Hilfe, mein Chef ist eine Frau
Assistentinnen wünschen sich oft einen männlichen Chef. Dabei hat auch die Zusammenarbeit mit einer Frau ihre Vorteile. Allerdings müssen dafür die Beziehungsebenen geklärt sein.
Der Fall:
Henriette Geissbühler arbeitet seit fast 15 Jahren bei der 0815 AG. Seit neuestem hat sie zum ersten Mal eine weibliche Vorgesetzte. Diese ist gut zehn Jahre jünger und bislang die einzige Frau in der Geschäftsleitung. Mit ihren Sorgen und Nöten, die die neue Position mit sich bringen, jammert die neue Chefin gern bei ihrer Assistentin. Doch Henriette Geissbühler weiss nicht, wie sie mit den Emotionen umgehen soll. Zwar mag sie ihre Chefin, aber bislang hat sich noch kein Chef so verhalten.
Das rät der Coach:
Frauen, insbesondere solche in Vorgesetztenposition, müssen in der noch immer männerdominierten Businesswelt mithalten. Die Kultur, der Ton, die Themen sind dort meist andere, als sie Frauen untereinander pflegen. Das ist eine Tatsache. Viele Frauen in Chefetagen spielen nach Regeln, die sie so nie aufgestellt hätten.
Klar, dass sie manchmal einen Rückzugsort brauchen. Und diesen suchen sie nicht selten bei einer anderen Frau – wie im Fall von Henriette Geissbühler. Durch diese Art des emotionalen Austauschs erhofft sich die Chefin emotionale Nähe und Verständnis. Das ist eine natürliche Reaktion und diese Art der Kommunikation ist es auch, die die Beziehung unter Frauen stärkt. Gleichzeitig stellt das «Ausheulen» aber eine leichte Grenzüberschreitung dar und es stellt sich die Frage, ob eine Chefin die professionelle Ebene verlassen soll.
Grundsätzlich ist das sicher kein Problem, wenn die Assistentin ihrer Chefin in emotionalen Belangen ein Ohr leiht. Vorausgesetzt, dass es charakterlich zwischen den beiden passt. In diesem Fall können die beiden mit der Zeit ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zueinander entwickeln.
Ein Problem kann vor allem dann entstehen, wenn die verschiedenen Rollen vermischt werden. Während bei Männern sehr schnell geklärt wird, wer im Ranking über dem anderen steht, läuft das bei Frauen eher verdeckt ab. Überhaupt ist es sehr viel instabiler, wer gerade das Sagen hat und es kann sich im Verlauf der Zeit auch ändern. Das gilt aber nur ausserhalb fixer Strukturen. In Unternehmen, wo Strukturen fix vorgegeben sind, wird nicht ausgehandelt, wer gerade den Lead hat. Das gibt das Organigramm vor. Dennoch können und sollen Frauen ihre Natur nicht immer verleugnen und so kommt es zur erwähnten Rollenvermischung. Dann ist nicht immer klar, in welcher Rolle die Chefin gerade zur Assistentin spricht. Will sie sich einfach «unter Frauen» mal auslassen oder geht es um ein konkretes Problem, das die Arbeitsabläufe betrifft? Das Einzige, was hilft: Klarheit schaffen.
Wenn, wie im obigen Fall, die Chefin vielleicht noch nicht so reflektiert ist wie ihre erfahrene Assistentin, darf diese auch ruhig das Zepter in die Hand nehmen. Die Assistentin könnte zum Beispiel wie folgt auf ihre Chefin zugehen: «Was du mir vorhin von Frau zu Frau anvertraut hast, verstehe ich gut und das bleibt auch bei mir. Als deine Mitarbeiterin brauche ich aber jetzt Informationen, wie wir weiter vorgehen. Was kann ich tun, damit du deine Arbeit besser machen kannst?» Klarheit ist in fast allen Situationen der beste Weg und die Deklaration der Schlüssel zur guten Zusammenarbeit zwischen zwei Frauen.
Eine erfahrene Assistentin kann so ein wenig zum Coach ihrer jüngeren Chefin werden und ihr helfen, Stolpersteine im Job besser aus dem Weg zu räumen und eine bessere Chefin zu werden. Das hilft nicht nur der Chefin, sondern auch indirekt der Assistentin, sich ein angenehmeres Arbeitsumfeld zu schaffen, das sowohl von Vertrauen als auch Klarheit geprägt ist.