premium Nonverbale Kommunikation

Mit den Beinen fest auf dem Boden

Wie wir wahrgenommen, gehört und respektiert werden, hat viel mit der Körperhaltung zu tun. Nathalie Strassmann, ehemalige Polizistin, Coach und Boxtrainerin bei Be ready GmbH spricht über nonverbale Kommunikation und gibt Tipps zur Selbstverteidigung. 

Wer das Trainingsstudio von Coach und ­Boxtrainerin Nathalie Strassmann im ­Wohnquartier in Seuzach betritt, erblickt Boxsack, Hanteln und diverse Trainingsgeräte. Doch was hat Kampfsport mit Kommunikation gemein? Mehr, als man im ersten Moment meint. «Boxen hat viel mit Kontrolle, Einschätzung des Gegenübers, Durch­setzungsvermögen und Körperhaltung zu tun», erklärt Strassmann. «Letztere ist Teil der nonverbalen Kommunikation. Dadurch strahlen wir beruflich und privat Selbst­bewusstsein aus und werden respektiert.»

Vor allem Frauen hätten häufig Verbesserungspotenzial in Sachen Körperhaltung. Statt aufrecht zu stehen, die Schultern nach hinten und die Brust nach vorne zu strecken, knicken Frauen tendenziell mit einem Bein ein und ziehen die Schulterblätter nach oben zusammen. «Das führt zu einer kleineren Haltung, die dazu einlädt, uns weniger zu respektieren. Ausserdem atmen und sprechen wir so schlechter.» Eine undeutliche Sprache, eine kraftlose Stimme und Artikulation führten zusätzlich dazu, dass sich Frauen im Businessalltag unzureichend verkaufen. «Das ist schade, denn wir haben starke Beine und damit alle Voraussetzungen, um mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen.»

Um sich Respekt zu verschaffen, sei auch die verbale Kommunikation wichtig, sagt die ehemalige Kriminalpolizistin und heutige Kampfsport- und Deeskalationstrainerin. Gerade die Stimme beziehungsweise deren Tonlage führe dazu, dass ein selbstbewusster Auftritt als arrogant wahrgenommen werde. «Frauen sollten deshalb beim Sprechen möglichst in der unteren Tonlage bleiben. Das schaffen sie, indem sie Ruhe bewahren, tief atmen und aus dem Bauch heraus sprechen.»

Kommunikative Verteidigung

Die richtige Körperhaltung vermittelt nicht nur mehr Selbstbewusstsein und Auftrittskompetenz, sondern hilft auch bei der ­verbalen Kommunikation, sicherer durchs Leben zu gehen, weiss die ehemalige Kripo-Beamtin. Gut zu wissen, da die Gewaltstraftaten in der Schweiz in den letzten Jahren gemäss Bundesamt für Statistik nicht abgenommen haben – und grundsätzlich jede oder jeder in eine brenzlige Situation geraten könnte. Kann eine bestimmte Körperhaltung und Kommunikation also Angreiferinnen und Angreifer abschrecken? «Ja, durchaus», sagt Nathalie Strassmann. «Mit einer gewissen Haltung können wir bewusst Grenzen setzen.»

Rechtfertigende Notwehr

Artikel 15 Strafgesetzbuch
Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

Fühle man sich bedroht oder käme einem jemand zu nahe, könne man selbstbewusst hinstehen und klar und deutlich «Nein» oder «Sie kommen mir zu nahe, mir ist unwohl» sagen. Die andere Person träte im Normalfall einen Schritt zurück und sage, dass es ihr leid tue. Falls die verbale Kommunikation nicht genüge, dürfe man gemäss Artikel 15 Strafgesetzbuch auch in die physische Notwehr gehen. «Dort steht, dass wir uns bei einem unrechtmässigen Angriff verhältnismässig verteidigen dürfen.» Wichtig: «Man muss nicht warten, bis man tätlich angegriffen wird. Habe ich Angst um mein Leben oder befürchte ich, dass er oder sie auf mich losgeht, darf ich ihn oder sie wegschubsen und mich verteidigen.»

Kommunikativ was tun in brenzligen

Situationen Bei einer Eskalation müsse die Angegriffene oder der Angegriffene in die «Stopphaltung» gehen. Das bedeutet, mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen, nicht die Beine überkreuzen sowie die Hände mit den Handflächen nach vorne vor das Gesicht halten. Dagegen solle man niemals bei Selbstverteidigung mit den Fäusten dastehen. Das ist eine aggressive Geste vor allem für jene, die an der Angriffsstelle vorbeikommen und zu Hilfe eilen könnten.»

«Laut kommunizieren, ohne dabei zu schreien» ist ein weiterer Ratschlag Strassmanns. «Stopp ist das Gebot der Stunde: Das verstehen alle.» Im Wortwechsel sollte das Gegenüber immer gesiezt werden. «Duze ich jemanden, impliziert das, dass ich mein Gegenüber kenne. Schaut jemand zu, der mir helfen möchte, denkt er, die kennen sich, und greift nicht ein.» Gehe der Angegriffene rückwärts, signalisiert das Helfenden zudem, dass man dem Konflikt aus dem Weg geht und Angst hat. Und zu guter Letzt sollten Angegriffene ihrem Angreifer nie in die Augen schauen, sondern auf dessen Brust blicken. «Auf etwas, das ich mit den Augen fixieren kann – so habe ich alle möglichen Angriffe unter Kontrolle.»

Checkliste Selbstverteidigung

Mentale Vorbereitung

  • Wie sieht mein Arbeitsweg aus?
  • Fühle ich mich in gewissen Situationen und/oder auf gewissen Plätzen unwohl?
  • Was mache ich, wenn mir jemand zu nahe kommt, mich hält oder auf mich losgeht?
  • Wo sind meine Grenzen?
  • Bin ich es mir wert, mich zu verteidigen?

Materielle Vorbereitung

  • Handy aufgeladen
  • Autoschlüssel, Taschenlampe und Pfefferspray in der Tasche griffbereit
  • Keine Stöpsel im Ohr Physische Vorbereitung
  • Bin ich gesund? Kann ich rennen?
  • Bin ich fähig, mich zu verteidigen?

 

Übungen Power-Posing

(Dauer: 60 Sekunden)
Abwechslungsweise folgende Positionen einnehmen:

  • Wonder Woman: Hände in die Hüften stemmen, Brust nach vorne, Schultern nach hinten
  • Siegerpose: Hände nach oben strecken (gross und lang ziehen)
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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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