Incentives erfreuen sich nach wie vor grosser Beliebtheit – und das zu Recht. Denn sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie die Motivation und sorgen für ein besseres Betriebsklima. Aber Ausschweifungen aller Art inklusive Sex-Partys oder luxuriöser Alpen-Events haben das Instrument in Verruf gebracht. Kein Unternehmen möchte sich in den Schlagzeilen sehen, weil die Vertriebler eine wilde Sause gefeiert haben oder gar unter Korruptionsverdacht geraten, weil Auftraggeber über Gebühr hofiert wurden. Immer häufiger werden deshalb Incentives und ähnliche Veranstaltungen unter Compliance-Gesichtspunkten stark reguliert. «Das ist erstmal eine gute Entwicklung», findet Prof. Dr. Hans Rück, einer der führenden Experten für Event Compliance im deutschsprachigen Raum. Denn auch dienstliche Reisen und Veranstaltungen müssten sich im Rahmen der geltenden Gesetze und im Einklang mit ethischen und moralischen Normen der Gesellschaft und den eigenen Unternehmenswerten bewegen. «Im Grunde geht es darum, dass die Unternehmen ihre öffentlich verkündeten Werte auch wirklich leben», erklärt er. Und Fotos von betrunkenen Vertrieblern mit Prostituierten im Thermalbad passen nicht zu einem Unternehmen, dass sich nach aussen seriös präsentiert. Die deutsche Ergo-Versicherung kann ein Lied davon singen, hat sie doch genau durch solche Vorkommnisse einen massiven Imageschaden erlitten.
Abstruse Richtlinien
Ausschweifungen aller Art stehen seitdem unter strenger Beobachtung und gelten als No Go. Doch die Reaktion vieler Unternehmen geht dem Experten Rück zu weit. «Statt dafür zu sorgen, dass Incentives künftig im Einklang mit sinnvollen Compliance-Regelungen stehen, haben viele das Instrument Incentive gleich ganz abgeschafft und betreiben Überregulierung», sagt er. So gibt es Unternehmen, die es den Mitarbeitern untersagen, sich nach erfolgreichem Abschluss eines Projektes vom Kunden zum Abendessen einladen zu lassen. Als drastischstes Beispiel nennt Rück aber die Vorschriften für die Bewirtung an Kongressständen in Deutschland, die ihn an Kafka erinnern. «Da wird dann festgelegt, dass ein belegtes Brötchen für drei Euro okay ist, ein Mini-Flammkuchen im selben Wert aber nicht», sagt er. Mit solchen kleingeistigen und bürokratischen Regelungen werde das Thema Compliance an sich ruiniert, warnt Rück. Ob die Kunden Mini-Flammkuchen oder Brötchen essen würden, mache hinsichtlich des ursprünglichen Gedankens von Compliance keinen Unterschied. «Das sind zum Teil abstruse Richtlinien, die nichts als Hilflosigkeit demonstrieren», sagt er. In der Schweiz sei man bei dem Thema allerdings nach wie vor toleranter als in Deutschland. «Den Apéro kann man hier nicht verbieten», meint Rück lachend dazu.
Klare Abstufungen nötig
Ein weiterer Kritikpunkt des Experten ist, dass häufig mit zwei unterschiedlichen Massstäben gemessen werde. «Da darf die Geschäftsleitung mit Ausnahme-Genehmigung immer noch teuer essen gehen, bei Mitarbeitern werden aber Höchstwerte von 50 Euro festgelegt», beschreibt er seine Beobachtungen. Es sei zwar richtig, dass die Grenzwerte sozial angemessen und damit verschieden seien, allerdings müsse das auch transparent kommuniziert werden. Er plädiert für klar definierte Abstufungen für Mitarbeiter, Abteilungsleiter und für die Führungsriege. Mit gut durchdachten Grenzwerten seien Ausnahmen dann gar nicht mehr erforderlich und die nötige Transparenz sei auch erfüllt. So, wie Compliance im Eventbereich momentan betrieben werde, sei sie nicht mehr als Symbolpolitik bei kleinen Dingen, während die relevanten Stellen nicht angegangen würden. «Wenn Feiern verboten werden und Korruption geduldet wird, ist das populistisch und nichts als Make-up», sagt er ärgerlich.
So wird ein Event Compliance-tauglich
Zweck: «Ein Dankeschön für eine bereits erfolgte Gesamtleistung ist grundsätzlich in Ordnung», erklärt Rück. Ein Ausflug zur Feier eines erreichten Jahresumsatzziels zum Beispiel erfüllt dieses Kriterium und ist deshalb erlaubt. Ebenso ist es okay, einen Geschäftspartner rückwirkend für seine Treue zu belohnen. Events in Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe, laufenden Verhandlungen oder als Belohnung für einzelne Aufträge dagegen sind tabu. Das könnte die Entscheidung beeinflussen und dem Verdacht der Korruption Vorschub leisten.
Inhalt: Bei einem Event darf es nicht in erster Linie um Unterhaltung gehen, stattdessen müssen die Unternehmensbotschaften im Mittelpunkt stehen. Das gilt auch und gerade für Incentives, die keine reinen Spass-Veranstaltungen mehr sein sollten. Ein Rahmenprogramm rund um einen Vortrag, eine Fortbildung oder Betriebsführung ist okay, geschäftsferne Partys oder ausufernde Luxusreisen ohne Unternehmensbezug sind dagegen eher nicht Compliance-konform.
Zielort: Unter Compliance-Gesichtspunkten sollte man ein Reiseziel mit inhaltlichem Bezug zum Unternehmen finden, dass von den Teilnehmern trotzdem als Belohnung empfunden wird. Die touristische Attraktion oder der Unterhaltungswert eines Ziels spielt also eine Nebenrolle, ist aber kein Ausschlusskritierium.
Gegenwert der Einladung: Der materielle Gegenwert sollte der Bedeutung des Empfängers für das Unternehmen angemessen sein. Erzielen einige Vertriebler mehr Umsatz als andere, darf ihr Event auch mehr kosten, sofern das vorher klar kommuniziert wird und die Höhe der Belohnung nachvollziehbar ist. Ebenso dürfen langjährige Geschäftspartner anders belohnt werden als die, mit denen man bisher noch nicht viel zu tun hatte. Wer den Gegenwert ungeachtet der Verhältnismässigkeit begrenzt, der riskiert es, die Eingeladenen zu brüskieren.
Ehe- und Lebenspartner: Mittlerweile wird die Mitnahme von Ehe- und Lebenspartnern häufig von vorneherein untersagt, um persönliche Vorteilsnahme auszuschliessen. Je nach Art der Veranstaltung kann die Teilnahme der Partner aber sinnvoll sein. Wer tanzt schon gern allein? Viele Unternehmen verlangen von den Eingeladenen eine Zuzahlung, wenn der Partner dabei ist. Doch das schmälert die Belohnungswirkung. Rück empfiehlt deshalb, den Einzelfall zu betrachten und genau abzuwägen, ob die Mitnahme der Partner dem Zweck der Veranstaltung dient und das Budget trotzdem im angemessenen Rahmen bleibt. Dann sei dagegen nichts einzuwenden.
Die Skandale der vergangenen Jahre hätten aber gezeigt, dass ein Umdenken ohne Compliance-Regeln schwer sei. «Mit klaren Unternehmensrichtlinien kann man die Mitarbeiter auch jenseits der Gesetze zu Wohlverhalten verpflichten», erklärt er den Vorteil. Der Event der Zukunft müsse transparent und sauber ablaufen, sachlich und finanziell angemessen sein und der Kommunikationsstrategie des Unternehmens entsprechen. Umgekehrt sei es Aufgabe der Compliance-Verantwortlichen, Mass zu halten. Denn ein Event, der dem Eingeladenen nichts mehr bietet, erfüllt seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr.