Arbeitstechnik

Konzentrieren Sie sich bitte JETZT! 

Sich zu konzentrieren ist verdammt anstrengend, schon unter besten Voraussetzungen. Im Assistenzjob ist es manchmal so gut wie unmöglich: Gleich morgens quillt der Posteingang über, das Telefon klingelt, Kollegen stecken wegen Kleinigkeiten ihren Kopf zur Tür herein, Vorgesetzte beordern Sie zur nächsten Besprechung… Seien wir ehrlich: Manchmal ist es die Hölle! Doch Konzentration lässt sich trainieren. 


Der Wert der Konzentration – Deep Work

Cal Newport ist Dozent für Computer Science an der Georgetown University und prägte in seinem Bestseller «Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen» den Begriff des «Deep Work»: berufliche Aktivitäten, die «in einem Zustand ablenkungsfreier Konzentration ausgeübt werden und Ihre geistigen Kapazitäten an ihre Grenzen bringen».
Der Bestsellerautor grenzt diese Art des Arbeitens von solchen Tätigkeiten ab, die zwar notwendig sind, aber kognitiv anspruchsloser. Ein Beispiel kann das Beantworten von E-Mails sein: Man muss sich immer wieder neu auf ein Gegenüber einlassen, ein Thema an- und durchdenken, eine adäquate Antwort finden. Das ist anstrengende Arbeit, lässt einen manchmal aber auch seltsam unbefriedigt in den Feierabend gehen. Newport spricht sich daher dafür aus, regelmässig Phasen des Deep Work einzuplanen, denn «wenn wir dem Wichtigen ungeteilte Aufmerksamkeit schenken und damit triviale, negative Dinge ignorieren, empfinden wir unser Berufsleben als wichtiger und positiver.» 


Konzentration und Willenskraft

Bei der Konzentrationsfähigkeit ist es wie mit der Willenskraft: Es handelt sich um begrenzte Ressourcen, die sich mit ihrer Verwendung erschöpfen. Allerdings kann beides auch wie ein Muskel trainiert werden. Newport geht in Anlehnung an entsprechende Studien davon aus, dass sich ein Neuling im Deep Work nur ungefähr eine Stunde pro Tag konzentrieren kann, ein Experte es bis zu vier Stunden täglich ausweiten kann. Daher ist ein bewusster Umgang mit diesen Ressourcen und eine entsprechende Planung so wichtig. Verbringt man diese rare Zeit mit Unwichtigem, ist sie unwiderruflich vertan. Deprimierenderweise fällt es immer schwerer sich zu konzentrieren, wenn man diese Fähigkeit nicht trainiert und jeder Ablenkung nachgibt. 
Wie bei jedem anderen Training auch, sind hier Rituale hilfreich, weil sie bestimmte Entscheidungsprozesse umgehen und so mehr mentale Energie für das konzentrierte Arbeiten selbst aufgebracht werden kann. 
Cal Newport räumt zwar ein, dass es kein richtiges Deep-Work-Ritual gibt, «was genau passt hängt sowohl von der Person als auch von der Art des Projekts ab». Einige grundlegende Dinge sollte man allerdings beachten. 


1. Wo arbeiten Sie und für wie lange?

Bei Aufgaben, die besondere Konzentration erfordern, sollten Sie dafür sorgen, dass Sie nicht gestört werden. Bitten Sie vielleicht einen Kollegen, Ihre Anrufe entgegen zu nehmen. Informieren Sie ihre Vorgesetzten, mit was Sie sich beschäftigen, erläutern Sie, warum das Ihre volle Konzentration erfordert und bitten Sie um ein wenig Ruhe, um diese Aufgabe lösen zu können. Hängen Sie ein Schild an Ihre Tür, ab wann Sie wieder erreichbar sind. «Wenn das möglich ist, einen Ort ausfindig zu machen, der ausschliesslich Deep Work vorbehalten ist – zum Beispiel einen Konferenzraum oder eine ruhige Bibliothek –, kann der positive Effekt sogar noch grösser sein», führt Newport aus. Wichtig ist jedoch, sich ein zeitliches Limit zu setzen, «damit die Sitzung eine eigenständige Aufgabe ist und keine Plackerei ohne Ende.» 


2. Wie arbeiten Sie, wenn Sie erstmal angefangen haben? 

Sie sollten sich klare Regeln und Prozesse schaffen, die dafür sorgen, dass Ihre Bemühungen strukturiert bleiben. «Sie könnten zum Beispiel jegliche Verwendung des Internets ausschliessen», schlägt Newport vor oder sich einen Zeitplan für Ihre Internetphasen erstellen. Newport stellt sich damit in die Reihe jener, die das Ablenkungspotential, das von Netzwerk-Tools ausgeht als massiv erachten. 

In einer Studie aus dem Jahr 2013 hat Erik Altmann, Associate Professor für Psychologie an der Michigan State University herausgefunden, dass schon eine Störung von nicht mal drei Sekunden, wie sie zum Beispiel von einem vibrierenden Smartphone ausgeht, zu einer Verdoppelung der Fehlerquote bei den Probanden führte. Man erklärt sich das damit, dass immer ein gedanklicher Überrest beim Wechsel von einer Aufgabe zur nächsten bleibt. Wird dieser Rest nicht direkt aufgelöst, führt das zu Fehlern bei der nächsten Aufgabe. Daher ist Multitasking und die permanente Erreichbarkeit oftmals so problematisch. Wenn Sie eine wichtige Aufgabe erledigen wollen, sind Offline-Phasen selbst für Leute, die ständig erreichbar sein müssen, notwendig und sollten nicht ohne weiteres aufgegeben werden.

Stattdessen können Sie Ihren Zeitplan abändern, so dass Ihre nächste Online-Phase eher (z.B. in fünf Minuten) beginnt. «Das ist nur eine geringe Dauer, wird also Ihrem Fortschritt nicht massiv schaden», ist aber aus verhaltenspsychologischer Perspektive wichtig, da Belohnung und Umsetzung des Bedürfnisses entkoppelt werden. 

3. Wie wollen Sie Ihre Arbeit unterstützen?

«Ihr Ritual muss sicherstellen, dass Ihr Gehirn die notwendige Unterstützung erhält, um auf hohem Konzentrationsniveau zu arbeiten.» Sie kennen selbst die Ratschläge, die man überall findet: Räumen Sie ihren Schreibtisch auf, auch den virtuellen im Computer, denn Ordnung führt dazu, dass man relevante Informationen und Utensilien schneller findet, effizienter und weniger frustriert ist. Hinzu kommen der richtige Stuhl, Licht, Luft, ausreichend Bewegung und Schlaf, ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt und gesunde Nahrung, der richtigen Stift, das richtige Trackpad … viele Faktoren beeinflussen unsere Aufmerksamkeit. Finden Sie heraus, was Sie brauchen und sei es «nur» eine gute Tasse Tee am Anfang. Wenn Sie erstmal in den Deep-Work-Zustand gelangen, ist alles andere ohnehin zweitrangig.

Buchtipp

Cal Newport: «Konzentriert Arbeiten: Regeln Für Eine Welt Voller Ablenkungen.»
1. Auflage ed.
München: Redline Verlag, 2017

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