Menschenrechte, Umwelt und Imagepflege
Unternehmen haben eine soziale Verantwortung. Nicht immer jedoch nehmen sie diese auch wahr, sondern setzen stattdessen auf Gewinnmaximierung. Doch das ist zu kurz gedacht. Skandale durch unethisches Handeln häufen sich und können dem Image von Unternehmen nachhaltig schaden.
«Tue Gutes und rede darüber» ist der Wahlspruch von Marketingabteilungen, die versuchen, ihr Unternehmen im besten Licht dastehen zu lassen. Doch angesichts von Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Textilfabriken oder Umweltverschmutzung beim Rohstoffabbau lässt sich kaum noch ein Konsument davon beeindrucken, wenn ein bisschen Geld gespendet oder ein kleines soziales Projekt ins Leben gerufen wird. Viele Unternehmen setzen deshalb mittlerweile auf Corporate Responsibility, um die Konsumenten und Kunden davon zu überzeugen, dass sie moralisch und ethisch auf der richtigen Seite stehen.
Mehr als Marketing
Die Unternehmensberaterin Fausta Borsani begleitet als CR-Expertin Firmen auf ihrem Weg zum nachhaltigen und gesellschaftlich verantwortungsvollen Handeln. Für sie ist CR nicht weniger als das grosse Ganze. «Es geht um die Gesamtverantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft und damit auch der Umwelt», sagt sie. Ebenso sieht das die Europäische Union, die den Begriff in ihrem Grünbuch definiert hat. CR ist demnach ein Konzept, mit dem Unternehmen auf freiwilliger Basis ihre Verantwortung für soziale Belange und Umweltbelange wahrnehmen und diese in ihre Unternehmenstätigkeit integrieren.
Für die Unternehmen bedeutet CR damit viel mehr als nur medienwirksames Marketing. Für ernstzunehmende Corporate Responsibility müssen sie ihr eigenes Kerngeschäft ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und unter die Lupe nehmen. Dabei wird die ganze Produktionskette analysiert. Fausta Borsani lässt bei einem solchen Prozess nichts aus. «Da muss man von A bis Z alles durchgehen: Wo kommen die Rohstoffe her, wie werden sie ab- oder angebaut, wo und wie werden sie verarbeitet?» Die Beraterin analysiert die gesamte Lieferkette der Hauptprodukte ganz genau. «Man muss wissen, wo Gefahren liegen, wo es Lücken gibt oder Daten fehlen», sagt sie. Wichtig sei aber auch festzustellen, wo es bereits gut läuft. Erst nach der Analyse kann ein Unternehmen überlegen, wo die Prioritäten liegen und was es an Massnahmen und Änderungen umsetzen will.
Gelebte Werte
Die Frage, wie viel investiert werden muss, spielt natürlich auch eine Rolle. «Ein Unternehmen muss Gewinne machen», sagt Borsani, aber sie sieht da keinen Widerspruch. «Corporate Responsibility schlägt sich nicht immer in Geld nieder, aber langfristig zahlt es sich aus», ist sie sich sicher. Das hat auch mit den Verlusten zu tun, die ein Imageschaden für ein Unternehmen bedeuten kann. «Kritische Konsumenten buchen keine Reise, wenn sie wissen, dass die Köche einen Hungerlohn bekommen», sagt sie. Und die Konsumenten seien heute aufmerksamer als früher. «Sie sind näher zusammengerückt und haben auch Kaffeebauern oder Näherinnen im Blick.» Ein Skandal wie der Fabrikeinsturz in Bangladesh im Jahr 2013, bei dem zahlreiche Näherinnen zu Schaden kamen, lässt sich heute nicht mehr so einfach unter den Tisch kehren.
Diese Entwicklung beobachtet auch Amnesty International. «In den 90ern gab es einige grosse Skandale, die bei einigen Konzernen für ein gehöriges Imageproblem gesorgt haben», sagt Daniele Gosteli, die den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte der Organisation in der Schweiz betreut. Den Unternehmen blieb nichts anderes übrig, als sich damit auseinanderzusetzen und darauf zu reagieren, um Verluste zu vermeiden. Kritiker bezeichnen das CR deshalb auch in vielen Fällen als Greenwashing. Und die Grenzen dazu sind nicht klar zu ziehen. «Ein Unternehmen darf nur mit Errungenschaften werben, die tatsächlich da sind», sagt Borsani. Alles andere würde als Augenwischerei angesehen und im Zweifel abgestraft. Ginge es aber um tatsächlich gelebte und umgesetzte Werte, sieht sie kein Problem darin, diese mit einem Marketinggedanken zu verbinden. «Marketing, Kommunikation und CR gehören zusammen», erklärt sie. Auch Gosteli sieht darin keinen Kritikpunkt: «Unternehmen werden eben erst dann aktiv, wenn es um das Image geht, denn dann geht es auch ums Geld.» Auch wenn Amnesty International die Entwicklung grundsätzlich positiv sieht, bleibt die Organisation kritisch. Die Unternehmen würden sich zwar zu ihrer Sorgfaltspflicht bekennen, aber darauf bestehen, dass ihr Engagement freiwillig bleibt. Doch das würde nicht ausreichen. «Wir kriegen immer wieder mit, dass Menschenechte missachtet werden oder Umweltzerstörung stattfindet», sagt sie. Es gäbe zwar weltweit Gesetze dagegen, aber viele Länder seien mit der Einhaltung überfordert. Das wüssten auch die Konzerne und dann sei es mit der freiwilligen Einhaltung oft nicht mehr weit her.
Auch Borsani sieht das so und spricht sich deshalb für mehr staatliche Kontrollen aus. «Es ist wichtig, dass ein internationales Kontrollsystem aufgebaut wird, dass die transnationalen Unternehmen demokratisch überwacht», sagt sie. Amnesty International fordert Kontrolle sowie Haftbarkeit zudem dort, wo die Konzerne ihren Sitz haben. Deshalb hat die Organisation gemeinsam mit 60 weiteren NGOs gerade die «Initiative für verantwortungsvolle Konzerne» in der Schweiz gestartet. Denn nur hier sei gewährleistet, dass Verstösse ernsthaft geahndet würden. Dies wäre auch für die Unternehmen ein Vorteil, die bereits gute CR praktizieren. «Wenn die Konkurrenz nichts machen muss, macht ein Unternehmen Verlust, das wegen CR mehr investiert», sagt Gosteli. Der Blick auf den Gewinn sei es auch, der die Unternehmen davon abhalte, Menschenrechte und Umwelt noch stärker in den Fokus zu nehmen. Borsani sieht darin einen grossen Fehler, der sich langfristig auch finanziell bemerkbar machen könnte. «Für den Markt der Zukunft sind nur Firmen gerüstet, die CR ernst nehmen und praktizieren», ist sie überzeugt.
Corporate Responsibility in der Praxis
Ein Win-Win-Win-Win-Projekt
Kenia leidet unter Wassermangel, der Boden der Hügel vor der Küste erodiert und wird ins Meer gespült. Die lokale Bevölkerung bohrt die Rohre an, die die Hotels an der Küste mit Trinkwasser versorgen sollen. Ständige Wasserausfälle sind ein Problem für den Tourismus, ebenso wie braunes Meerwasser. Reiseveranstalter Kuoni initiierte 2005 unter der Leitung der damaligen Head of Corporate Responsibility Fausta Borsani ein Projekt, mit dem die Probleme gelöst werden konnten. Die Dorfbewohner bauten Dämme, durch die sich während der Regenzeit kleine Seen bilden. Eine spezielle Wasserpflanze hält diese sauber und dient den ausgesetzten Speisefischen als Nahrung. Diese halten auch die Malariamücken in Schach. Das Wasser der Seen reicht sowohl für die Trinkwasserversorgung als auch für die Bewässerung der Hügel, die wieder bepflanzt werden. Bei dem Projekt gewinnen alle Beteiligten: die Dorfbewohner, die Umwelt, die Touristen und die Reiseveranstalter.
Schweizer Standards tun auch dem Ausland gut
Der Detailhändler Migros hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 nur noch Produkte zu verkaufen, die den Schweizer Tierwohl-Vorschriften entsprechen, auch wenn sie aus dem Ausland kommen. Da die Vorschriften in anderen Ländern oft weit unter dem Schweizer Niveau liegen, muss das Unternehmen selbst aktiv werden und ihre Lieferanten genau überprüfen. So bezieht es seine Poulet-Produkte nur noch von zwei Produzenten aus Deutschland und Ungarn, die sich verpflichtet haben, die Standards zu erfüllen. Ob das auch stimmt, wurde vom Schweizer Tierschutz untersucht, der sich vor Ort ein Bild von den Betrieben gemacht hat. Die Bedingungen bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung der Tiere entsprachen den Schweizer Mindest-vorschriften der Tierschutzverordnung. Damit leistet Migros einen Beitrag zur Verbesserung der Haltungsbedingungen der Tiere im Ausland und stellt gleichzeitig eine Versorgung der Schweizer mit qualitativ hochwertigem Fleisch sicher, deren Bedarf mit heimischer Produktion nicht gedeckt wird.