premium Meine Erfahrung: Petra Moor

«Jetzt bin ich hauptsächlich Bierbotschafterin»

Petra Moor, wie fühlt es sich an, die Leidenschaft zum Beruf zu machen?

«Ich fand Bierdosen schon als Kind schön. Statt sie wegzuwerfen, stellte ich die erste irgendwann ins Regal. Es folgte die zweite, dann die dritte und plötzlich hatte ich eine Sammlung. Ich brachte sie aus den Ferien mit oder bekam sie von Freunden geschenkt, wenn sie irgendwo ein spezielles Exemplar aufgetrieben hatten. Unterdessen besitze ich eine der am besten dokumentieren Bierdosensammlungen der Schweiz mit rund 14 000 verschiedenen Exemplaren.

Später entdeckte ich auch den Inhalt für mich. Und wurde neugierig: Wie macht man überhaupt Bier? Also besuchte ich einen Hobbybraukurs und erfuhr Spannendes zum Brauvorgang. Ich absolvierte später die Ausbildung zur Bier-Sommelière. Ein Lehrgang, der in Zusammenarbeit von GastroSuisse und dem Schweizer Brauerei-Verband angeboten wird. Die meisten Leute interessieren sich eher für Wein, ich finde Bier spannender. Es fasziniert mich, wie viele verschiedene Sorten es gibt, obwohl Bier grundsätzlich nur aus den vier Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe besteht. Rein vom Sommelier-Beruf leben zu wollen, ist schwierig. Vielleicht würde das am ehesten in einer belgischen Biermetropole klappen. Zwar tut sich mit der wachsenden Biervielfalt auch in der Schweizer Bierszene etwas, aber noch sind solche Jobs rar. Weil ich Bier liebe, überlegte ich mir einen Moment lang auch, Bierbrauerin zu werden. Es ist ein sehr spannender Beruf, für den es viel Fachwissen braucht. Man muss sich zum Beispiel gut in Mathematik und Chemie auskennen. Ein Bier hat man schnell einmal angerührt, doch konstant gute Qualität zu bringen, ist nicht so einfach. Es braucht viel, um eine erfolgreiche Braumeisterin zu sein. Die Idee verwarf ich später wieder. Jetzt bin ich hauptsächlich Bierbotschafterin: Die Vielfalt des Biers zeige ich auf meiner Website, schreibe darüber für ein deutsches Fachmagazin und biete auch Bierverkostungen an. Der Braumeister ist der Künstler, die Sommelière die Galeristin, sage ich immer.

Hauptberuflich bin ich in der Administration zu Hause. So arbeitete ich jahrelang beim Kanton Aargau im Departement Bau, Verkehr und Umwelt und wäre dort vermutlich auch geblieben, wäre der Job nicht irgendwann zu eintönig geworden; aufgrund von Reorganisationen wanderten die spannenden Aufgaben immer mehr in andere Hände. Also beschloss ich, mich neu zu orientieren, und als es mit der Pandemie losging, bewarb ich mich spontan beim Contact Tracing. Ich betreute dort viele sozialmedizinische Institutionen, lernte menschlich und fachlich unglaublich viel in einem äusserst dynamischen Umfeld. Doch es war auch klar, dass Corona irgendwann vorbei sein würde. Also bewarb ich mich weiter querbeet von der Automobilbranche bis zur Landwirtschaft.

Es fasziniert mich, wie viele verschiedene Sorten es gibt, obwohl Bier grundsätzlich nur aus den vier Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe besteht.

Nichts davon kam zu einem erfolgreichen Abschluss – was letztlich mein und meines heutigen Chefs Glück war. Denn mein Chef ist Direktor des Schweizer Brauerei-Verbands. Er war damals gerade dabei, die Stelle seiner Assistentin neu zu besetzen; meine Vorgängerin hatte im November 2021 gekündigt. Da die Schweizer Bierszene überschaubar ist, kannten wir einander bereits von der Sommelier-Ausbildung. Ihm war mein Post auf Linkedin aufgefallen, in dem ich schrieb, dass ich auf der Suche nach etwas Neuem sei, und er dachte: «Sie ist Assistentin, sie kennt sich mit Bier aus – sie soll sich bewerben.» Also machte ich das und bekam tatsächlich den Job.

Auch wenn ich im kalten Wasser landete, weil meine Vorgängerin nur kurz für die Einarbeitung zur Verfügung stand, gefiel es mir vom ersten Moment an. Weil ich jeden Tag mit jenem Thema zu tun habe, das ich liebe, fallen mir auch die eher trockenen Aufgaben wie Buchhaltung mittlerweile leicht. Im «Haus der Getränke», an meinem Arbeitsplatz, sind mehrere Verbände unter einem Dach vereint; wir arbeiten alle eng zusammen. So habe ich mit dem Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten zu tun sowie mit den verschiedenen Recycling-Verbänden. Die Atmosphäre ist kollegial, wir unterstützen einander und passen auch menschlich gut zusammen.

Mein Aufgabengebiet beim Brauerei-Verband ist vielfältig: Nebst den täglichen Routinearbeiten in einem Verbandssekretariat organisiere ich jährlich mehrere Zertifikatsfeiern der Bier-Sommeliers an verschiedenen Orten der Schweiz. Ich bin zuständig für die Administration rund um die überbetrieblichen Kurse der lernenden Lebensmitteltechnologen Schwerpunkt Bier. Und einmal im Jahr unterstütze ich den Direktor und den Vizedirektor bei der Organisation der Biersaison-Eröffnung, die jeweils Ende April stattfindet: der grösste Anlass der Bierbranche und damit das Jahres-Highlight der Schweizer Bierfamilie. Zudem findet man mich nicht nur im Büro, es kann auch sein, dass ich Bierkisten durch die Gegend schleppe. Genau das gefällt mir an meiner Arbeit: Ich mache keinen klassischen Nine-to-Five-Job, bei dem der Bildschirm den ganzen Tag mein Gegenüber ist, sondern bin zwischendurch auch unterwegs und treffe viele Menschen. Das Organisieren des Bierordensfests alle zwei Jahre gehört auch zu meinen Aufgaben und wenn die Verleihung des Swiss Beer Award ansteht, wandern ebenfalls diverse administrative Aufgaben über meinen Tisch. Während ich mich beim Kanton streng an Prozesse und Reglemente halten musste, kann ich beim Schweizer Brauerei-Verband weitestgehend selbst bestimmen, wie ich meinen Job erledige. Das schätze ich sehr. Wenn es einen Wermutstropfen gibt, dann vielleicht, dass ich jetzt einen längeren Arbeitsweg habe und Vollzeit arbeite, statt der bisherigen 80 Prozent – doch weil ich liebe, was ich tue, nehme ich das gerne in Kauf.

Wie es sich anfühlt, die Leidenschaft zum Beruf machen zu können? So prickelnd wie ein kühles Bier im Sommer.»

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Jelena Martinelli ist selbstständige Texterin bei martinellitext. Sie schreibt leidenschaftlich gerne Blogs und Publireportagen und auch sonst alles, was mit Online-Marketing zu tun hat.

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