Raum für gute Gefühle
Darf man sich im Büro wohlfühlen? Man soll sogar. Denn nur, wenn das Klima stimmt, stimmen auch die Leistungen. Der Raum, in dem wir arbeiten, trägt mit seinen Farben, Materialien und seiner Beleuchtung viel dazu bei.
Kaum geht die Heizsaison los, fängt das Dilemma an: Der eine fröstelt, seiner Nachbarin ist es zu warm und das dritte Teammitglied hustet wegen der trockenen Luft. Das Klima im Büro passt selten allen, und selbst wenn man an der Heizung schraubt, tritt die Wirkung viel zu spät ein – nämlich erst, wenn die meisten bereits im Feierabend sind. Das kann ganz schön auf die Stimmung schlagen.
Die gute Nachricht darum gleich vorweg: Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind nur zwei von vielen Dingen, die machen, dass wir uns am Arbeitsplatz wohlfühlen: «Licht, Farbgebung, Akustik und Materialisierung wirken sich genauso auf das Klima im Büro aus», sagt Thomas Breitschmid, Leiter Büroarchitektur und Arbeitskonzepte bei Witzig The Office Company, «also alles, was man mit der Ausgestaltung eines Raumes steuern kann.»
Schwer fassbar, aber wichtig
Wie sich ein angenehmes Klima bemerkbar macht, kann man nur schwer in Zahlen fassen. Trotzdem sind die weichen Faktoren bei der Bürogestaltung nicht zu unterschätzen. Das Klima, in dem wir arbeiten, kann sogar die Finanzen eines Unternehmens beeinflussen. So haben die Wissenschaftler Daniel Goleman und Richard Boyatzis herausgefunden, dass ein gutes Betriebsklima den Umsatz um bis zu ein Drittel steigern kann.
Und auch um Mitarbeitende anzuwerben, ist die Arbeitsatmosphäre zentral. Laut einer repräsentativen Umfrage der Bank Creditplus ist sie sogar das Kriterium Nummer eins bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers. Damit liegt sie vor dem Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten und selbst vor der Höhe des Gehalts, das bloss an fünfter Stelle steht.
Mitmachen ist alles
Ein stimmiges Raumkonzept hebt nicht nur die Stimmung unter den Mitarbeitenden, sondern unterstützt auch ihre Produktivität: «Der Raum muss den Mitarbeitenden helfen, ihre Ziele umzusetzen», sagt Thomas Breitschmid. Wie ihnen das am besten gelingt, hängt von den individuellen Aufgaben ab. Jeder Betrieb funktioniert anders. Bevor der Bürospezialist von Witzig The Office Company seinen Kunden dies oder jenes empfiehlt, analysiert er deshalb gründlich, welche Anforderungen die Infrastruktur erfüllen muss und welche Bedürfnisse die Menschen haben, die im Raum arbeiten. Wenn immer möglich, versucht er, sie in die Gestaltung ihrer Arbeitsumgebung einzubinden. Allein schon die Möglichkeit mitzureden bessere das Arbeitsklima und helfe, Veränderungen zu akzeptieren, so seine Feststellung.
Glücksgefühle aus der Steckdose
Die grösste Wirkung beim kleinsten Einsatz lässt sich über die Beleuchtung erzielen – selbst wenn das Budget knapp ist oder das Gebäude schon älter und mit wenigen Fenstern ausgerüstet ist: «Mit Licht lassen sich vielfältige Stimmungen schaffen – anregende wie beruhigende – und die Wirkung ist sofort spürbar», erklärt der Büroprofi. Anders als bei der Heizung reagiert die Beleuchtung auf Knopfdruck und hellt die Stimmung sofort auf. Dabei darf man den menschlichen Biorhythmus auch einmal austricksen. Licht mit einem hohen Blauanteil gaukelt uns einen sonnigen Tag vor und wir haben gleich wieder mehr Energie.
Und sogar Illusionen zeigen Wirkung. Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat’s ausprobiert. Der Virtual Sky, eine Decke aus LED-Lichtern, ahmt vorbeiziehende Wolken am Himmel nach. Tests zeigen, dass sich die Probanden wacher fühlten und besser konzentrieren konnten.
Ruhe, bitte
Laute Büronachbarn können die Atmosphäre im Büro ganz schön beeinträchtigen. Eine angenehme Akustik sorgt für Frieden im Büro. Nicht nur Teppiche und Vorhänge helfen uns, konzentriert und produktiv zu arbeiten. Im Grossraumbüro übernehmen auch Lampenschirme, Sitzhocker und Sofas, Raumtrenner und Tapeten diese Funktion – kurz alles, was sich aus schalldämpfenden Textilien herstellen lässt. Wer sich dafür entscheidet, tut nicht nur den Mitarbeitenden etwas Gutes, sondern auch der Umwelt. Einige Hersteller setzen auf rezyklierte Produkte aus Wolle, gebrauchten Textilien oder PET.
Auch Pflanzen können den Schall im Büro dämpfen und geben dem Raum etwas Frisches, Natürliches zurück. Auch das ein Faktor, der das Wohlbefinden steigert. Um das Raumklima zu verbessern und die Luft zu befeuchten, wäre allerdings ein regelrechter Dschungel nötig. Aber dafür fehlt in den meisten Büros leider der Platz.
Wie Fleissige blau machen
Akustische Elemente bringen nicht nur Ruhe, sondern auch Farbe ins Büro. Dass bunte Möbel und Wände die Stimmung verbessern, weiss man aus zahlreichen Studien, unter anderem mit Häftlingen. Waren diese in pinkfarbenen Räumen untergebracht, wurden sie sofort freundlicher.
Farben sorgen aber nicht nur für Wohlbefinden, sondern können uns sogar helfen, bestimmte Aufgaben besser zu erledigen. Blau beispielsweise lässt enge Räume weiter wirken und beruhigt den Geist, ist also ideal für konzentriertes Arbeiten. Gelb schafft eine heitere, angeregte Atmosphäre, fördert den Optimismus, belebt und regt die Fantasie an und ist dadurch optimal fürs Brainstorming.
Die Lounge für gute Laune
Bei der Bürokonzeption die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden auf einen Nenner zu bringen, ist unmöglich. Und doch gibt es eine Lösung – zonierte Büros. Je nach Persönlichkeit, Aufgabe und momentaner Verfassung können Mitarbeitende sich aussuchen, ob sie lieber in einer Sofaecke, in der Kaffeelounge oder in einer Rückzugszone arbeiten möchten. Das wirkt sich aus mehreren Gründen positiv auf das Klima im Büro aus, meint Breitschmid: «Diskussionen um geöffnete Fenster oder laute Telefongespräche werden seltener, man kann seinen Platz jederzeit frei wählen und dadurch seinen Bedürfnissen besser gerecht werden.»
Nicht nur eine Frage der Normen
Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit, die Arbeitsleistung und die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitenden? Von dieser Frage ging ein Forschungsteam des Instituts für Facility Management der ZHAW in ihrer kürzlich publizierten Studie aus. Sie untersuchten 26 Bürogebäude und konzentrierten sich dabei nicht nur auf quantifizierbare Aspekte wie Luftqualität oder Gebäudeeigenschaften. Ebenso interessierte sie, wie die Nutzenden ihre Arbeitsumgebung einschätzten. Das Fazit der Studie: Sich an Normen und Empfehlungen zum Raumklima zu orientieren reicht nicht aus, um Mitarbeitende glücklich zu machen. Erfolgsversprechender ist es, je nach Arbeitssituation die passende Lösung zu finden. Dazu empfehlen die Autoren der Studie, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden punkto Klima, Beleuchtung, Aussicht, Ästhetik oder Privatsphäre abzuholen und sie in den Prozess der Bürogestaltung einzubinden. nachhaltigebueros.ch