Der Weg zur finanziellen Freiheit
Finanzielle Unabhängigkeit ist ein Ziel, das viele anstreben, jedoch nur wenige erreichen. Wie man die Finanzen in die eigene Hand nimmt, verrät Investorin und Keynote-Speakerin Katrin J. Yuan in ihrem Gastbeitrag.
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Finanzielle Unabhängigkeit sollte unabhängig vom Geschlecht von Bedeutung sein und gleichwertig umsetzbar sein. Doch warum ist finanzielle Unabhängigkeit so wichtig? Weil man das eigene Leben nach den eigenen Wünschen gestalten kann, ohne von anderen abhängig zu sein. Das ist besonders für Frauen wichtig, da sie oft vor finanziellen Herausforderungen stehen, sei das aufgrund von Lohnungleichheit, Karriereunterbrechungen oder ungeplanten Ereignissen wie Scheidung, Krankheit, Unfall oder Tod. Ein weiterer Grund ist das leidige Thema der Altersvorsorge. Fakt ist: Schätzungen aus dem Jahr 2022 weisen darauf hin, dass in der Schweiz etwa 18 Prozent der Frauen im Alter von Altersarmut bedroht sind. Hier sollten Arbeitnehmerinnen versuchen, dem frühzeitig entgegenzuwirken.
Bei der finanziellen Unabhängigkeit geht es allerdings nicht nur um Geld – wesentlich dafür ist auch das Mindset. Es verleiht die persönliche Freiheit, Entscheidungen unabhängig zu treffen, beruflich und persönlich unabhängig von anderen zu sein, zu wachsen und den eigenen Weg zu gehen.
Schritt 1: Bildung und Finanzkompetenz
Der erste Schritt auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist Bildung. Investieren Sie nie in etwas, das Sie nicht verstehen. Deshalb sollten Sie die Grundlagen des Geldmanagements verstehen, sparen und klug investieren und zudem lernen, wie man ein Budget erstellt und Schulden vermeidet. Und lernen, dass es gute und schlechte Schulden gibt. Immobilien zu besitzen mit Hypotheken, gehört in richtiger Relation zum Gesamtvermögen zu den guten Schulden. Die Inflation hebt nicht nur die Preise wie Mieten an, sie wirkt auch vorteilhaft bei Immobilienbesitzenden mit einer oder mehreren Hypotheken.
Es gibt viele Ressourcen, um sich finanziell weiterzubilden, darunter Bücher wie «The Intelligent Investor» von Benjamin Graham, dem Ziehvater Warren Buffets. Nützlich sind auch Immobilien-Podcasts wie «Immocation» und Online-Kurse. Es gibt auch «Female Financial Independence»-Vorlesungen. Es existiert somit ein reichhaltiges Angebot, das einem hilft, die eigene finanzielle Bildung zu verbessern. Wichtig ist es zudem, möglichst im ersten und nicht erst im letzten Drittel des Lebens damit anzufangen. Denn Dank des Zinseszinseffekts ist der Investitionszeitraum auf die positive Gesamtperformance nicht zu unterschätzen.
Schritt 2: Sparen und Investieren
Sparen ist ein «Basic», ein Grundschritt in die richtige Richtung, um Geld für das Investieren einzubehalten und zur Seite zu legen. Es gibt viele Menschen, die trotz hohen Schweizer Salären am Monatsende alles ausgegeben haben und nicht über ihre Finanzen Bescheid wissen. Sparen ist gut, reicht aber meistens nicht auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit. Wenn Sie es noch nicht tun, sollten Sie über alle Einkommens- und Ausgabenströme Buch führen, damit Sie, über das Jahr verteilt, jeden Monat die durchschnittlichen Ausgaben inklusive Peak-Ausgaben kennen.
Gleiches gilt für die Einnahmen. Wenn sich eine Person beispielsweise selbständig macht als Virtual Assistant in der Schweiz oder als Unternehmerin, so wissen viele Selbstständige, dass die Einkommensströme über alle Monate nicht gleich verteilt sind. Es gibt Peak-Monate, wo viel fliesst, und umgekehrt. Wichtig ist es deshalb, systematisch die Finanzen und Finanzströme zu steuern. Einen Teil dieses Einkommens sollte man systematisch beiseitelegen und klug investieren. Grundsätzlich gilt es, möglichst früh zu investieren, um von Zinseszinsen zu profitieren. Man kann in Aktien, Anleihen, ETFs und Immobilien investieren, je nach dem eigenen Risikoprofil und den persönlichen Zielen.
Schritt 3: Liquidität und Absicherung
Nur Beträge investieren, auf die man nicht kurzfristig angewiesen ist. Da ist es logischerweise bei höheren Salären leichter als bei niedrigen, monatlich verhältnismässig viel zu investieren und sich so ein Startportfolio aufzubauen. Ein weiterer Punkt ist, einen Notfalltopf zu haben, um unvorhergesehene Ausgaben abzudecken, ohne die langfristigen Investitionen anzutasten. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass man genügend Geld auf dem Konto verfügbar hat, um etwa drei bis fünf Monate der Lebenshaltungskosten zu decken, ohne das Investment-Portfolio anzutasten.
Wichtig zu wissen ist auch: Sparen Sie allein über ein Konto mit festem Zinssatz, verlieren Sie effektiv Geld. Durch höhere Inflation und niedrige Zinsraten bleibt zwar die numerische Summe auf dem Konto gleich, aber der Wert Ihrer Ersparnisse sinkt über die Jahre, da die Zinsrate die Inflation nicht mehr ausgleichen kann. Für Sparkonten gilt deshalb: für die Notfallrücklagen ja, aber nicht zum Vermehren des eigenen Geldes.
Schritt 4: Karriere und Gehaltsverhandlung
Es ist wichtig, in die eigene berufliche Weiterentwicklung zu investieren, ob Weiterbildungen, Vorlesungen und Kurse oder in Mentoring, denn die beste Investition ist in sich selbst. Achten Sie deshalb auf Weiterbildungs- und Aufstiegschancen – und zögern Sie nicht, Gehaltsverhandlungen zu führen, um angemessen entlohnt zu werden. Hören Sie sich bei männlichen Kollegen um, wie viel angemessen erscheint, und recherchieren Sie öffentlich zugängliche durchschnittliche Gehälter pro Branche und Position. Eine höhere Vergütung bedeutet mehr Geld, das man sparen und investieren kann.
Schritt 5: Gemeinschaft
Suchen Sie Gleichgesinnte, die ähnliche finanzielle Ziele verfolgen. Eine starke Gemeinschaft hilft, motiviert zu werden und noch viel wichtiger: motiviert zu bleiben und nützliche Informationen zu erhalten. Netzwerke und Online-Gruppen sind grossartige Orte, um sich gegenseitig zu unterstützen. Finanzielle Unabhängigkeit hat nicht nur mit Geld zu tun, sondern fängt vor allen Dingen im Kopf mit der eigenen Einstellung an.
Schritt 6: Geduld und Ausdauer
Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist ein Marathon. Es erfordert Zeit, Geduld und Ausdauer. Es gilt, die Tiefen auszuhalten und die Höhen auszuschöpfen. Man muss deshalb fokussiert bleiben und sich auf dem Weg ins Ziel nicht von Rückschlägen entmutigen lassen.
Fazit
Finanzielle Unabhängigkeit ist ein erreichbares Ziel für diejenigen, die bereit sind, sich zu engagieren und hart zu arbeiten. Bildung, Sparen und Investieren sind Schlüssel auf dem Weg zur finanziellen Freiheit. Mit der richtigen Strategie, Geduld und Unterstützung kann man bereits in jungen Jahren die Kontrolle über die eigene finanzielle Zukunft übernehmen.