Personal Branding

«Niemand ist näher am Chef dran»

Der Assistenzberuf verändert sich und neue Chancen entstehen. Zum Beispiel im Bereich Personal Branding. Dieses ist für Führungspersönlichkeiten wichtiger denn je – und braucht eine grosse Portion Vertrauen und Nähe. Interview mit dem Marketingexperten German Ramirez. 

Der Assistenzberuf ist im Wandel, klassische Aufgaben brechen weg oder lassen sich schneller erledigen. Welche Chancen sehen Sie in dieser Entwicklung für Assis­tentinnen und Assistenten?

Es gibt sicher eine Reihe von Chancen, die sich durch die frei werdende Zeit ergeben. Was ich mir aus meinem Blickwinkel gut vorstellen kann, ist, dass Assistentinnen und Assistenten ihrem Chef oder ihrer Chefin künftig beim Thema Personal Branding einen grossen Mehrwert bieten können.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Früher konnten Menschen nur direkt miteinander kommunizieren. Die sozialen Medien haben aber die Form der Kommunikation revolutioniert. Sie schaffen die Möglichkeit, mit vielen Menschen gleichzeitig zu kommunizieren. Ironischerweise helfen uns diese digitalen Tools dabei, nahbarer zu werden. Für Menschen in exponierten Positionen heisst das heute, dass von ihnen zunehmend erwartet wird, dass sie nach aussen kommunizieren – und zwar nicht irgendetwas, sondern authentisch und persönlich.

Von wem wird da was genau erwartet?

Kunden, Partner, Investoren und auch Mitarbeiter erwarten, Zugang zu den Gedanken und Meinungen dieser Führungskräfte zu haben, sie greifen zu können. Wieso ist eine Assistentin oder ein Assis­tent hier die richtige Person? Einen Personal Brand aufzubauen, kostet Zeit und erfordert einen enormen Grad an Intimität, wenn man es nicht selbst macht. Und darum sind Assistentinnen und Assistenten sehr gut dafür geeignet. Näher ist niemand am Chef dran. Sie begleiten ihn oder sie jeden Tag. Sie wissen, wie dieser Mensch tickt.

Was ist mit der PR-Abteilung? Kommunikation ist doch deren Fachgebiet …

Die PR-Abteilung kann sicher die Quartals­ergebnisse ein bisschen besser darstellen, als sie waren. Aber das ist nicht die authentische Kommunikation, von der ich rede und die heute mehr und mehr erwartet wird.

Was ist überhaupt ein Personal Brand? Hat jeder einen?

Ab dem Moment, in dem sich jemand auf Linkedin präsentiert, hat er einen Personal Brand. Selbst wenn dort keine Inhalte sind, sagt das etwas aus. Für mich sind diese Netzwerke eine Chance: Früher hatten Menschen die Möglichkeit, sich auf einer Konferenz mit einem Thema zu präsentieren. Das haben dann vielleicht 500 Leute gesehen. Heute wird der Vortrag aufgenommen oder gestreamt und es haben theoretisch Millionen von Menschen Zugang dazu. Das ist doch eine fantastische Möglichkeit, sich als Experte zu etablieren.

Was ist mit Führungskräften, die lieber weniger präsent sein möchten?

Natürlich gibt es Menschen, die meinen, für sie sei das nichts. Ich halte das für einen Fehler. Mir erscheint es zunehmend seltsam, wenn man über eine Person, die ein Unternehmen führt, nichts im Internet findet. Es reicht meiner Meinung auch nicht, wenn man einfach nur auffindbar ist, weil das gefordert ist. Davon hat niemand etwas, das ist wie ein Shareholder Letter, der einmal im Quartal veröffentlicht wird. Das wirkt seelenlos und nicht greifbar.

Muss man dafür alle Plattformen gleichermassen bespielen?

Nein. LinkedIn ist für mich die logischste Plattform. Sie hat 550 Millionen Mitglieder. Xing spielt zwar im deutschsprachigen Raum eine Rolle, aber diese stagniert und international ist sie irrelevant. Ausserdem ist es besser, eine Plattform richtig gut zu bedienen als mehrere schlecht.

Was konkret muss dort laufen?

Zuerst einmal braucht es ein solides Profil, sozusagen als Visitenkarte. Es sorgt für den ersten Eindruck und ist der digitale Fussabdruck. Ich zum Beispiel treffe selten Menschen, die ich nicht vorher gegoogelt habe. Aus welchem Grund? Ich entscheide so, ob ich jemandem meine Zeit schenken möchte, und bereite mich auf die Person vor.

Was konkret passiert dann?

Je exponierter eine Führungskraft ist und je stärker sie auf den sozialen Medien sichtbar ist, desto wahrscheinlich wollen sich Menschen mit ihr verbinden und desto häufiger wird sie auch eingeladen.  Wer solche Anfragen ignoriert oder gar blockiert, begeht tendenziell einen Affront. Höflichkeit ist auch online nicht zu unterschätzen. Jemand streckt mir virtuell die Hand entgegen und es liegt an mir, diese anzunehmen. Wer sich hier als nahbarer Mensch präsentiert, mit den Leuten kommuniziert und eine Beziehung aufbaut, schafft über kurz oder lang ein Netzwerk, von dem das Unternehmen profitieren kann. Und das gilt nicht nur online. Ein CEO, der 50 000 Mitarbeitende hat, drei Villen besitzt, Autor von fünf Büchern ist und trotzdem ansprechbar und höflich bleibt, wenn man sich ihm nähert: Solche Persönlichkeiten tragen Unternehmen.  

Zurück zum Online-Profil …

Genau. Was früher nur persönlich ging, geht heute jeden Tag. Dafür braucht es ein tolles Profil und eine pfiffige Person, die das managt. Eine Assistentin kann sich dieses Wissen locker aneignen. Wo fängt man an? Wie bei jedem Marketing braucht es einen Marketingplan und eine Positionierung. Im Prinzip ist das die Antwort auf die Fragen: Wofür möchte ich berühmt sein? Was kann ich gut? Was hat das mit dem zu tun, womit ich mein Geld verdiene? Was macht mir Spass? Von jedem Aspekt muss etwas dabei sein.

Sollen Menschen, denen Selbstdarstellung so gar nicht liegt, besser nicht Führungskraft werden?

Nach aussen zu kommunizieren, ist ein Teil des Jobs. Aber es gibt verschiedene Arten, das zu tun. Wem es weniger liegt, seine menschliche Seite zu zeigen, kann sich als Fachexperten darstellen. Wenn mir Menschen keinen Spass machen, faszinieren mich vielleicht Finanz- und Risikomodelle im Asset Management und ich kann mit meinem Fachwissen punkten und das in den Vordergrund stellen. Authentizität verlangt, dass du weisst, wer du bist, und den Bereich findest, in dem du brillieren kannst – auch nach aussen. Das kann ein trockenes Thema sein, ein philosophisches oder ein menschliches. Entscheidend ist die Frage: Was lässt einen Menschen aufblühen und wie kann man das nach aussen tragen?

German Ramirez am ­Assistants’ Day

Wer sich für das Thema Personal Branding für die Assistenz interessiert, kann German Ramirez am Assistants’ Day live erleben.

Wann: 10. April, 13:45 Uhr
Wo: Trafo Baden

German Ramirez in der Moneypenny Academy

Im Rahmen der Moneypenny Academy gibt German Ramirez ausserdem ein Seminar zum Thema Die Marke «Chef»: Personal Branding aus Sicht der Assistenz.

Wann: 26. September
Wo: GDI Gottlieb Duttweiler Institut

Kommentieren 0 Kommentare
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT