Konfliktmanagement – Vom Umgang mit Spannungen
Konflikte gehören zu den unangenehmen Seiten des (Arbeits-)Lebens. Den Kopf in den Sand zu stecken bringt aber nichts. Dadurch verschlimmern sich nur die bestehenden Spannungen.
Konflikte gehören zum Leben, und das aus gutem Grund: Sie machen uns bisher verborgene Schwierigkeiten bewusst, sie erzeugen Druck, um Probleme anzugehen – und führen dabei nicht selten zu kreativen Lösungen – und sie geben Anstoss, unsere Fähigkeiten und Kenntnisse zu vertiefen. Das ist aber nur möglich, wenn Vorgesetzte und HR wissen, wie mit Konflikten umzugehen ist.
Erscheinungsformen von Konflikten
Es gibt heisse und kalte Konflikte. Heisse zeichnen sich durch offene Angriffe und Ausbrüche aus. Die Betroffenen werden laut, greifen zu scharfen Tönen. Kalte beziehungsweise verdeckte Konflikte waren einmal heiss, doch inzwischen haben die Parteien den Glauben an eine konstruktive Lösung verloren. Sie gehen einander aus dem Weg, es herrschen Frustration und Zynismus, und Sabotageakte erschweren die Zusammenarbeit (zum Beispiel Zurückhalten von Wissen, Zuspätkommen bei Sitzungen etc.)
Konfliktarten
Es gibt diverse Konfliktarten: Zielkonflikte, Beurteilungs-, Verteilungs-, Rollen-, Struktur-, Beziehungs- oder Wertkonflikte. Im konkreten Fall ist eine Unterscheidung in vier Kategorien sinnvoll:
Geht es um:
- die Sache?
- die Beziehung?
- die Persönlichkeit?
- Werte?
Sache: Dreht sich der Konflikt um eine Sache, so lässt sich diese in der Regel verhandeln.
Beziehung: In Beziehungsfragen geht es darum, Erwartungen zu klären.
Persönlichkeit: Die Persönlichkeit einer Person ist nicht verhandelbar. Man kann sich aber über konkrete Verhaltensweisen verständigen. Also zum Beispiel: «Du hast dich in dieser Situation so und so verhalten, und ich möchte, dass du es statt dessen so und so machst.» Nicht aber: «Du bist ein komplizierter Mensch.»
Werte: Werte sind ebenfalls nicht verhandelbar. Die Lösung des Konflikts besteht darin zu besprechen, wie mit unterschiedlichen Werthaltungen umgegangen werden soll.
Häufige Konflikte
- Strukturelle Unklarheiten: Pflichtenhefte, Rollen, Kompetenzen oder Zielsetzungen sind nicht klar definiert.
- Ressourcenknappheit: Sind die Mitarbeiter überlastet, zum Beispiel bei Reorganisationen, bleibt Arbeit liegen – und schnell wird Strukturelles persönlich: «Dieser Fehler ist deine Schuld!»
- Status, Anerkennung und Wertschätzung: Diese Themen rufen besonders dann Spannungen hervor, wenn die Kriterien für deren Verteilung nicht klar sind. Wenn etwa der Kollege unerklärlicherweise einen höheren Bonus als man selbst bekommt oder die dienstjüngere Kollegin Privilegien erhält, die einem selbst schon lange versprochen, aber bisher vorenthalten wurden.
- Unterschiedliche Arbeitsweisen
- Unterschiedliche Persönlichkeiten
9 Stufen der Konflikteskalation (gemäss Friedrich Glasl)
- Verhärtung: Standpunkte prallen aufeinander, es kommt zu Pannen und Ausrutschern im Arbeitsalltag
- Debatte, Polemik: Schwarz-Weiss-Denken, Vortäuschen von rationaler Argumentation, Kampf um Überlegenheit
- Taten statt Worte: Überzeugung, dass Reden nichts mehr hilft, Strategie der vollendeten Tatsachen, Verlust von Empathie
- Images und Koalitionen: Verbreitung von stereotypen Bildern und Klischees, Fixierung auf Feindbilder, Image-Kampagnen mit Werbung um Anhänger
- Gesichtsverlust: Öffentliche Blossstellung des Feindes, fanatischer Kampf um Ideologie, Werte und Prinzipien
- Drohstrategien: Drohung und Gegendrohung, Parteien manövrieren sich in die Sackgasse des Handlungszwanges
- Begrenzte Vernichtungsschläge: Denken in «Ding»-Kategorien, keinerlei menschliche Qualitäten werden mehr respektiert, begrenzte Zerstörung
- Zersplitterung: Alles ist auf den Zusammenbruch des Gegners ausgerichtet
- Gemeinsam in den Abgrund: Totale Konfrontation, Vernichtung des Feindes sogar zum Preis der Selbstvernichtung.
Die Eskalationsstufen 1 bis 6 lassen sich gut bearbeiten. Die Stufen 1 bis 3 können in der Regel von Vorgesetzten bewältigt werden (Selbsthilfe). Ab Stufe 4 sollte externe informelle Hilfe beigezogen werden. Ab Stufe 7 braucht es externe formelle Hilfe (Polizei, Rechtssprechung etc.)
Hilfe beiziehen
Je nach Situation sollte Unterstützung gesucht werden von:
- Vorgesetzten
- HR (wird das HR frühzeitig eingebunden, zum Beispiel im Rahmen einer Moderation, lassen sich Konflikte oft schneller beilegen)
- Rechtsdienst
- Sozialdienst
- Ombudsstelle
- Ausgebildete Mediatoren oder allenfalls Coach, Supervisor
- Etc.
Vorgehen in einer Konfliktsituation
- Dem Konflikt Zeit und Raum geben: Ein Feierabendbier kann durchaus einmal einen Konflikt lösen. Aber grundsätzlich sollen Spannungen «offiziell», und nicht einfach schnell zwischen Tür und Angel angesprochen oder am Ende einer Sitzung angehängt werden. Konflikte können manchmal mit einem einzigen Gespräch beigelegt werden, manchmal braucht die Bearbeitung aber auch Zeit. Wichtig ist ein systematisches Vorgehen.
- Einschätzung: Wer interveniert und wie? Kann ich das selber lösen oder brauche ich Unterstützung? Und wie wirkt es, wenn ich Unterstützung beiziehe, lässt dies die Sache grösser erscheinen als sie ist?
- Abklärung: Braucht es Sofortmassnahmen, um eine Person oder ein Projekt zu schützen?
- Unterscheidung: Welche Personen sind beteiligt und welche sind betroffen?
- Auswahl: Mit welchen Personen soll gesprochen werden? Mit welchem Kreis muss eine Klärung stattfinden (kann sich im Verlauf des Prozesses ausweiten)?
- Heiss oder kalt: Handelt es sich um einen heissen Konflikt, so kann man bei einer konkreten Streitsituation eingreifen und die Betroffenen für ein Gespräch einzeln zu sich ins Büro bitten. Ein kalter Konflikt dagegen muss in der Regel zur «Eskalation» gebracht werden, sodass die verdeckten Konfliktinhalte greifbar werden. Dies kann zum Beispiel im Rahmen einer von Fachpersonen moderierten Retraite geschehen
- Für sich selbst abklären: Was ist gestalt- und verhandelbar, was nicht (Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Umgang miteinander, Werte)?
- Gespräch zur Konfliktlösung.
Wichtige Punkte im Gespräch
- Verhalten benennen, das einem aufgefallen ist
- Worum geht es, was ist schwierig, was braucht Aufmerksamkeit? Kein Reden um den heissen Brei, sondern klare Kommunikation
- Wie stark soll man (mittels Akten, E-Mails etc.) in die Vergangenheit eintauchen? Ist das überhaupt nötig?
- Vereinbarung mit klarer Zeitvorgabe. Zum Beispiel Unterbinden von Maillawinen mit CC an die ganze Abteilung per sofort; oder Vereinbarung für pünktliches Erscheinen an allen Sitzungen für die Dauer der nächsten vier Wochen
- Festlegung, wer in welcher Weise und von wem über was informiert wird sowie welche Informationen wie lange vertraulich zu behandeln sind.
Nadia Dörflinger-Khashman
Quelle: Die Informationen für diese Checkliste stammen von Nadia Dörflinger-Khashman (1967), Leiterin des Kompetenzzentrum Mediation und Konfliktmanagement der Berner Fachhochschule. Sie hat einen MAS Mediation, ist Supervisorin für Mediation und Autorin von «Nachhaltige Gewinne aus der Mediation für Individuum und Organisation», erschienen im Haupt Verlag, Bern (2010). Zudem ist sie Inhaberin der Konfliktkultur GmbH, Schweiz.
Literatur
- Friedrich Glasl: Selbsthilfe in Konflikten. Konzepte – Übungen – Praktische Methoden. Verlag Freies Geistesleben.
- Karl Benien: Schwierige Gespräche führen. Modelle für Beratungs-, Kritik- und Konfliktgespräche im Berufsalltag. Herausgegeben von Friedemann Schulz von Thun. Rowohlt Verlag.