premium Porträt

Sie «hält sich bereit»

Ursprünglich aus dem Hotelfach wechselte Carmen Obi 2019 in die Assistenz und zur Schweizer Armee. Dort unterstützte sie zuerst als Assistentin den Stabschef des Chefs der Schweizer Armee, seit 2020 ist sie für den Chef der Schweizer Armee tätig. Was das Hotelgewerbe und die Armee verbindet und was sie an ihrem Job schätzt, erzählt sie an einem sommerlichen Morgen im Bundeshaus Ost in Bern.

«HÄSIBE» ist die Antwort von Carmen Obi, der Assistentin des Chefs der Schweizer Armee, auf die Frage, was für Aussenstehende wohl die unverständlichste Abkürzung in ihrem Arbeitsalltag sei. «Hält sich bereit», lacht sie. «Darauf muss man erst kommen.» Aber irgendwie passt es, dass wir an diesem Montagmorgen im Bundeshaus Ost in Bern ausgerechnet über diese Abkürzung sprechen. Es bringt die Sache auf den Punkt: Die 33-Jährige ist täglich und mit viel Einsatz für ihren Chef da. «Es gibt Tage, an denen bereits am Morgen unzählige Anfragen und Aufgaben hereinkommen, die ich zu erledigen habe. Das bedeutet, flexibel zu bleiben, zu reagieren und Herausforderungen zu meistern.» – oft auch selbstständig, da Obis Chef, Korpskommandant Thomas Süssli, viel unterwegs ist. In der Armee gelte die Auftragstaktik, will heissen: «Man bekommt Aufträge und eine Bandbreite, aber wie man ans Ziel kommt, ist jedem selbst überlassen. Am Ende zählt das Resultat.»

Der Weg ist das Ziel

Carmen Obis ungewöhnlicher beruflicher Weg mit seinen vielen Facetten begann gleich nach der Matura. Statt einen Abschluss als Bachelor und Master einzuschlagen, begab sie sich nach Schulabschluss auf Sprachreisen. Nebst dem Sprachstudium arbeitete sie in Spanien an der Bar eines Hotels und bereiste das Land von Cádiz über Valencia bis Mallorca. Als sie zurückkam, entschied sie sich für eine Ausbildung in der Hotellerie und Gastronomie. «Nachdem ich verschiedene Möglichkeiten geprüft hatte, verschlug es mich an die Hotelfachschule Thun. Dort konnte ich Praxis und Theorie wunderbar verbinden.»

Nach der Ausbildung startete sie 2012 als Rezeptionistin im Golfhotel Les Hauts de Gstaad & SPA in Saanenmöser. «Ein Glücksfall, da ich dort bereits während der Hotelfachschule ein Praktikum absolvierte und mit dem Betrieb bereits vertraut war.» Sie stürzte sich mit Elan ins Hotelgewerbe und stieg 2015 zur Chefin der Rezeption auf. Nebst der ­Gästebetreuung im fordernden Ganzjahresbetrieb kümmerte sich Obi auch um die Lernendenbetreuung und den Seminarbetrieb. «Über die Jahre hinweg wurde mein Arbeitsspektrum zwar immer spannender, aber auch immer breiter und intensiver.» Irgendwann sagte sie sich: «Du musst dir selbst lieb sein und auf die Bremse treten.» ­Deshalb verliess Obi auf Ende Wintersaison 2019 das Golfhotel wie auch das Hotel­gewerbe.

Vom Hotel zur Armee

Ein radikaler Bruch! «Ja, mir war von vornherein klar, dass ich etwas völlig anderes machen möchte.» Doch wie kommt man von der Hotellerie zur Armee? «Durch Zufall», sagt Obi. «Nachdem ich meinen Entschluss gefasst hatte, das Hotelgewerbe zu verlassen, fragte ich mich, welche Weiterbildung mich noch reizen würde, und stiess auf den Ausbildungslehrgang Direktionsassistentin. Die Vielseitigkeit dieses Lehrgangs sprach mich an und ich dachte, so eine Stelle wäre cool für mich. Vor allem, weil es beim Dienstleistungscharakter Parallelen gibt.» Obi schaute sich nach einer Stelle um und bewarb sich mit ihrem doch eher speziellen Werdegang und dem Wunsch, die Weiterbildung zur Direktionsassistentin mit eidgenössischem Fachausweis zu beginnen, bei der Schweizer Armee. Sie erhielt die Stelle als Assistentin des Stabschefs des Chefs der Armee und die Zusage zur Ausbildung, «weil der damalige Chef mit jemandem aus dem Hotelgewerbe bereits eine gute Erfahrung gemacht hatte und offen für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden war».

Carmen Obi findet sich rasch im Bundeshaus Ost in Bern zurecht. «Das Team machte es mir sehr leicht und meine Gspänli schätzten es wohl, dass ich von Anfang an sehr viele Fragen stellte. Ich sterbe ungern dumm», lacht sie. Und Fragen stellen sei notwendig, nicht nur im Hotelfach: In der Armee gebe es viele Abkürzungen und Fachausdrücke. Erleichtert habe ihr den Einstieg, dass sie vieles aus dem Hotelleriealltag anwenden konnte. «Das trifft auf die Dienstleistungsorientierung ebenso zu wie auf meine Sprachkenntnisse, die ich während meiner Auslandsaufenthalte und des Hotelleriealltags erworben habe.» Weitere Parallelen sieht Obi beim Thema Planung – «Zimmerreservationen oder die Termine des Chefs abgleichen, ist beides wie Tetris-Spielen» – oder beim Empfang und der Begleitung von Gästen des Chefs der Armee.

Im März 2020 kündigt die Assistentin des Chefs der Schweizer Armee (CdA), mit welcher Obi das Büro teilt. Der Stabschef schlägt sie als Nachfolge vor. Im August 2020 übernimmt Obi diese Aufgabe. Ein grosszügiger Chef, der seine Assistenz einfach abgibt? «Ja, aber am Ende ist es im Stab CdA unser aller Ziel, das Beste für den Chef der Schweizer Armee zu machen und das war damals die beste Lösung.» Rückblickend nicht nur für Süssli, sondern auch für Obi. Dass Rekrutierungen und Nachfolgeregelungen intern erfolgen, sei eine bewährte Taktik. «Ist eine Funktion zu besetzen, wird bei der Armee immer zuerst intern geprüft, ob man jemanden nachziehen kann. Das sichert unser Fachwissen und eröffnet den Mitarbeitenden neue Möglichkeiten und Perspektiven.»

Meine Wahl

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Foto: Raja Läubli

Hotel oder Armee?
Beides – zumal das Hotelgewerbe und die Armee eines verbindet: der Dienstleistungsgedanke. Ob an der Rezeption in einem Hotelbetrieb oder im Vorzimmer der Schweizer Armee, ein Dienstleistungsbewusstsein ist wichtig, denn in diesen Positionen repräsentiert man das Unternehmen gegen aussen.

Team- oder Einzelplayer?
Ich arbeite gerne selbstständig, bin mir aus meiner Zeit im Hotelbetrieb aber auch das Arbeiten im Team gewohnt. Auch bei der Schweizer Armee gibt es immer wieder Teamwork-Momente, beispielsweise, wenn wir uns in verschiedenen Gremien treffen, dort Ideen einbringen und diskutieren, oder gemeinsam einen Prozess überdenken.

Fleisch oder Vegi?
Ich habe Fleisch sehr gerne, aber noch mehr Fisch. Durch meine Sprachreisen (Spanien und Portugal) lernte ich die mediterrane Küche kennen und schätzen und dabei auch, selbst Fisch gekonnt zuzubereiten.

National oder international?
Beides – ich reise sehr gerne in verschiedene Länder, um Sprachen anzuwenden und die Kulturen vor Ort zu entdecken. Durch die Corona-Pandemie lernte ich aber auch die Schweizer Schätze und das eigene Land besser kennen. So waren mein Partner und ich erst kürzlich auf dem Schilthorn und auf dem Jungfraujoch.

Stadt oder Land?
Ich mag das Stadtleben und die Möglichkeit, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln alles erreichen zu können. Mein Zuhause Bern schätze ich deshalb sehr – wohnen in der Nähe der Naherholungsgebiete der Stadt.

Arbeiten für den Chef

Obi schätzt die Arbeit bei der Armee. «Es sind alle sehr umgänglich und es wird wertgeschätzt, wenn man die Extrameile geht.» Das liege wohl daran, dass die Haltung immer lösungsorientiert sei. Das auch an durchgetakteten und strengen Tagen – und die können lange sein. So trifft man Obis Chef Thomas Süssli meist schon sehr früh am Morgen im Büro an. «So früh schaffe ich es nicht», sagt Carmen Obi mit einem Schmunzeln. «Aber wir schaffen es in der Regel, noch ein paar Worte zu wechseln, bevor er wieder weiter muss.» Wenn Süssli unterwegs sei, kommunizieren sie meist via E-Mail und SMS. Ein Tag in der Woche ist aber ein «Jour fixe», an dem praktisch alle Mitarbeitenden des Teams anwesend sind. «Dann besprechen wir die wichtigsten Themen der Woche.» Aus diesen gingen dann wieder diverse Aufträge für Obi hervor. Des Weiteren bestehe ihr Alltag vor allem aus der Agendaführung inklusive der Jahresplanung in Absprache mit ihrem Chef, Sitzungsplanungen, der Koordination der Auftritte des CdA sowie der Organisation von Anlässen. 

Fragt man Carmen Obi, welche Attribute ihr Chef an ihr schätzt, antwortet sie: «Er mag meine Can-do-Attitude und dass ich die Aufgaben selbstständig erledige.» Aber auch, dass sie kritische Fragen stelle – «Ich hinterfrage Prozesse und Abläufe und bringe neue Ideen und Vorschläge ein.» Diese Beziehung auf Augenhöhe mag die 33-Jährige. Mitdenken, das lösungsorientierte Miteinander, das macht ihren Job aus. «Ich sorge dafür, dass alles reibungslos läuft und seine Termine so koordiniert und gebündelt sind, dass er sie möglichst effektiv wahrnehmen kann.»

Militär und Zukunft

Inwiefern es in dieser Funktion ein Nachteil sei, kein Militär absolviert zu haben? «Keiner. Aber wenn ich heute nochmals zwanzig Jahre alt wäre und die Möglichkeit hätte, würde ich wohl die Rekrutenschule machen.» Von innen betrachtet sei es ein toller Ort, der einen an Themen wachsen lasse, inklusive Teambuilding und Leadership. Zudem könne man wertvolle Kontakte knüpfen. «Das sind Erfahrungen, die einem niemand mehr nehmen kann.» Wie wichtig Erfahrungen, Lernmomente und Ausbildungen sind, weiss Carmen Obi aus eigener Erfahrung. Dennoch stimmt es für sie momentan, eine Zeit ohne Aus- und Weiterbildung zu geniessen. «Was mich zurzeit einzig reizen würde, wären armeeinterne Kurse zur Krisenkommunikation oder zur interpersonellen Kommunikation.» Zudem bleibt sie dem Ausbildungswesen nicht gänzlich fern, wenn auch auf der anderen Seite. «Seit Abschluss der Ausbildung zur Direktionsassistentin amte ich als Korrektorin bei den schriftlichen Abschlussprüfungen. Eine supercoole Sache, so bleibe ich immer auf dem Laufenden – man hält sich sozusagen für Änderungen stets bereit.»

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Foto: Raja Läubli

Carmen Obi

Carmen Obi wuchs mit einem älteren Bruder im Wabern (BE) auf. Nach der Matura 2008 absolvierte sie nach Sprachaufenthalten in Spanien von 2010 bis 2012 die Ausbildung zur Dipl. Hôtelière-Res­tauratrice an der Hotelfachschule Thun. Danach arbeitete sie ab 2012 als Rezeptionistin im Golfhotel Les Hauts de Gstaad & SPA in Saanenmöser. 2015 wurde sie dort Chefin der Rezeption. 2019 verabschiedete sie sich vom Hotelfach und begann als Assistentin des Stabschefs des Chefs der Schweizer Armee und Stv. Assistentin des Chefs der Schweizer Armee im Bundeshaus Ost in Bern zu arbeiten. Zeitgleich startete sie die Ausbildung zur Direktionsassistentin mit eidg. Fachausweis in Bern. Seit 2020 ist sie Assistentin des Chefs der Schweizer Armee. Obi lebt mit ihrem Partner in Bern.

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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