Geständnisse einer Vorzimmerdame

Von Mäusen und anderen Gefahren

Es gibt zwei Spezies von Sekretärinnen, die für die Assistentinnen-Gilde keinen Gewinn darstellen: das Vorzimmer-Mäuschen und der Büro-Vamp. 

Erstere ist meistens alleinstehend, für ihren reizbaren Chef rund um die Uhr erreichbar, liest ihm jeden noch so abstrusen Wunsch von den Lippen ab und schleicht vier Mal pro Tag unauffällig ins Chefbüro, um frisches Mineralwasser nachzufüllen und das Raumklima zu checken. Abends leert sie noch schnell die Papierkörbe, um der Firma Reinigungskosten einzusparen, stets in der Hoffnung, dass ihr Einsatz irgendwann honoriert wird, nur um Ende Jahr verständnisvoll nickend die Mär zu akzeptieren, dass leider für Bürohilfskräfte aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage kein Bonus vorgesehen sei. Hier muss eine patente Assistentin auf den Tisch hauen und nicht anbieten, diesen künftig auch noch zu putzen!

Die zweite Spezies ist eigentlich nur die gepimpte Version des Mäuschens. Wo die Maus still vor sich hinschuftet, spannt der Vamp gerne mal andere dazu ein, ihre Routine-arbeiten zu erledigen, damit mehr Zeit für strategische Kaffeepausen, Networking-Lunches und Geplauder auf dem Gang übrig bleibt. Da kann es abends schon mal spät werden! Ihr immerwährendes Lächeln und ihre hartnäckige Fröhlichkeit machen den Vamp bei den Chefs beliebt. Ganz zu schweigen von ihrer allumfassenden Hilfsbereitschaft. Trotz grösster Arbeitsbelastung ist dieses Ausnahmetalent stets bereit, Zusatz-arbeiten für den Boss zu erledigen: Die Vermietung des Ferienhauses in St. Moritz koordinieren, ein geeignetes Internat für seine Kinder finden, bei der Auswahl des neuen Sportwagens helfen, eine Überraschungsparty für seine Frau organisieren, seine Massanzüge beim Schneider bestellen, mit ihm nach einem langen Arbeitstag eine Pizza beim Italiener teilen. 

Bei so grossem Engagement ist klar, dass keine Zeit bleibt für Dokumentenablage, Spesenabrechnungen, Kopieraufträge und sonstigen Kleinkram. Solch belanglose Aufgaben werden mit leidvoller Miene und unter Verbalisierung allergrösster Dankbarkeit an das nächste, viel geplagte Mäuschen delegiert. Denn der Vamp verfolgt nur zwei Ziele: Sie will alljährlich den grösstmöglichen Bonus auf dem Konto sehen und letztlich von der Assistentin zur Ehefrau befördert werden.

Solches Verhalten muss man mit unorthodoxen Massnahmen bekämpfen, weil es bei eher einfältigen Chefs falsche Illusionen erzeugt, die von vernünftigen Assistentinnen mühevoll wieder richtig gestellt werden müssen. Deshalb werden die Mäuse aufgeklärt und zu selbstbewussten No-Nonsense-Sekretärinnen umgepolt. Die Vamps schlägt man mit ihren eigenen Waffen: Demontage des Über-Assistentinnen-Images durch Verweigerung jeglicher Hilfestellung in Sachen Daily Business und gezielte Gerüchteverbreitung wegen Spesenmissbrauchs. Entweder der Vamp tauscht dann das Vorzimmer gegen die Villa oder gegen die Job-Agentur. 

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Die Autorin arbeitet seit vielen Jahren als Geschäftsleitungsassistentin in einem multinationalen, grossen Dienstleistungsunternehmen. 

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