«Kunst soll den Dialog fördern»
Die Kunstsammlung der Credit Suisse ist eine ständig wachsende Sammlung, die mehrheitlich Schweizer Kunst fördert und seit Kurzem auch Künstlerinnen und Künstler an den internationalen Standorten der Bank unterstützt. Im Interview erklärt André Rogger, Leiter der Sammlung, nach welchen Kriterien Kunst eingekauft wird.
Herr Rogger, was macht der Leiter der Fachstelle Kunst den ganzen Tag?
Es ist eigentlich kein Tag wie der andere. Zwar geht es immer um Kunst, aber wie schon Karl Valentin sagte, ist jene zwar schön, aber sie macht eben auch «ganz schön viel Arbeit». Mir gefällt, dass ich mich einerseits mit geistigen Inhalten, andererseits aber auch mit sehr praktischen Aufgaben wie der Pflege von Kunstwerken auseinandersetzen kann. Besonders interessant sind natürlich die Recherchen zu neuen Künstlerinnen und Künstlern und der Besuch ihrer Ausstellungen, um gute Werke für unsere Sammlung zu finden. Das Ankaufen ist aber nur die eine Seite, viel Sorgfalt verlangt auch das Platzieren der Werke. Als Fachstelle Kunst statten wir alle Kundenzonen der Credit Suisse aus, in der Schweiz und neu auch an den internationalen Standorten. Da braucht es immer zuerst ein Konzept, das auf Akzeptanz, oder besser noch auf Begeisterung bei den Mitarbeitenden vor Ort stösst. Wenn wir anschliessend Transport und Montage der Werke in Angriff nehmen, ist auch das erst ein Zwischenschritt. Der letzte, wichtigste Schritt ist nämlich die Vermittlung der Themen und Botschaften der ausgestellten Werke, der Kontext also: Wir möchten die Mitarbeitenden sowie unsere Kundschaft abholen und ihnen Informationen zu den einzelnen Werken mitgeben, was wir derzeit noch mit Broschüren und Kunstblättern machen. Hier warten aber spannende neue Möglichkeiten der digitalen Kommunikation auf uns, mit denen wir unsere Sammlung auch über die eigenen Räume hinaustragen können.
Sind Sie also in Galerien und Künstlerstudios anzutreffen?
Wir kaufen genauso gerne in Galerien wie direkt im Studio. Jedoch ist es schwieriger in einem Studio. Wenn ich als Vertreter einer Bank nichts kaufe, ist die Enttäuschung teilweise gross und das verstehe ich auch. Hingegen findet bei Galerien im Vorfeld eine für uns wertvolle Selektion statt: Galerien haben Qualitätsanforderungen an die Kunstschaffenden. Diese müssen auch einen gewissen Werkkorpus vorweisen können, bevor sie zu einer Ausstellung eingeladen werden. Ich empfinde gute Galerien als Partner, die einen kompetent beraten und auf Inhalte aufmerksam machen, die man vielleicht nicht gekannt hat. Das schätze ich sehr. Deswegen wollen wir neben den Kunstschaffenden auch Galeriebetriebe unterstützen, da sie sehr viel für die Kunstförderung in der Schweiz leisten.
Die Credit Suisse fördert ebenfalls junge Künstlerinnen und Künstler. Woraus besteht die Förderung?
Wir versuchen, relativ früh Werke von aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern zu erwerben, um den Grundstein zu einer Werkgruppe zu legen. Dann, vielleicht ein, zwei Jahre später kaufen wir wieder ein Werk und so weiter. Im besten Fall können wir es uns nach zehn Jahren nicht mehr leisten, weitere Werke anzukaufen, weil die Künstlerin oder der Künstler so berühmt geworden ist, dass es für uns schlicht zu teuer ist.
Wählen Sie die Werke selbst aus oder gibt es interne Vorgaben, nach denen Sie sich richten müssen?
Wir haben in der Bank eine Kunstkommission. Sie gibt das Budget und die Richtung der Sammlung vor. Die Fachstelle für Kunst macht die regulären einzelnen Ankäufe autonom, grössere Werkgruppen und teure Arbeiten werden von der Kommission begutachtet. Unsere Vorgaben sind, dass wir die Kunst der ganzen Schweiz abbilden, alle Medien berücksichtigen und junge Kunstschaffende mit unseren Ankäufen fördern. Es geht aber auch um definierbare Qualität. Wie erwähnt stellen wir jeweils ein Informationsblatt bereit, wenn wir ein Werk in einem Kundenzimmer ausstellen, damit die Kundschaft sich informieren kann. Bevor wir den Ankauf eines Werks zusagen, überlege ich mir immer, was ich auf dieses Blatt schreiben würde, auch wenn ich aus Zeitgründen nur sehr wenige der Texte selber schreiben kann. Warum ist das ein gutes Kunstwerk, darauf muss es schon eine Antwort geben. Denn die erste Frage von Personen in unserem Geschäftsumfeld, die mit einem Werk in Kontakt kommen, lautet oft: «Warum ist das Kunst?» Wenn ich bei einem Werk auch nach Diskussionen mit anderen oder mit unserer Kommission auf keine überzeugende Antwort komme, rate ich meist von einem Ankauf ab. Das Schöne ist ja, dass sich Kontexte und Inhalte von Werken auch weiterentwickeln – zwei Jahre später kann sich vieles anders und vielleicht auch inhaltlich gereifter zeigen.
Erhalten Sie von Kunden Feedback zu den ausgestellten Kunstwerken?
Ab und zu kommt ein Feedback. Vor allem, wenn jemand etwas gar nicht geschätzt hat. Viel mehr hören wir von Mitarbeitenden, wenn sie in einem Korridor etwas sehen, das sie beschäftigt oder das ihnen nicht gefällt. Stört sich jemand an einem Bild, dann suchen wir zuerst den Dialog. Durch das Gespräch lösen sich Vorbehalte meistens auf – gerade zeitgenössische Kunst braucht diese Einbettung in einen Gesprächsaustausch. Sollten mehrere Leute mit einem Werk anhaltende Probleme haben, tauschen wir auch mal ein Werk aus. Wir finden dann einen besseren Platz.
Kommt das oft vor?
Das passiert vielleicht einmal im Jahr. Im Allgemeinen wird eine gewisse Stimulation durch die Kunst geschätzt, zumal sie ein Engagement für den Nachwuchs in der Schweiz bezeugt. Es ist schade, dass sich die Leute eher melden, wenn sie etwas stört. Wir hören selten, wenn die Leute etwas gut finden – glücklicherweise kommt dies aber auch vor. Aber eigentlich freue ich mich über alle Rückmeldungen. Sie zeigen, dass die Werke etwas auslösen und offenkundig auch eine starke Präsenz haben.
Die Ankäufe der Kunstsammlung sind auch ein Teil des Sponsoring-Engagements der Credit Suisse.
Nicht jeder Angestellte einer Firma interessiert sich für die Kunst an den Wänden, aber nicht wenige sind der Meinung, dass damit Geld «verplempert» wird. Können Sie das nachvollziehen?
Das kann ich verstehen. Aber wir kaufen im Nachwuchsförderungsbereich und so gesehen sind die Ankäufe der Kunstsammlung auch ein Teil des Sponsoring-Engagements der Credit Suisse. So wie wir Sport und Musik unterstützen, erwerben wir auch Kunst. Wir kaufen das nicht, um uns damit zu schmücken, sondern wir unterstützen damit die Kulturszene in der Schweiz. Mitarbeiter und Kunden kommen ja in den Genuss der Werke. Dass nicht jedes Werk allen gefällt, liegt in der Natur der Sache.
Warum braucht eine Firma eine Kunstsammlung?
Kunst in der Firma entstand als Konzept in den 1980-er Jahren. Die Kunst war zu Beginn explizit für die Mitarbeitenden gedacht. Man wollte eine Horizonterweiterung schaffen und die Diskussionskultur fördern, um damit die Kreativität zu steigern. Das ist immer noch ein wichtiger Teil. Inzwischen ist die Kunst auch ein Dialoginstrument nach aussen. Wir wollen mit der Kunst die Kundinnen und Kunden ansprechen, einen offenen Dialog fördern und auch zeigen, wie wir uns für die Kulturszene mitengagieren.
Welches ist Ihr liebstes Werk in der Sammlung?
Mir gefallen sehr viele Werke in unserer Sammlung – ich habe ja schliesslich auch viele davon mitausgesucht. Ein einzelnes Stück will ich nicht herausheben. Grundsätzlich mag ich Werke, die sperrig sind. Davon haben wir eine ganze Reihe. Das Werk soll eine Story, einen vielfältigen Hintergrund haben, und natürlich eine Mehrdeutigkeit, die es für verschiedene Seiten anziehend macht. Für diese Kontextualisierung ist der anfängliche Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern zentral. Der Austausch hilft, eine andere Perspektive einzunehmen und das jeweilige Werk besser zu verstehen. Er führt zudem auch dazu, dass ein grösserer Bezug zum Werk da ist. Auch deshalb ist uns das erwähnte Informationsblatt zu den Werken so wichtig. Inzwischen habe ich auch einen starken Wunsch, das jeweils «beste» Werk zu finden. So kann ich kaum mehr einen Galerieraum verlassen, ohne ganz sicher zu sein, welches das beste Werk im Raum war. Das Problem ist dann natürlich, ob das zweitbeste auch genügen kann, wenn das beste schon verkauft ist. Und ehrlich gesagt tut es das meistens nicht, das erste geht einem nicht aus dem Kopf. Man muss das nächste Mal einfach früher kommen.
Was hängt bei Ihnen zu Hause über dem Sofa?
Bei mir über dem Sofa hängt gar kein Kunstwerk. Mein Wohnzimmer prägt vielmehr die luftige «Cloud Toile», eine Wolkentapete des schottischen Design-Labels «Timorous Beasties». Ich habe selber ein paar Jahre in Edinburgh gelebt und die so frisch im Wind ziehenden Wolken erinnern mich an diese wunderbare Zeit. Ich empfinde diese Gestaltung der Wand – monochrom in der Art einer chinesischen Tuschmalerei – so stimmig, dass ich sie kunstfrei gelassen habe. Denn die Himmelslandschaft macht den Raum gross und lässt ihre Weite für sich sprechen – und steht nicht die Wolke auch in der Kunst für die Idee schlechthin, den freien Gedanken?
Zur Person
André Rogger ist promovierter Kunsthistoriker und seit 2007 Leiter der Fachstelle Kunst und der Sammlung Credit Suisse. André Rogger arbeitet von Zürich aus und betreut hauptsächlich die Sammlung in der Schweiz, die rund 10 000 Werke umfasst.