Teilen statt Besitzen

Geteiltes Gut ist ganzes Glück

Share Economy heisst der Trend, der unser Konsumverhalten auf den Kopf stellt. Teilen statt Kaufen ist die Devise. Andreas Amstutz und sein Team haben dafür das Schweizer Portal sharely.ch entwickelt, wo man eine Bohrmaschine ausleihen oder mit der eigenen Crêpepfanne Geld verdienen kann.

Angefangen hat alles im Web. Ausgerechnet das Computerzeitalter und Social Media, die oft für eine Entfremdung der Menschen in der realen Welt verantwortlich gemacht werden, sorgen nun dafür, dass wir wieder sozialer werden. Denn der technologische Fortschritt hat einer eigentlich uralten Wirtschaftspraxis wieder Leben eingehaucht: dem Teilen.

Die ersten Schritte in die neue Grosszügigkeit haben wir mit Musik, Fotos, Wissen, und auch Freuden und Sorgen gemacht. Über Musikportale, Instagram, Facebook und Co. haben wir mehr oder weniger bewusst mit einer virtuellen Community geteilt. Später sind Autos, Wohnungen und Co-Working im realen Alltag dazugekommen. Und die Entwicklung geht weiter. Wer heute modern ist, besitzt weniger und teilt mehr. Damit lassen sich hart verdientes Geld und natürliche Ressourcen sparen. Das kommt an in Zeiten von Wirtschaftskrisen und Umweltproblemen. Und es tut nicht nur dem Gewissen gut, sondern auch dem Gemüt. Weil Menschen in der Nachbarschaft nach Jahren der Anonymität wieder miteinander in Kontakt kommen. Und sei es nur über eine Bohrmaschine, dem «Teil-Klassiker».

Hippe Menschen haben ein Mobility-Abo statt einen eigenen VW, wohnen in den Ferien in fremden Wohnungen statt in Hotels und teilen Essensreste nach einer fetten Party mit Nachbarn, statt sie wegzuwerfen. Share Economy wird die neue Wirtschaftsform genannt. «Teilen gilt heute als Zeichen von Intelligenz und ist darum sexy», kommt das Gottlieb Duttweiler Institut in seiner repräsentativen Studie «Sharity» zum Schluss. Die Trendforschungsstätte sieht ein grosses Potenzial für Service-Leistungen aller Art, die das Teilen oder Vermieten erleichtern.

Das Hausgut der Nachbarschaft

Auch Andreas Amstutz glaubt an eine grosse Zukunft für das Teilen. «Wenn die Amerikaner ihr Heiligstes – das Auto und das Bett – mit Fremden teilen, dann ist an der Bewegung etwas dran.» Der 33-Jährige, HSG-Absolvent, Ex-Bankangestellter und Projekt Manager, wollte sich schon immer selbständig machen, aber nur «mit etwas Sinnvollem», wie er sagt. In der Share Economy sah er die Chance und gründete sharely.ch. «Die Idee ist, den Leuten eine Plattform zu bieten, um in ihrer unmittelbaren Umgebung Gegenstände zu mieten und zu vermieten.»

Vom Tennisracket über die Nähmaschine bis zum Laubbläser – sharely bringt Besitzer und Mieter zusammen. Und das auf möglichst einfache und unkomplizierte Weise. «Jeder Nutzer kann Gegenstände hochladen und sie für einen selbst festgelegten Preis zur Miete anbieten für eine von ihm definierte Dauer. Die Interessenten sehen auf der Website nur das Foto des Gegenstandes, eine kurze Beschreibung, den Preis, die mögliche Mietdauer und den Vornamen des Besitzers. Sind sie interessiert und haben ein Profil, können sie mit dem Besitzer in Kontakt treten», erklärt Amstutz. Kommt es zu einem Mietverhältnis, bezahlt der Mieter 100 Prozent des Preises an die Plattform sharely, diese überweist 80 Prozent des Betrages an den Vermieter. Es ist keine Pflicht, für die Gegenstände Geld zu verlangen. Amstutz glaubt aber, dass viele gerne einen Zusatzverdienst einholen mit Dingen, die bei ihnen zu Hause meist nur rumstehen.

Noch zeichnet sich nicht ab, ob der Jungunternehmer Recht hat. Sharely.ch ist im Dezember 2013 online gegangen. «Bis jetzt haben wir rund 500 registrierte User», sagt der CEO. Auf der Plattform sind auch aussergewöhnliche Dinge wie Stehtische aus Verkehrstafeln, ein Velogrill oder Crêpeplatten zu finden. «Jemand wollte sogar seinen Ferrari hochladen, aber Autos und Immobilien können wir aus versicherungstechnischen Gründen nicht vermitteln», erzählt Amstutz, der mit seinem Team jeden Artikel freischaltet, der hochgeladen wird. Seine Vision ist es, in den ersten drei Jahren auf ein paar Zehntausend Nutzer zu kommen. «Ricardo.ch zum Beispiel hat rund zwei Millionen Konti», vergleicht Amstutz.

Viele Nutzer sind wichtig, um einen der Grundsätze von sharely einhalten zu können: Nämlich in den Städten alle Objekte in Gehdistanz (zwischen einem und zwei Kilometern Entfernung) abholen zu können. Die Chancen dafür stehen laut Amstutz gut. Er rechnet aus, dass in Zürich jeder Stadtbewohner in einem Umkreis von einem Kilometer 13 500 «Nachbarn» hat. Ein reines «Teil-Eldorado». Zudem arbeitet Amstutz mit seinem Team daran, firmeninterne sharely-Netzwerke zu gründen.

Alter Hut oder neuer Trend?

Obwohl sich sharely.ch auf Alltagsobjekte beschränkt, setzt sich Andreas Amstutz auch für sonstiges Teilen ein. Zusammen mit anderen CEOs von Teil- und Vermietplattformen will er die Share Economy in der Schweiz bekannter machen. Dafür wurde der Verein sharecon.ch gegründet.

Das Schmökern auf sharely.ch und sharecon.ch zeigt: Der Fantasie, was geteilt werden kann, sind fast keine Grenzen gesetzt. Mag sein, dass Share Economy im Grunde nur die elektronische Version der alten Nachbarschaftshilfe ist und der Hype um eine neue Wirtschaftsform etwas übertrieben ist. Sicher ist aber, dass Teilen früher nie so viel Spass machte wie heute mit den neuen Apps und kreativen Plattformen.

Hier teilen mit

Teilen, was das Zeug hält – vom Talent bis zum Platz am Tisch. Eine Auswahl von Share Economy-Plattformen in der Schweiz:

BringBee.ch: Ein Mitbringservice für zu Hause. Um Zeit und Ressourcen zu sparen, kann man seinen Einkaufszettel online zusammenstellen und die Ware von jemandem mitbringen lassen, der sowieso in das entsprechende Geschäft geht.
Cookeat.ch: Das Tool für Hungrige, die gerne bei Nachbarn einkehren oder dort ihr speziell für sie zubereitetes Menü essen. Günstige, gesunde Verpflegung plus, falls erwünscht, Gesellschaft beim Essen.
Foodsharing.ch: Bevor Nahrungsmittel in der eigenen Küche vergammeln, verkauft man sie besser weiter, finden die Macher von Foodsharing.ch. Sie vermitteln zwischen Geniessern und bewahren so wertvolle Lebensmittel vor der Entsorgung.
Jacando.com: Die Plattform, um einen Neben- oder Aushilfejob zu finden oder um einen Helfer anzustellen, der beim Umzug, im Garten oder bei Computerfragen tatkräftig zur Seite steht.
Mila.com: Ein virtueller Marktplatz für handverlesene Serviceleistungen aller Art. Egal, ob Sie auf die schnelle einen Bund rote Rosen brauchen, jemanden für eine Büroreinigung suchen oder wöchentlich mit einer gesunden Einkaufstüte überrascht werden wollen.
Parku.ch und parkit.ch: Hilft mittels App oder Website, immer einen verfügbaren Parkplatz in der Nähe zu finden und zu reservieren und ermöglicht, den eigenen Parkplatz zu vermieten, wenn er leer steht.
Pumpipumpe.ch: Der Leihservice, der nicht online funktioniert, sondern über schön gestaltete Abziehbilder von allerlei Alltagsgegenständen. Je nach Auswahl klebt man diese an den Briefkasten und signalisiert den Nachbarn: Hey, ich habe und ich leihe.
Sharely.ch: Die Miet- und Vermietplattform für alle möglichen Objekte, die man im Alltag mehr oder weniger häufig braucht. Über die Suchfunktion können Gegenstände in der Nachbarschaft gesucht werden, als Besitzer kann ich Objekte hochladen.
Sharoo.com: Die Plattform für neues, unkompliziertes Sharing von Fahrzeugen. Autobesitzer können ihren Wagen zur Miete anbieten. Interessierte finden, buchen und öffnen das Fahrzeug via Smartphone.
Skillharbour.com: Mit dem Motto «Tue was du liebst, für Leute, die lieben, was Du tust» kann auf der Plattform jeder sein Talent anbieten und im Austausch für die Zeit die Fähigkeiten anderer in Anspruch nehmen.
WeeShare.com: Eine App zur Verwaltung von allem, was mit anderen geteilt wird. Vom Auto über das Ferienhaus bis zur Zeltausrüstung. Hilft ,Reservationsanfragen zu koordinieren und den Überblick über Ausgaben und Kosten zu behalten.
Wemakeit.ch: Eine Crowdfunding-Plattform für alle Projekte kreativer Art ob in Kunst, Musik, Film oder Design. Wer sich von einem Projekt angezogen fühlt, unterstützt es finanziell und erhält dafür im Gegenzug exklusive Geschenke des Künstlers.

 

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