Porträt

Im Club der gelben Engel

Kerstin Panchaud arbeitet seit sieben Jahren für den Touring Club Schweiz. Ein Auto zu reparieren, hat sie noch nicht gelernt, doch ihr Job als Assistentin des Generaldirektors verschafft ihr sehr interessante Einblicke in eine Organisation, die weit mehr als Pannenhilfe anbietet. 

Kerstin Panchaud hat es nach einem langen Arbeitstag auf einem Parkplatz erwischt. Sie setzte sich ins Auto, drehte den Schlüssel und wollte nach Hause zu ihrer Familie fah­ren. Doch nichts passierte. Der Motor sprang einfach nicht an. Kerstin Panchaud hat nicht viel Ahnung von Autos. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als beim Pannendienst des TCS anzurufen. «Ich habe den Test also gemacht», sagt sie und lacht. «Und ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht bevorzugt wurde und gleich lange auf eine Patrouille warten musste wie alle anderen auch an diesem Abend.»
 
Der Unterschied war nur: Kers­tin Panchauds Auto stand in der Garage des Hauptsitzes des Touring Club Schweiz. Seit sieben Jahren arbeitet sie dort als Assistentin des Generaldirektors. Mit den Patrouilleuren hat sie bei ihrer täglichen Arbeit nichts zu tun. «Aber man kennt sich», erzählt sie im Büro ihres Chefs. Bereits fünf verschiedene Männer sassen auf dem Chefsessel, seit sie da ist. «Das hat sich so ergeben, auch aufgrund von Ad-Interim-­Besetzungen.» Kerstin Panchaud nahm es gelassen. «Ich bin wahrscheinlich wirklich anpassungsfähig», schmunzelt sie. Und fügt etwas ernster an, dass man auch für Chefwechsel Übung bekäme. 
 

«Jeder kennt den TCS und hat ein positives Bild von uns. Das macht Freude.»

 
Die grosse Glasfront im Büro im siebten Stock gibt den Blick frei auf das Genfer Aussenquartier, den Verkehr eines Industriebezirks, die hohen Häuser grosser Firmen wie Ikea und die Bewegungen des nahen Flughafens: Alle paar Minuten steigt schwerfällig ein Flugzeug zum Himmel. Alles scheint hier in Bewegung zu sein. Ein perfekter Ort für einen Verband, der sich der Mobilität verschrieben hat. Kerstin Panchaud kann der Gegend auch persönlich viel abgewinnen. «Für mich ist Genf ein idealer Arbeitsort. Hier kann ich bei meiner Arbeit Deutsch und Französisch sprechen, was ich sehr schätze.» Dass sie beim TCS gelandet ist, war ein glücklicher Zufall. Nein, sie habe keinen besonderen Bezug zu Autos: «Um beim TCS zu arbeiten, ist das aber auch nicht zwingend notwendig.»
 

Ursprünglich für Zweiräder

Angefangen hat beim TCS nämlich sowieso alles ganz anders. Obwohl jede Schweizerin und jeder Schweizer die gelben Patrouillenautos kennt und den Club sofort mit allem rund ums Auto in Verbindung bringt, wurde er von Liebhabern der nicht-motorisierten Fahrzeuge gegründet. 205 Genfer Velofahrer riefen den Touring Club Schweiz 1896 ins Leben. Ihr Ziel: den Fahrradtourismus zu fördern. Daraus wurde eine Erfolgsgeschichte, die sich die kleine Runde wohl in ihren kühnsten Visionen nicht hätte vorgestellen können: Heute hat der TCS 1,5 Millionen Mitglieder und beschäftigt 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.Über 220 Patrouilleure helfen bei Pannen in der Schweiz und in verschiedensten Ländern weltweit wurden Partnerorganisationen nach dem Vorbild des TCS gegründet. In der 120-jährigen Geschichte ist aus einer Westschweizer Fahrradvereinigung ein international bekannter, breit gefächerter Club geworden. Dazwischen liegen viel Arbeit und – viel Auto. Mit dem zumehmenden Aufkommen der motorisierten Vierräder wurden Automobilisten bereits 1901 in den Club aufgenommen. Die erste Dienstleistung für sie: ein Verzeichnis aller Orte, an denen man Benzin kaufen konnte. 
 

Ausser Dienst

Das wollte ich als Kind werden: Schauspielerin! Ich habe mich bereits früh sehr gerne und häufig verkleidet und habe bis ins Gymnasium Theater gespielt. Später habe ich auch einmal eine Theater AG geführt.
Diese Person würde ich gerne einmal treffen: Marie Curie. Leider ist das bekanntlich nicht mehr möglich. Aber ihre wissenschaftliche Arbeit, ihre Vorreiterrolle als Frau und ihr Mut beeindrucken mich sehr. Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis erhalten hat.
Diesen Traum würde ich mir gerne erfüllen: Seelöwen in Patagonien beobachten. Zum vierzigsten Geburtstag habe ich mir den Wunsch erfüllt, mit ihnen zu schwimmen. Im Connyland kann man einen Tag lang Seelöwentrainerin sein und auch mit den Tieren ins Wasser. Das war ein unvergessliches Erlebnis. Zu meinem fünfzigsten Geburtstag möchte ich sie gerne in der Wildnis sehen.
Diesbezüglich wurde ich weiser: Obwohl ich eigentlich eine absolute Planerin bin, habe ich irgendwann realisiert, dass es wichtiger ist, im Moment zu leben. Im Jetzt nicht abzuschweifen, ist gar nicht so einfach, aber man kann es üben.
Das würde ich gerne noch lernen: Lastwagen fahren. Einfach so.

 
«Zu unserem Jubiläum im vergangenen Jahr haben wir uns wieder auf unsere Wurzeln besonnen», erzählt Kerstin Panchaud. «Mit der Bike Assistance haben wir einen 24-Stunden-Pannendienst für Velo- und E-Bike-Fahrer eingeführt.» Sie passt zur Philosophie des TCS, für alle Arten von Mobilität ein zuverlässiger Partner zu sein und sie breit und umfassend zu fördern und sicherer zu machen. Der TCS bietet denn auch viel mehr als Pannenhilfe. Zum Portfolio gehören unter anderem Fahrtrainings auf eigenen Anlagen, Rechtsschutz, Fahrzeugversicherungen und weltweiter Reiseschutz, weltweite medizinische Transporte, zwei Hotels sowie 24 Campingresorts in der Schweiz. «Obwohl wir eine unternehmerisch handelnde Organisation sind, ist der Clubgedanke erhalten geblieben. Das macht die Arbeit beim TCS sehr spannend und abwechslungsreich. Die Stimmung ist locker und offen, es herrscht ein guter Teamgeist.» 
 
 

Die gelben Autos im Genfersee

Ihr Job sei der einer klassischen Direktionsassistentin. Die meiste Zeit bedeutet das, ­E-Mails schreiben, die Agenda führen, Sitzungen vor- und nachbereiten sowie Kaderseminare organisieren. Die vielen Einblicke und das entgegengebrachte Vertrauen, das Kers­tin Panchaud dabei geniesst, schätzt sie sehr. «Ich habe das Gefühl, ich werde gefordert, und es wird viel von mir verlangt. Das gefällt mir.» Das anfallende Arbeitsvolumen ist gross und nicht für eine Person allein zu bewältigen. Die 41-Jährige erhält deshalb Unterstützung von ihrer Mitarbeiterin Claudia Sangiorgio. «Ich arbeite 80 Prozent, Claudia 50. Wir sind eine Art Doppelsekretariat, obwohl Claudia in Bern arbeitet. Sie unterstützt mich im Alltag und vertritt mich an meinem freien Tag, in den Ferien und bei Krankheit», erklärt Kerstin Panchaud. Claudia Sangiorgio weiss über alles Bescheid und kann jederzeit sofort unterstützen und einspringen. «Klar braucht es Absprachen und Koordination, aber die Vorteile eines so guten Back-ups überwiegen.» Schwieriger, als die Arbeit mit einer Kollegin zu teilen, fand sie die Erfahrung an einer früheren Stelle, wo sie für mehrere Chefs arbeitete. «Das fand ich sehr anspruchsvoll. Beim TCS mache ich zwar viel für die Geschäftsleitung, dennoch bin ich ausschliesslich für den Generaldirektor zuständig.»
 

Zur Person

Kerstin Panchaud ist in Deutschland in der Nähe von Nürnberg aufgewachsen. Nach ihrem Abitur lernte sie bei einem Frankreich-Aufenthalt als Au-pair ihren Mann kennen. Zurück in Deutschland absolvierte sie das Lehramt für Deutsch und eine Ausbildung zur Fremdsprachen-Korrespondentin, zog jedoch nach dem Abschluss 1999 in die Region Genf. In der Schweiz bildete sie sich zur Direktionsassistentin mit eidg. Fachausweis weiter und arbeitete eine Zeit lang als Verkaufsassistentin in Frankreich, als Assistentin bei Mazda in der Schweiz und als Direktionsassistentin in einem Ingenieurbüro, bis sie 2010 als Assistentin für den Generaldirektor zum Touring Club Schweiz wechselte. Kerstin Panchaud lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Frankreich.

 
Energie gibt ihr beim TCS zudem, dass sie zu 100 Prozent hinter dem Produkt stehen kann. Mehr noch: «Ich bin stolz auf unsere Dienstleis­tungen und freue mich immer, wie wohlgesinnt uns die Menschen begegnen.» Die Leute würden durchwegs positiv reagieren, wenn sie den TCS mit dem Motto «Immer an meiner Seite» sehen. Von vielen würden die Mitarbeiter der Pannenhilfe liebevoll die «gelben Engel» genannt. Vor kurzem konnte die Direktionsassistentin diese positive Einstellung der Leute gegenüber dem TCS persönlich erfahren, als sie als passionierte Schwimmerin mit ein paar Teamkollegen am Coupe de Noël teilnahm. An diesem traditionellen Weihnachtsschwimmen müssen 120 Meter im Genfersee zurückgelegt werden. «Wir trugen gelbe Westen und hatten gelbe aufblasbare Autos dabei. Die vielen positiven Reaktionen der Zuschauer waren super schön. Jeder kennt den TCS und hat ein positives Bild von uns. Das macht Freude.» Übrigens: Seither schwimmt sie diese 120 Meter im Genfersee zusammen mit einem Arbeitskollegen mindestens einmal im Monat – auch im Winter. Dann allerdings inkognito. 
 
 
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