Ethik in Unternehmen

Harte Schale, ethischer Kern

Das Zürcher Unternehmen Pakka AG importiert Nüsse mit dem Ziel, die Bauern in den Herkunftsländern sinnvoll zu unterstützen, damit sie sich eine selbständige Existenz aufbauen können. Bio und Fairtrade sind selbstredend für das Unternehmen, das seit zehn Jahren in einem harten Businessumfeld ethisch wirtschaftet.

Die Freude war gross bei der Pakka AG in Zürich, als im Januar der Brief aus Deutschland kam: Nominiert unter den ersten drei für den deutschen Fairtrade-Award, stand da geschrieben. Pakka-Geschäftsführer Tom von Euw kann es noch immer kaum glauben: «Ich war sehr überrascht, dass wir es so weit nach vorne schafften. Vor allem bei dieser Konkurrenz.» Mitbewerber des Zürcher KMU mit sechs Mitarbeitenden sind die Grosskonzerne Aldi und REWE. «Eigentlich eine andere Liga», sagt von Euw.

Doch Pakkas jüngster Erfolg und ein Meilenstein in der Firmengeschichte hat die Jury überzeugt. Von Euw zeigt ein Kokosöl im Glas. Optisch durchaus ansprechend, aber nicht ganz perfekt: Der goldige Deckel ist leicht zerkratzt, die Etikette klebt nicht in der Mitte, bei der Beschriftung am Glas hat es eine Falte gegeben. Der Chef ist trotzdem stolz: «Naja, in den Coop kommen wir damit nicht. Aber es ist unser erstes Produkt, das vollständig in Indien hergestellt wurde und fixfertig in die Schweiz geliefert wird.» Vom Anbau der Kokosnüsse über die Verarbeitung zum Öl bis hin zur Verpackung wurde alles von der lokalen Bevölkerung vor Ort gemacht – damit bleibt auch die gesamte Wertschöpfung im Land. Wen kümmern da noch kleine Schönheitsfehler?

Vertrauen als Basis

Dabei ist Kokosöl gar nicht Pakkas Kernkompetenz. Die steckt nämlich in Nüssen. Die Gründer Ueli Baruffol und Balz Strasser haben vor zehn Jahren als Mini-Start-up angefangen, Cashewnüsse aus Indien in die Schweiz zu importieren. Das Ziel ist dabei, den lokalen Bauernkooperativen eine Existenz zu ermöglichen. Unter anderem durch Abnahmegarantien und Vorfinanzierungen. Für dieses Geschäftsmodell und ihr Engagement wurde Pakka 2012 mit dem Swiss Ethics Award ausgezeichnet.

Pakka selbst baut ihre ethischen Grundprinzipien auf vier Säulen auf. Die beiden offensichtlichsten sind der Fairtrade- und Biogedanke, und zwar in der gesamten Wertschöpfungskette, also vom Pflanzen der Samen bis zum Transport der Nüsse nach Europa. Um das zu gewährleisten, arbeitet Pakka bei den meisten Produkten mit bekannten Labels zusammen. «Deren Teams überprüfen auch, ob die Vorgaben vor Ort eingehalten werden», sagt von Euw. Pakka schickt zusätzlich jedes Jahr einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zu jedem Projekt. «So bekommen wir ein Gefühl dafür, wie die Stimmung ist und wie es den Arbeitnehmern geht. Aber eine hundertprozentige Sicherheit, dass nie irgendwo betrogen wird, gibt es nicht.» Eine der zuverlässigsten Voraussetzungen, dass die Werte eingehalten werden, sind für von Euw langjährige Partner. «Wir pflegen zu all unseren Geschäftspartnern persönliche Beziehungen und arbeiten seit Jahren mit ihnen zusammen. Es sind Leute, zu denen wir Vertrauen aufbauen konnten. Das ist ein sehr wichtiger Faktor, um ethische Werte verfolgen zu können.»

Pakka berät die Partner, wie sie die Zertifizierung für ihre Produkte erhalten und warum diese wichtig ist. Die Initiative muss aber von den lokalen Produzenten selbst kommen, wie Anna Beerli, die bei Pakka für den Handel und die Kunden im Grosshandel verantwortlich ist, erklärt: «Wir stellen keine europäischen Experten und Ingenieure, die den Lead vor Ort übernehmen. Damit versuchen wir den Ursprungsländern langfristig zu helfen – indem sie unabhängig bleiben.» Für Beerli die einzig richtige Lösung. Eine aber, die viel Zeit und Geduld braucht.

Veranschaulicht wird das perfekt mit dem neuen Kokosöl. Zehn Jahre hat es gedauert, bis Pakka das Bestreben, Produkte wenn möglich in den Ursprungsländern marktreif zu machen, bei einem Artikel umsetzen konnte. «Die Schwierigkeit bei umfassenden lokalen Produktionen liegt vor allem in der Aufrechterhaltung der Qualität über mehrere Lieferungen», erklärt von Euw. Da würden kulturelle Unterschiede eine Rolle spielen, wie auch das hohe Mass an Perfektion, das vom europäischen Markt erwartet wird.

Und trotzdem ist es für von Euw der einzig richtige Weg: «Persönlich finde ich es fraglich, wie Westeuropa von fairem Handel spricht, wenn bei einem Nahrungsmittel der grösste Teil des Geldes beispielsweise in der Schweiz gemacht wird – durch die hohe Marge des Verkäufers.»

Bio kann man lernen

Oft scheitert es auch gar nicht an den lokalen Produzenten selbst, dass sie ihre Produkte nicht über Pakka verkaufen können. Beerli, die sich zurzeit vor allem mit Haselnüssen aus Georgien beschäftigt, kämpft an einer anderen Front: «Wir arbeiten seit zwei Jahren daran, die Nüsse nach unseren Standards importieren zu können. Das grösste Problem ist im Moment, dass Fairtrade gar keine Richtlinien für Haselnüsse hat.» Pakka macht Druck, diese Richtlinien auszuarbeiten. Doch das Zürcher KMU hat einen starken Gegner: Die Schokoladenindustrie ist ganz zufrieden, dass es bis jetzt keine Fairtrade-Haselnüsse gibt. «Wir geraten oft in solche politischen Interessenskonflikte», sagt Beerli.

Ob es je funktionieren wird, die Haselnüsse in der Schweiz mit Fairtrade-Logo zu verkaufen, ist ungewiss, obwohl Pakka seit zwei Jahren viel Geld, Engagement, Manpower und auch Ideen in das Projekt steckt. Für von Euw ist aber genau das auch eine wichtige Komponente von ethischem Wirtschaften: «Unser dritter Ethik-Pfeiler heisst Mut. Unternehmen sollten den Mut haben, nicht nur Projekte voranzutreiben, die mit Sicherheit Gewinn bringen, sondern auch Risiken auf sich nehmen, die bei Erfolg vielen helfen könnten.» Erfolg versteht er dabei nicht nur monetär. «Rein von der Wirtschaftlichkeit her gesehen könnten wir sicher erfolgreicher sein. Für uns zählt aber, was wir in einzelnen Ländern erreicht haben. Da sind wir durchaus erfolgreich.»

Denn obwohl immer mehr Menschen sensibilisiert sind auf Themen wie Fairtrade und Bio, sind nur wenige bereit, für solche Produkte auch mehr zu bezahlen. «Bei der Kommunikation zum Endkunden stehen wir an», gibt von Euw zu. Interessierte finden bei Pakka schon auf der Website alles gut dokumentiert. Die Botschaft aber an weniger Interessierte zu bringen und ihnen verständlich zu machen, warum sie für die Nüsse mehr bezahlen, ist eine der grössten Herausforderungen.

Stellt sich auch die Frage, ob es nicht ethischer wäre, wenn faire Produkte auch für Menschen mit geringerem Einkommen erschwinglich sind. «In der Schweiz wird vergleichsweise wenig Geld für Lebensmittel ausgegeben. Wir sollten uns überlegen, was uns gute Nahrungsmittel wert sind. Aber natürlich wäre es schön, Bio und Fairtrade für alle möglich zu machen», findet von Euw. Das führe wieder zur Frage, wer in der ganzen Kette am meisten verdiene, und das sei definitiv der Händler am Schluss. «Daran wird sich kaum etwas ändern.»

Von Euw sagt von sich, wenig idealistisch zu sein. «Ich hatte vor ein paar Jahren mit Bio selbst noch nichts am Hut. Das kann man lernen», lacht er. Inzwischen ist er überzeugt, dass Bio- und Fairtrade-Lebensmittel besser schmecken. Das führt zur vierten Ethik-Säule von Pakka: Leidenschaft. Von Euw hat sie gefunden. «Man muss die Werte selber leben und eine Passion haben für das, was man tut. Nur so ist man authentisch. Und das ist wichtig beim Thema Ethik.»

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