Hilfe, mein Chef ist introvertiert
Wenn Sie sich manchmal fühlen, als redeten Sie gegen eine Wand, ist Ihr Chef möglicherweise introvertiert. Mit ein paar einfachen Tipps kommen Sie trotzdem zu den Informationen, die Sie brauchen und schaffen sich so einen Arbeitsplatz mit vielen Freiräumen. Ein Coach gibt Rat.
Der Fall
Michelle W. kann die Worte, die ihr Chef jeden Tag zu ihr sagt, fast abzählen. Er lässt sie mit ihrer Arbeit nahezu völlig allein und informiert sie nur sehr sporadisch über neue Entwicklungen. Seine E-Mails hat er ihr nicht freigegeben, ihr fehlen wichtige Informationen, um die Arbeit zu machen. Dass sie auf Echo oder gar Lob meist vergeblich wartet, ist nur die Spitze des Eisbergs. Manchmal fühlt sie sich, als rede sie mit einer Wand.
Das rät der Coach:
Etwa 25 Prozent aller Menschen gelten als introvertiert. In Unternehmen sind sie eher diejenigen, die eine klassische Fachkarriere machen. Werden sie jedoch in eine Führungsposition befördert, dann meist aus gutem Grund. Viele meinen, Introvertierte seien schüchtern oder egozentrisch. Dabei sind sie vor allen Dingen eines: selbstgenügsam. Sie haben ein reiches Innenleben und beziehen daraus ihre Energie. Es strengt sie an, viele Menschen um sich herum zu haben oder mit Informationen überflutet zu werden.
Eine Assistentin mit einem introvertierten Chef sollte versuchen, die Vorteile zu sehen: Bei einem introvertierten Chef können viele Gestaltungsfreiräume entstehen, in denen sie sich austoben kann. Wichtig dafür: Zumindest den Zugriff auf seine E-Mails sollte er ihr gewähren. Denn dann werden im Hintergrund viele Strippen für ihn gezogen und er muss weniger kommunizieren.
Hier ein paar Tipps, wie man mit Introvertierten umgehen kann:
- Versuchen Sie sich in seine Situation zu versetzen. «Was wäre, wenn es Sinn macht, wie er sich verhält und was er sagt?» Oft unterstellen wir lieber das Negative, das ist einfacher, als sich zu fragen: Warum ist es gut, dass er eher in sich gekehrt ist und länger braucht, bis er eine Entscheidung treffen kann?
- Schlagen Sie Spielregeln vor, die Sie unabhängiger machen und ihn nicht überfordern. Sagen Sie ihm beispielsweise, dass Sie davon ausgehen, dass er sich meldet, sobald er etwas an Ihrer Arbeit nicht in Ordnung findet.
- Verpacken Sie Informationen in kleine und gut strukturierte Pakete. Überlegen Sie sich vor einem Gespräch genau, was Sie von Ihrem Chef wollen und holen Sie das gezielt ab. Je eher Sie zum Punkt kommen, desto früher kann er wieder in Ruhe denken. Denn diese Zeiten sind wichtig für ihn.
- Wenn er einmal aus seinem Schneckenhaus kommt, hören Sie ihm gut zu, fassen Sie zusammen, was Sie verstanden haben, aber unterbrechen Sie ihn nicht vorschnell.
- Helfen Sie Ihrem Chef, Freiräume in seiner Agenda zu behalten und quetschen Sie nicht zu viele Termine in einen Tag. Er braucht die Verschnaufpausen zwischendurch, um zu funktionieren und es hilft ihm, wenn das jemand für ihn kommuniziert.
Die Aufgabe einer Assistentin ist es, ihren Chef so zu entlasten, dass er in Ruhe arbeiten kann. Ein introvertierter Chef kann möglicherweise nicht genau sagen, was das für ihn heisst. Eine gute Assistentin beobachtet, was ihr Chef braucht: Wann er sich zurückzieht, worauf er wie reagiert, was ihn überfordert. Eine kommunikative Assistentin passt eigentlich sehr gut, denn sie kann viel abfangen.
Aber: Wenn Ihnen wichtige Informationen fehlen, um Ihre Arbeit zu erledigen, ist Zurückhaltung der falsche Ansatz. Machen Sie Ihrem Chef klar, dass es ihm letztlich hilft, wenn er sich Ihnen gegenüber ein wenig öffnet. Dann hat er vor anderen eher seine Ruhe.