuitive Netzwerke, mit Widersprüchen nachvollziehbar umgehen, Entscheidungs- und Fehlerkultur fördern. Kollaborativer Ansatz, experimentieren, Erfahrungen sammeln.

«Wer positiv auf Veränderungen blickt, dem eröffnen sich ganz neue Perspektiven», weiss Waltraud Gläser. Wer dann bisherige Methoden auf den Prüfstand stellt, findet neue Wege und Lösungsmöglichkeiten. Und die braucht es, denn in einer VUCA-Welt gibt es kein richtig oder falsch mehr. «Es gibt nur noch passend», erklärt Waltraud Gläser.

«Wer positiv auf Veränderungen blickt, dem eröffnen sich ganz neue Perspektiven»

Was braucht’s?

Um die VUCA-Welt zu erfassen und gut in ihr zu navigieren, braucht man eine hohe Reflektionsbereitschaft und Experimentierfreude. Man sollte flexibel bleiben und gleichzeitig den Fokus behalten. «Und man muss sich entscheiden können», sagt Waltraud Gläser. Denn einfach weitermachen wie bisher ist in den seltensten Fällen der richtige Weg. «Die VUCA-Welt stellt hohe Anforderungen an jeden von uns, vor allem aber an Führungskräfte», weiss die Expertin. Denn die müssen ihr Team mit- und ernstnehmen. «Hierarchische Strukturen sind in einer VUCA-Welt eher hinderlich», warnt Waltraud Gläser. Eine gute Kommunikations- und Moderationsfähigkeit sei das A und O. «Viele Menschen unterschätzen aber, was sie in diesen Bereichen können», sagt die Expertin. Gerade Assistentinnen und Office-Managerinnen seien oft bestens geeignet, um durch eine VUCA-Welt zu navigieren. «Sie können moderieren, sehen verschiedene Perspektiven, gleichen aus und vermitteln», erklärt Waltraud Gläser.

Was bringt’s

Dass nichts mehr in Stein gemeisselt ist, schafft viele Chancen. Die VUCA-Welt ist eine Einladung, sich damit auseinanderzusetzen, was man will und braucht. Wer den Wandel als positiv betrachtet, steigt aus der Opferrolle aus und kann seinen Gestaltungsspielraum stark erweitern. «In einer VUCA-Welt kann jeder mitgestalten und mitbewirtschaften», sagt Waltraud Gläser. So gesehen ist die Tatsache, dass der Wandel noch zunehmen wird, eine gute Nachricht. 

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