Selbstständig als Assistenz – das muss kein Traum bleiben
Abwechslungsreiche Tätigkeiten, freie Zeiteinteilung, keine Chefs, sondern Auftraggeber: Auch eine Assistentin kann ihr eigenes Unternehmen gründen. Doch was ist, wenn man krank wird oder die Aufträge nicht einfach so hereinflattern? Gerade zu Beginn hält die Angst vor dem Risiko viele von diesem Schritt ab.
Selbst und ständig – und zufrieden?
Eine, die es dennoch gewagt hat, ist Kim Gunkel. Die ehemals angestellte Assistentin gründete mit Shareau ihr eigenes Unternehmen und berät heute angehende Selbstständige.
Selbstständig als Assistentin: Geht das überhaupt?
Ja, das geht. In Deutschland ist das schon etabliert. Die Schweiz zieht nach und die letzten Monate haben sehr anschaulich gezeigt, dass Flexibilität in der heutigen Zeit sehr wichtig ist, weil sie viel schnelllebiger ist als früher.
Wie arbeitet man als selbstständige Assistentin?
Was man für seine verschiedenen Auftraggeber genau macht, kann sehr unterschiedlich sein: Bei einem Kunden hilft man der angestellten Assistentin bei der täglichen Arbeit, bei einem anderen wird man für die Organisation eines bestimmten Events gebucht, bei Dritten übernimmt man gewöhnliche Sekretariatsarbeiten. Das hängt auch sehr davon ab, was man selbst machen möchte und wo man seine Schwerpunkte hat.
Welche Aufgaben muss man als Selbstständige neben der Assistenz an sich noch übernehmen?
Man ist CFO, CIO, CEO, CMO in einem. Man trägt für alles selber die Verantwortung, macht aber gleichzeitig vieles zum ersten Mal. Sei es das Thema Datenschutz, Informatik oder das Führen der eigenen Buchhaltung. Die Selbstständigkeit ist vor allem am Anfang sicher ein wilder Ritt – wird dafür aber auch nie langweilig.
Für wen kann die Selbstständigkeit eine gute Idee sein?
Wer den Wunsch nach Selbstentfaltung und mehr Abwechslung hat, ist da sicher richtig. Aber durch die Möglichkeit der selbst gestalteten Tagesstruktur ist die Selbstständigkeit auch für Personen interessant, die in einem Teilzeitpensum arbeiten möchten. Ich spreche da zum Beispiel von Müttern/Vätern, die arbeiten wollen, aber flexible Tagesabläufe brauchen.
Welche persönlichen Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Es braucht vor allem Mut, um den Schritt überhaupt zu wagen, und Entschlossenheit, um den Weg zu gehen, auch wenn er nicht immer leicht ist.
Was sind denn die grössten Hürden?
Selbstständige Assistentinnen sind noch nicht so etabliert. Die Kunden da draussen warten nicht seit Jahrzehnten auf uns. Man muss sie erst einmal davon überzeugen, dass die selbstständige Assistenz eine echte Hilfe sein kann.
Tritt man als Selbstständige nicht den festangestellten Assistentinnen auf die Füsse?
Zuerst scheinen sie vielleicht die grösste Konkurrenz zu sein. Aber das stimmt so nicht: Die selbstständigen Assistentinnen können am Ende die besten Verbündeten sein. Viele Festangestellte haben viel zu viel auf dem Tisch und freuen sich über eine kompetente Unterstützung.
Hat die Selbstständigkeit auch Schattenseiten?
Für Selbstständige ist eine Arbeitszeit von 50 bis 60 Stunden pro Woche keine Seltenheit. Ausserdem kann der Sicherheitsverlust zu hohem psychischem Druck führen.
Warum sollte man den Schritt trotzdem wagen?
Für mich gibt es mehr Gründe dafür als dagegen! Es macht Spass, selbst etwas aufzubauen und nach seinen Ideen zu gestalten. Und es ist eine Herausforderung, bei der man immer wieder über sich hinauswächst.
Zur Person
Kim Gunkel ist CEO & Founder der Shareau GmbH und Leiterin MAS Digital Office Management Kalaidos FH.
Die Qual der Wahl: Was gründe ich da überhaupt?
Eine der wichtigsten Entscheidungen ist die Frage nach der passenden Rechtsform des eigenen Unternehmens. Die hängt von vielen verschiedenen individuellen Faktoren ab und lässt sich nicht so einfach beantworten. Aber ein kleiner Einstieg in das Thema hilft zur ersten Übersicht:
Einzelfirma
Vorteile: Unkomplizierte Gründung ohne Kapital möglich
Nachteile: Haftung mit dem Privatvermögen, eigene Verantwortung für die persönliche Vorsorge, Inhaber einer Einzelfirma sind nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert, bei weniger als drei Kunden drohen Probleme wegen Scheinselbstständigkeit.
Kapitalgesellschaft
Vorteile: Beschränktes Unternehmerrisiko bei Gründung einer GmbH oder AG. Eigene Anstellung möglich. Bei einer AG gelten mitarbeitende Aktionäre als Angestellte und sind obligatorisch sozialversichert.
Nachteile: Hoher Gründungs- und Verwaltungsaufwand und vor allem höhere Gründungskosten als bei einer Einzelfirma. Die Geschäftsführenden einer GmbH haben kein Recht auf Arbeitslosenentschädigung, es sei denn, sie verlassen das Unternehmen oder ihren Arbeitsplatz endgültig.
Tipp
Eine gute erste Übersicht über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Unternehmensformen gibt es auf der Seite des Seco:
kmu.admin.ch/kmu/de/home/praktisches-wissen/kmu-gruenden/firmengruendung/auswahl-rechtsform.html
Mehr als eine Sorge weniger: Die wichtigsten Versicherungen bei einer Einzelfirma
Ein Beinbruch, ausgeschütteter Kaffee über dem Kundenrechner, ein geklautes Geschäftstelefon: Als Selbstständige muss man sich um die Versicherung möglicher Risiken natürlich auch selbst kümmern. Stefan Thurnherr, Partner beim VZ Vermögenszentrum, weiss worauf es ankommt: «Bei einer reinen Office-Tätigkeit als Einzelfirma geht es in erster Linie um die Absicherung der persönlichen Vorsorge.» Die Betriebswerte wie Geräte oder Büroeinrichtung seien eher klein und das Schadensrisiko entsprechend gering.
Persönliche Vorsorge
Krankheit und Unfall:
• Heilungskosten
Expertentipp «Heilungskosten versichern Sie über die obligatorische Krankenversicherung. Als Selbstständigerwerbende schliessen Sie Unfallschutz direkt mit ein.»
• Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Erwerbsunfähigkeit
Expertentipp «Neben der Absicherung über Taggeld bei der Krankenkasse sollte man unbedingt eine Erwerbsunfähigkeitsrente zur Ergänzung der staatlichen IV (Invalidenversicherung) abschliessen. Gerade bei jüngeren Personen ist eine lebenslängliche Invalidität wohl das Hauptrisiko, das es abzusichern gilt.»
Alter
• Staatliche Vorsorge über IVA
Expertentipp «Diese Vorsorge deckt nur das Existenzminimum. Eine zügige zusätzliche Absicherung ist empfehlenswert.»
• Private Vorsorge
Expertentipp «Am besten für Selbstständige ist eine gebundene Vorsorge, denn die ist bei Einzahlungen bis 20 Prozent des Jahreseinkommens voll steuerabzugsfähig. Damit spart man Steuern und es kommt über die Jahre eine gute Summe zusammen.»
Todesfall
• Hinterlassenenvorsorge
Expertentipp «Wer keine Versorgerpflichten hat, braucht das eher nicht.»
Betriebsversicherungen
Betriebshaftpflicht
Deckt Schäden beim Kunden
Expertentipp «Risiko ist bei Office-Tätigkeiten gering, braucht es eher nicht.»
Sachversicherung
Deckt Schäden bei eigenen Betriebsmitteln durch Feuer, Diebstahl oder Wasser
Expertentipp «Bei geringen Werten weglassen!»
Cyber-Risiken
Das Risiko einer lahmgelegten IT-Infrastruktur oder des Verlusts von sensiblen Daten besteht nicht nur für reine IT-Unternehmen
Expertentipp «Achten Sie darauf, dass Sie nicht für Datenverlust verantwortlich werden. Lagern Sie heikle Daten entweder auf Systemen des Auftraggebers oder sorgen Sie für ein sicheres Backup.» m
Tipp
Mehr Infos über Unternehmensgründung und Versicherungen hat das VZ Vermögenszentrum hier zusammengestellt:
vermoegenszentrum.ch/ratgeber/merkblatter/firmenneugruendung-und-versicherungen.html