iSekretärin

Eine von Deloitte veröffentlichte Studie* beschäftigt sich mit der zunehmenden Automatisierung der Arbeitswelt und zeigt auf, welche Arbeitsplätze in Zukunft wegfallen könnten: «Viele Kategorien mit niedrigem bis mittlerem Ausbildungsniveau wie Hilfsarbeitskräfte oder Bürokräfte im administrativen Bereich. Besonders gefährdet sind Sekretariatskräfte und Bank- und Schalterbedienstete.»

Nach der Outsourcing-Welle folgt nun der Maschinen-Tsunami. Doch grämen Sie sich nicht, denn Sie wissen ja: Veränderungen sind Chancen, die es zu nutzen gilt. Bereiten Sie Ihre Chefs bereits heute auf seine iSekretärin vor, denn die Assistentin der Zukunft ist mit grosser Wahrscheinlichkeit eine App fürs iPhone. Die Aufträge werden via Sprachsteuerung erteilt und rückbestätigt. Der Manager kann zwischen einer sexy Frauenstimme oder der Stimme von Carla Del Ponte auswählen. Das gewünschte Bild dazu kann er sich selbst hochladen.

Weil sich die iSekretärin noch in der Entwicklung befindet, muss der digitalisierte Manager noch ein Weilchen mit der herkömmlichen Vorzimmerdame Vorlieb nehmen. Um die spätere Akklimatisation zu erleichtern, sollte diese jedoch bereits heute mit einem offiziell deklarierten Testlauf beginnen. Der Chef sagt dann zum Beispiel: «Reservieren Sie mir bitte einen Tisch in dem tollen Restaurant oben auf dem Züriberg. Sie wissen schon, es heisst irgendwas mit ‹rot› und ‹Bürste›, glaube ich.» Tätigen sie dann eine  Reservation im Restaurant Rotbrüstchen in Surberg (Bayern) anstatt im Roten Kamm in Zürich! Bei Reklamation erwähnen Sie die Wichtigkeit von deutlicher und genauer Auftragserteilung.

Wenn er das nächste Mal einen Kaffee bei Ihnen bestellt, schicken Sie ihm per E-Mail ein Bild von einem Latte macchiato! Wenn Sie ihm eine Präsentation ausdrucken sollen, geben Sie den Druckauftrag und lassen Sie ihn dann wissen: «Die Präsentation ist jetzt im Drucker abholbereit.» Bei  Anfragen nach Terminen mit wichtigen Leuten lassen Sie Outlook automatisch den nächsten Termin finden, der für alle Teilnehmer passt, und versenden Sie diesen dann ohne Rückfragen für den 31.12.2022. Bei allfälligen Abnutzungserscheinungen respektive Ausrastern Ihres Chefs bleiben Sie gelassen und weisen darauf hin, dass alle Punkte des Auftrags ordnungsgemäss erfüllt wurden, und schlagen vor, dass für zukünftige Aufträge klarere Eckdaten erforderlich sind.
 

«Wenn er das nächste Mal einen Kaffee bei Ihnen bestellt, schicken Sie ihm per E-Mail ein Bild von einem Latte macchiatio!»

Irgendwann wird es dann so weit sein. Vielleicht direkt, nachdem Ihr Manager von einer Geschäftsreise zurückkehrt, für die Sie ihn unter Einhaltung der internen Reiserichtlinie «immer die kostengünstigste Flugroute buchen» von New York nach London über Frankfurt zurück nach Zürich gebucht haben, wo er um 6.00 Uhr früh verschwitzt und zerknittert ankommt und direkt vom Flughafen in die Verwaltungsratssitzung muss, weil das ein Termin ist, der laut Outlook allen passt. Dann ist der Moment gekommen, wo er Sie anflehen wird, bitte endlich wieder eine normale Assistentin zu werden.

Würdevoll werden Sie erklären: «Natürlich kann ich meine mir angeborenen Zusatzfunktionen wie vernetztes Denken, vorausschauend planen, diplomatische Dialoge führen, Hilfsbereitschaft, Flexibilität, Humor sowie meine physische Präsenz wieder aktivieren. Und wenn Sie bei sich die Empathie-Funktion ‹verbale Wertschätzung› und ‹angemessene Assistentinnen-Boni› in Betrieb nehmen, dann garantiere ich Ihnen, dass meine Kolleginnen und ich dafür sorgen, dass die iVorzimmerschlampe Geschichte ist, noch bevor sie bei Apple mit ihren virtuellen Highheels vom Hof staksen kann.» 

* Mensch und Maschine: Roboter auf dem Vormarsch?
Folgen der Automatisierung für den Schweizer Arbeitsmarkt / Deloitte AG / 2015

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Tamara Krieger arbeitet seit vielen Jahren als Geschäftsleitungsassistentin in einem grossen multinationalen Dienstleistungsunternehmen.

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