Onboarding

Königlicher Start

Es lohnt sich, wenn Unternehmen ihre neuen Mitarbeitenden in den ersten Arbeitstagen herzlich willkommen heissen, sie sorgfältig ­einarbeiten und vielleicht sogar ein wenig hofieren. Denn der erste ­Eindruck zählt und entscheidet oft darüber, wie lang jemand bleibt.

Der Begriff Onboarding (zu Deutsch an Bord holen) erinnert zu Recht an den Check-in-Prozess eines Flughafens. Nur wer diesen professionell durchführt, kann einen ruhigen Flug und eine sichere Landung am Zielort garantieren. Auch Unternehmen tun gut daran, nichts dem Zufall zu überlassen. Stattdessen sollten sie neue Mitarbeitende bewusst und systematisch an Bord nehmen. Denn es ist fatal und wird teuer, wenn eine neue Fachperson noch in der Probezeit kündigt und der Findungsprozess wieder von vorn beginnen muss. Gemäss einer Studie der Universität Bern soll jeder Dritte, der den Betrieb innerhalb der ersten 2,5 Jahre wieder verlässt, den Entscheid dazu innerlich schon in den ersten drei Wochen gefällt haben! Schockierte neue Mitarbeitende scheinen früh zu spüren: «In diesem Betrieb werde ich nicht alt.

Was bedeutet Onboarding

Onboarding ist ein Begriff aus dem Personalmanagement. Er bezeichnet das Einstellen und Integrieren, also «an Bord nehmen» von neuen Mitarbeitenden durch ein Unter­nehmen. Und es beinhaltet alle Massnahmen, welche die Integration fördern. Der Prozess umfasst alle Schritte vom Arbeitsvertrag über die Organisation des ersten Arbeitstags bis zur Gestaltung der folgenden Tage und Wochen.

Um frühzeitige Abgänge zu vermeiden, wird Onboarding als ein wertvolles Instrument des HR-Managements eingesetzt. Der strukturierte Prozess wirkt sich unterstützend aus und soll selbstverständlich und unspektakulär ablaufen. So diskret er auch sein mag, er spart in jedem Fall Kosten und trägt zum guten Ruf eines Unternehmens bei.

In HR-Kreisen gilt der Fakt, dass beim Wechsel einer Fachkraft des unteren Kaders bis zu eine Viertelmillion Franken fällig werden. Dies entspricht rund dem Eineinhalbfachen seines Jahreseinkommens. Auch die Neuanstellung eines Mitarbeiters kostet rund ein Jahres­gehalt.

Der erste Eindruck zählt

Personelle Wechsel bringen das Risiko mit sich, dass ein Unternehmen wertvolle Ressourcen vergeudet oder die neue Mitarbeiterin, den neuen Mitarbeiter verliert, bevor es dessen Kompetenzen langfristig nutzen konnte. Denn wie man weiss, ist das Risiko, neue Mitarbeitende in die Flucht zu schlagen, ­während der Einarbeitungszeit am grössten. Wie ein Mensch hat auch ein Unternehmen nur einmal die Chance, beim Gegenüber einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen: gleich am Anfang der Zusammenarbeit.

Man kann sich das auch vorstellen wie eine Liebesbeziehung. In den ersten Tagen fragt sich die neue Mitarbeiterin laufend, ob sie sich gut behandelt fühlt, und bindet sich dementsprechend schnell und stark an den neuen Arbeitgeber – oder auch nicht. Ein Onboarding-Konzept zu erarbeiten, lohnt sich daher mehrfach und langfristig. Dies gilt auch für kleinere Unternehmen. Die HR-Abteilungen von Grosskonzernen verfügen oft schon über etablierte Programme. Doch auch Arbeitgeber kleinerer Firmen profitieren, wenn Office-Managerinnen einen standardisierten Prozess zur Einarbeitung des neuen Personals anwenden. Es geht in jedem Fall darum, neue Mit­arbeitende gleich von Anfang an fürs Un­­ter­nehmen zu begeistern. Sonst sind sie schnell wieder von Bord.

Woran ist zu denken?

«Das A und O eines guten Onboarding-­Prozesses ist die Einführung der Mitarbeitenden in ihre Stelle, ins Unternehmenswissen und in die Unternehmenskultur», sagt Katharina ­Schmidt-Pfister, Betriebswirtin und Expertin für Onboarding-Prozesse. «So gelingt es ihnen, ein ganzheitliches Bild aufzubauen. Das wirkt sich positiv auf das künftige Tun aus und lässt einen Blick über den Tellerrand ­hinaus zu.»

Es kann wichtig sein, gleich zu Beginn folgende Kernfrage zu stellen: «Woran wirst du, woran werden wir, in zehn Wochen erkennen, dass du bei uns die richtige Person am richtigen Platz bist?»

Was ist zu tun?

Wertschätzende Gesten wirken sich äusserst positiv auf Motivation und Loyalität aus: Man wird mit einem Willkommensgeschenk und einem Kaffee begrüsst, bekommt einen Arbeitsplatz zugewiesen, ein Smartphone und alle wichtigen Schlüssel sowie Karten ausgehändigt und verfügt vom ersten Moment an über eine eigene IT-Infrastruktur mit Mail­adresse. Zudem wird man umfassend mit den Strukturen und Abläufen sowie mit den neuen Ansprechpartnern, Vorgesetzten und Kollegen bekannt gemacht.

Tipps für das Onboarding

• Legen Sie sich einen standardisierten Prozess zurecht
• Erstellen Sie einen Onboarding-Ordner mit den wichtigsten Checklisten
• Bereiten Sie einen Einarbeitungsplan vor
• Organisieren Sie eine Einführungsveranstaltung
• Passen Sie das Onboarding wenn nötig der jeweiligen Person und Stelle an
• Bestimmen Sie einen Paten oder fachlichen Mentor
• Holen Sie regelmässig das Feedback der neuen Mitarbeitenden ein
• Korrigieren Sie wenn nötig Ihren Onboarding-Prozess
• Nutzen Sie Ihr professionelles Onboarding als Rekrutierungsinstrument
• Machen Sie allen klar, wie wichtig Ihr Onboarding-Instrument für das ­Unter­nehmen ist

Stellt das Unternehmen in einem gewissen Zeitraum gleich mehrere Personen ein, lohnt es sich, einen gemeinsamen Einführungstag zu veranstalten. Im Auftrag der Geschäftsleitung und ihrer Office-Managerin informieren interne Experten über die Struktur und Kultur des Unternehmens und stellen die wichtigsten Produkte oder Dienstleistungen vor. Natürlich kann es auch sinnvoll sein, Unterlagen über Kundenportfolios, Lieferanten, Prozesse und Produkte bereits vor dem Stellenantritt abzugeben. Dies trägt dazu bei, dass sich neue Mitarbeitende ein realistisches Bild machen können. Wie vertraulich solche Dokumente sind, hängt von der Positionierung im Wett­bewerb ab.

Kein Dokument ersetzt zwischenmenschliche Kontakte. Erläuterungen und Rundgänge sind in jeder Situation sehr hilfreich, denn sie dienen der Sicherheit und Vorbereitung eines Mitarbeiters. Auch positive Elemente des ­Arbeitsvertrags können Thema einer Ein­führung sein. Und je nach nationaler oder internatio­naler Ausrichtung des Unternehmens mag es auch wichtig sein, ortsfremde Mitarbeitende über die lokalen Begebenheiten eines Standorts zu informieren.

Expertinnen wie Katharina Schmidt-Pfister warnen jedoch davor, Menschen nicht zu sehr zu strapazieren. «Am ersten Tag prasseln sehr viele Eindrücke auf einen neuen Mitarbeiter ein. Überfordern Sie ihn daher nicht und reservieren Sie diesen Tag für sein emotionales Ankommen.»

Stufe zwei und drei

Experten empfehlen den Einsatz interner Begleitpersonen. Hierzu gibt die Inhaberin von onboarding.at folgenden Rat: «Achten Sie ­darauf, dass der verantwortliche Pate/Coach/Mentor seine Aufgabe ernst nimmt und dazu qualifiziert ist. Er sollte sozial-kommunikative, fachliche sowie eine hohe Persönlichkeitskompetenz und gute didaktische Fähigkeiten besitzen.»

Falls es nicht schon am ersten Tag geschehen ist, sollte sich spätestens am dritten Tag der «Big Boss» dem neuen Mitarbeitenden präsentieren. Besonders spannend ist es, wenn er das Herzstück seines Unternehmens selbst vorstellt und über langfristige Ziele informiert.
Im Rahmen des Onboardings sollte neuen Mitarbeitenden klar werden, welche Rolle und welche Aufgaben ihnen zukommen und welches ihre wichtigsten internen und externen Partner sind. Zu den weicheren Faktoren gehört, dass ihnen bewusst ist, wie man sich kleidet, wie man miteinander spricht und wie man mit Besuchern, Kunden, Lieferanten und Partnern umgeht. Und nicht zuletzt natürlich, worüber man schweigt, sprich: welche Botschaften man nicht nach aussen trägt.

Fakten lassen sich relativ leicht transpor­tieren. Komplexer wird es bei der Vermittlung von Unternehmenswerten, da diese erlebt werden müssen. Dabei helfen lockere Kaffeegespräche, gemeinsame Mittagessen oder ein Apéro am Ende der Arbeitswoche.

Lokales und globales Onboarding

Olga Rosa hat als HR-Verantwortliche eines weltweit operierenden Life-Science-Unternehmens mit Sitz in der Westschweiz den Onboarding-Prozess am lokalen Standort in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Alle Mitarbeitenden – unabhängig von ihrer Posi­tion – nehmen in den ersten zwei Arbeitswochen an einem lokal gestalteten Welcome Day teil. Ziel dieses Tages ist es, den Mitarbeitenden die ganze Wertschöpfungskette näherzubringen und damit von Beginn an eine höhere Identifikation mit dem Unternehmen zu erzielen. Der strukturierte Einführungsplan sieht unter anderem eine Marketingpräsentation vor, in welcher den Mitarbeitenden die Geschichte des lokalen Standorts und des Hauptprodukts sowie die aktuellen Produkte präsentiert werden. «Ausserdem geben wir seit kurzem weltweit allen neuen Mitarbeitenden eine Unternehmensbroschüre ab, in welcher die unterschiedlichen Unternehmensbereiche sowie die weltweit gültigen Unternehmenswerte präsentiert werden», erklärt Olga Rosa.

Wie zeigt sich der Erfolg?

Onboarding braucht Zeit. Katharina Schmidt-Pfister geht davon aus, «dass eine Einführung bis zur vollen Leistungsentfaltung zwischen sechs und zwölf Monate in Anspruch nimmt.» Diese Phase sollte man regelmässig für Feedbacks unterbrechen, um den Fortschritt laufend zu kontrollieren. Die Früherkennung von Problemen sorgt dafür, dass Abweichungen in der gegenseitigen Erwartung rechtzeitig erkannt werden.

Für Assistentinnen, die mit dem Onboarding neuer Mitarbeiter betraut sind, empfiehlt es sich, den Erfolg ihres Onboarding-Instruments kontrollieren und ausweisen zu können. Denn Kontrolle ist in diesem Punkt besser als blosses Gefühl. Wem es gelingt, das neue Personal an Bord zu behalten, kann dies der Geschäfts­leitung gegenüber in Zahlen und Fakten ausweisen. Erfolgsdaten sind zum Beispiel eine kürzere Einarbeitungszeit, höhere Verkaufszahlen und eine geringere Fehlerquote. So wird jedem Vorgesetzten schnell klar, dass ein guter Onboarding-Prozess massgebend zur erfolgreichen Entwicklung eines Unternehmens beitragen kann.

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