Was haben wir uns gefreut, dass wir unseren eigenen Arbeitsplatz selbst gestalten und einrichten konnten. Diese Freiheitseuphorie drückte sich regelmässig in kleinen Monumenten der Unabhängigkeit aus: ein ringsherum mit Post-it-Notizen beklebter Bildschirm, Pulte übersät mit Babyfotos und Kinderzeichnungen, Laptops umzingelt von Rosenquarzen. Ein bisschen Persönlichkeit in einer Arbeitswelt, in der das Personal nichts anderes als ein menschliches Produktionsmittel (Human Resources) ist und in der Anzahl als Vollzeitäquivalent (FTE) bezeichnet wird. Fragt der Manager den Schreiner: «Wie viele FTEs hast du denn so unter dir?» – Schreiner: «Hä?» –Manager: «Vollzeitäquivalente, du weisst schon!» – Schreiner: «Willst du mich beleidigen?» – Manager: «Nein, natürlich nicht. Aber egal. Du schaffst das auch alleine!»
Doch leider ist der eigene Arbeitsplatz ein Auslaufmodell. Die Zukunft sieht vor, dass FTEs nichts anderes mit zur Arbeit bringen als ihren Laptop und ihr Hirn – im besten Fall. Das Motto heisst: Kollaboration statt Babyfotos! In vielen Grosskonzernen ist der Ernstfall bereits eingetreten. Es gibt für die Mitarbeiter keinen persönlichen Arbeitsplatz mehr und die Plätze, die noch vorhanden sind, müssen geteilt werden. Pro Person steht ein Spind zur Verfügung, in dem man sein Zeugs lagern kann, um es jeden Morgen zu einem freien Arbeitsplatz zu schleppen. In diesem Umfeld tut der gescheite Mitarbeiter gut daran, sich keinen Ballast in Form von persönlichen Gegenständen, wie lustigen Kaffeetassen oder herzigen Plüschtier-Maskottchen, aufzuhalsen, denn das würde den Sprint zum letzten freien Fensterplatz erschweren.
Was uns als sinnvolle Massnahme zur Förderung der Zusammenarbeit verkauft wird, ist in Wahrheit nichts anderes als eine fehlgeschlagene Sparmassnahme. Vorher sass man mit seinem Team im gleichen Büro, kam morgens rein, sagte hallo und fing an zu arbeiten. Im Spind-Zeitalter hingegen kommt man an, schnappt sich einen Tisch, sagt «Hallo, wer bist du denn?», macht eine halbe Stunde Smalltalk, um den neuen Nachbarn kennenzulernen, stellt fest, dass man noch ein Meeting hat, muss erst die Kollegen überall zusammensuchen und anschliessend ein freies Sitzungszimmer finden. Bis endlich über die Arbeit gesprochen wird, ist es kurz vor Mittag, bis man tatsächlich arbeiten kann, früher Nachmittag. Von Effizienzsteigerung kann nicht die Rede sein. Ganz abgesehen von den Tagen, an denen alle Mitarbeiter ins Büro kommen, aber bekanntlich nicht jeder Platz hat. Da wird dann «Reise nach Jerusalem» gespielt, bis einer heult. Survival of the fittest!
Doch wer will sich beklagen? Die wohlüberlegten Entscheide des Managements zu kritisieren ist jetzt, da am Weltwirtschaftsforum davon gesprochen wird, dass in Zukunft wegen der Digitalisierung weltweit fünf Millionen Jobs verloren gehen, keine gute Strategie. Chefs wollen keine Skeptiker. Sie wollen zukunftsorientierte, ob jeder noch so sinnentleerten Neuerung jubelnde FTEs. Paradoxerweise ist der einzige Ort, an dem die Zeit nachhaltig stehengeblieben ist, die Chefetage. Dort sitzen die Manager noch immer in riesigen Einzelbüros, bestellen bei ihren Sekretärinnen Cappuccino, diktieren Briefe und werden in schwarzen Limousinen herumchauffiert. Wir müssen alle in die Zukunft gehen, aber nur wenige treten die Reise nach Jerusalem mit dem Privatjet an.