Schon immer gut
Wenige Dinge altern in Würde. Das gilt auch für Möbel. Doch ab und zu schafft ein Stück den Sprung zum Klassiker – und verbreitet mehr Charme als jedes neue Design es je könnte. Histörchen und Designer moderner Büromöbelklassiker.
Sitzkunst
1958 Aluminium Chair von Charles & Ray Eames
Ursprünglich entworfen für den Privathaushalt eines Kunden, entwickelte sich der Aluminium Chair schon bald zum Vorzeigeobjekt des amerikanischen Designer-Ehepaars Ray und Charles Eames. Bei der Konstruktion dieses Stuhls entfernten sich die beiden Designer von der gängigen Sitzschale und ersetzten sie durch Stoff- oder Lederbahnen, die straff zwischen zwei Seitenteilen aus Aluminium gespannt wurden. So entstand eine ganze Serie von Aluminium Chairs. Neben dem bequemen Bürodrehstuhl gibt es auch Stühle für Sitzungszimmer und Esszimmer sowie komfortable Lounge Chairs. Übrigens heirateten Bernice «Ray» und Charles 1941, gründeten das Eames Office und arbeitet danach zeitlebens zusammen. Der Einfluss von Ray auf die gemeinsamen Designs war bedeutend, auch wenn ihr Mann mehr mediale Aufmerksamkeit genoss. Deborah Sussman, Grafikerin im Eames Office, sagte einst treffend: «Ray wusste, was Kunst war. Und Charles wusste, dass sie es wusste.» vitra.ch
Bitte nicht lachen
1760 Die Wildcard – das Chesterfield Sofa
Für Chefs, die eher traditionell als stromlinienförmig unterwegs sind, ist das Chesterfield Sofa der ideale Partner fürs Büro. Das Design stammt von Robert Adam, einem britischen Möbelbauer, der von Philip Stanhope, dem 4. Lord of Chesterfield, beauftragt wurde, ein Sofa zu bauen, das seinen Gästen ein aufrechtes Sitzen erlaubte und von guter Qualität sein sollte. Die charakteristischen Knöpfe sollen übrigens angebracht worden sein, um das Sitzmöbel weniger bequem zu machen, damit die Leute nicht solange blieben. Lord Chesterfield soll ein knausriger und ernster Mann gewesen sein. Seinem Sohn empfahl er: «Ich würde mir wünschen, dass man dich oft lächeln sieht, aber dich niemals laut lachen hört. Gelächter ist ein Ausdruck schlechter Manieren; es ist die Art und Weise, wie der Mob seine Freude über Albernheiten ausdrückt.» Dieser Lord hatte nicht nur eine enorm steife Oberlippe, sondern auch ein gutes Auge für Qualität und Design. Das Chesterfield Sofa wird seit mehr als 250 Jahren hergestellt. Inzwischen gibt es viele Variationen davon, aber die Originale werden noch immer in Grossbritannien hergestellt. Und trotz der Knöpfe ist es eine durchaus bequeme Couch. Aber bitte nicht lachen! moebelkissling.ch
Alltägliche Schönheit
1923 Tischleuchte WA24 SW von Wilhelm Wagenfeld
Als Wilhelm Wagenfeld seine Lampe 1923 erstmals an der Leipziger Messe präsentierte, gaben Händler dem – heute wohl bekanntesten – Produkt aus der Bauhaus-Metallwerkstatt geringe Chancen auf Erfolg. Doch weit gefehlt: Bis in die Gegenwart lieben Leute auf der ganzen Welt diese Ikone des Industriedesigns. Die Wagenfeld-Leuchte ist als Bürotischlampe genauso beliebt wie als Lichtspender neben dem Bett oder als Leselampe in der Bibliothek. Der deutsche Produktdesigner Wilhelm Wagenfeld wollte Gegenstände des täglichen Gebrauchs durch innovative Gestaltung auffrischen. Die Lampe stellt nur einen kleinen Teil seines Schaffens dar. Er entwarf auch Teekannen, Besteck und viele weitere Gebrauchsgegenstände. Es war ihm ein Anliegen, dass durch die industrielle Produktion Designs geschaffen wurden, die für jedermann erschwinglich waren. Er nannte diese Philosophie auch «Schönheit für den täglichen Gebrauch». tecnolumen.de
Oft kopiert
1925 Adjustable Table E.1027 von Eileen Gray
Das kleine Glastischchen der irischen Designerin Eileen Gray passt einfach überall hin – besonders gut in den Rezeptionsbereich einer modernen Firma. Kein Wunder, dass es sogar das Museum of Modern Art in New York in die Design-Sammlung aufnahm. Der Beistelltisch ist eigentlich nur ein kleiner Teil einer ganzen Villa an der französischen Riviera, die Eileen Gray 1925 baute. Dieses Haus nannte sie E.1027. Die Architektin gestaltet allerdings nicht nur die Villa, sondern auch alle Möbel, die sich darin befanden. Für Gray war die Möblierung ein essenzieller Teil der Architektur. Trotz ihres revolutionär-modernen Baustils basiert ihre heutige Bekanntheit mehrheitlich auf ihren Möbelentwürfen. Das Glastischchen E.1027 ist einer der meistkopierten, das heisst in unzähligen Reeditionen hergestellten Möbelentwürfe der Moderne. Nicht ohne Grund: Der Tisch lässt sich mit wenigen Handgriffen auf die gewünschte Höhe einstellen, passt mit dem filigranen Standfuss unter jedes Sitzmöbel und kann am Griff leicht transportiert werden. classicon.com
Mehr als ein Stuhl
1929 Barcelona-Sessel von Ludwig Mies van der Rohe
Diese elegante Sitzgelegenheit eignet sich genauso gut für vornehme Chefbüros wie für Warte-Lounges in hippen Werbeagenturen. Klare Konturen und schlichte Schönheit prägen das Design dieses Stuhls und keine Geringeren als das spanische Königspaar Alfons VIII. und Victoria Eugenia durften als Erste auf ihm sitzen. Dieses Vergnügen hatten sie dem deutschen Architekten Ludwig Mies van der Rohe zu verdanken, der 1929 den Pavillon der Weimarer Republik an der Weltausstellung in Barcelona errichtete. Die Stühle waren Teil seines Gesamtkonzepts für das Gebäude. Mit dem Abbruch des Pavillons am Ende der Ausstellung ging leider auch das Mobiliar verloren. Dennoch sind einige Barcelona Chairs aus den 30er-Jahren in Museen erhalten. Erst 1951 nahm die Firma Knoll International die Produktion des Möbels wieder auf und stützte sich bei der Reproduktion auf alte Zeichnungen sowie auf aufwendige Untersuchung mittels Röntgentechnik. Ein Barcelona-Sessel ist mehr als ein Stuhl, er ist eine wiedergefundene Rarität.
Knoll Barcelona© Chair. Courtesy of Knoll
Die Überall-Möbel
1965 USM Haller Regalsystem von Fritz Haller & Paul Schärer
Das USM Haller Einrichtungssystem wurde ursprünglich vom Enkel des damaligen Firmengründers Paul Schärer zusammen mit dem Architekten Fritz Haller für die Ausstattung des Hauptsitzes der Möbelproduktionsfirma USM U. Schärer Söhne in Münsingen konzipiert. Die Schweizer Visionäre wollten eine funktionale und erweiterbare Inneneinrichtung erschaffen, die den Veränderungen gewachsen war, die eine Grossfirma zu bewältigen hatte. Der Markenname USM Haller besteht aus den Initialen des Firmengründer Ulrich Schärer, dem M als Abkürzung für Münsingen und dem Nachnamen des Architekten Fritz Haller. Der erste Grossauftrag für das USM Haller System kam von der Bank Rotschild in Paris, die 600 Arbeitsplätze mit diesen smarten Möbeln ausstatten liess. Danach ging das USM Haller Regalsystem in Serie und gilt als eines der meistgekauften Regalmöbelsysteme Europas. USM Möbel bestechen durch ihre hochwertige Verarbeitung und den modernen Look, der aus einem gekonnten Mix aus veredeltem Stahl und augenfälligen Farben besteht. Ausserdem haben sie den Ruf, annähernd unzerstörbar zu sein, was darauf hindeutet, dass wir auch noch in weiter Zukunft USM Haller Möbel in allen Büros dieser Welt antreffen werden. usm.com
Dänischer Dauerbrenner
1952 Stuhl der Serie 7 von Arne Jacobsen
Arne Jacobsens Sitzgelegenheiten der Serie 7 sind bis heute die meistverkauften Stühle aller Zeiten. Der dänische Architekt und Designer wurde stark geprägt von der Funktionalität Le Corbusiers und seiner Zeitgenossen. 1952 entwarf Jacobsen den Prototyp für die Serie 7 «Die Ameise», die damals noch drei Beine hatte und einer der ersten Stühle war, dessen Sitzschale aus einem einzigen Stück Schichtholz geformt wurde. Arne Jacobsen entwarf diesen Stuhl für die Kantine eines dänischen Unternehmens und wollte die benötigten 140 Stück vom Möbelhersteller Fritz Hansen produzieren lassen. Dieser bestand darauf, dass er erst ab einer Stückzahl von 300 produzieren könne, worauf ihm Jacobsen versprach, die restlichen Stühle selbst zu erwerben, falls sie sich nicht verkaufen liessen. Fritz Hansen hat seit damals sieben Millionen Stühle verkauft und produziert die inzwischen in verschiedenen Varianten erhältliche Serie 7 noch heute mit grossem Erfolg. Der Stuhl ist in Sitzungszimmern, Kantinen, Vorzimmern anzutreffen und überall dort, wo der stapelbare Dauerbrenner sonst noch toll aussieht. fritzhansen.com
Quadratische Qualität
1928 Sessel LC2 von Le Corbusier
Der Klassiker unter den Vorzimmermöbeln ist der würfelförmige Sessel LC2 des Designers Le Corbusier. Keine renommierte Firma, die etwas auf sich hält, möchte auf den eleganten und bequemen Stahlrohr-Sessel mit schwarzem Lederbezug in der Eingangshalle verzichten. Der Architekt und Möbeldesigner Le Corbusier, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Charles Jeanneret hiess, hat ihn 1928 als Teil einer Serie von Sitzmöbeln mit den Namen LC1-7 entworfen. Den Durchbruch als Designer brachte Le Corbusier eine Pariser Kunstgewerbeausstellung, für die er den Pavillon «L’Esprit Nouveau» kreierte, in dem er erstmals den damals als skandalös bezeichneten avantgardistischen Stil präsentierte, der auf Zweckmässigkeit, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit basierte. Der Schweizer Designer hat die Moderne mit seinen schnörkellosen, puristischen und formvollendeten Designs geprägt wie kein anderer. cassina.com