Psychologie

Führung von unten

Chef, der nur Befehle gibt und von oben herab regiert, ist heute kaum noch angesagt. Flache Hierarchien und agile Zusammenarbeit haben ihn abgelöst und in einem modernen Unternehmen wollen und können auch Mitarbeiter Einfluss auf den Chef nehmen. Rolf Butz, Geschäftsführer des kaufmännischen Verbands Zürich erklärt im Interview, warum das so wichtig ist und wie es gelingt. 

Herr Butz, hat sich das Verständnis von Führung in Unternehmen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewandelt?
Ja, sehr. Vor zehn Jahren war das hierarchische Denken noch viel ausgeprägter. Heute ist eher ein Führungsstil gefragt, bei dem Entscheidungen entlang von Kompetenzen und nicht entlang von Machtstrukturen getroffen werden.

Das klingt so, als hätten Mitarbeiter heute viel mehr zu sagen.
Wenn sie den richtigen Chef haben, stimmt das. Aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass Mitarbeiter heute auch mehr gefordert sind als früher. Wer nur auf Anweisungen wartet, der ist in so einer Unternehmenskultur nicht mehr gefragt. Chefs wünschen sich heute selbstdenkende, engagierte Mitarbeiter.

Und was wünschen sich die Mitarbeiter?
Das ist auch eine Generationenfrage. Je jünger, desto mehr wünschen sie sich einen, der sie unterstützt, der ihnen zuhört und ihnen auch mal etwas zutraut und ihnen vertraut.

Das ist aber gar nicht so einfach, wenn zum Beispiel ein erfahrener Chef auf einen jungen Uni-Absolventen trifft.
Da sind beide Seiten gefragt. Fachlich ist der Uni-Absolvent vielleicht stärker am Puls der Zeit als der Chef, was den Ablauf von Projekten betrifft, punktet der Chef dafür mit Erfahrung. Die gleiche Situation hat man auch oft in altersgemischten Teams. Aber wenn jeder die Stärken des anderen akzeptiert, kommen alle zusammen weiter.

Gibt es ein Patentrezept, damit die Wünsche von beiden Seiten in Erfüllung gehen?
Führung von unten ist eins der Konzepte, mit denen man beide Seiten zufriedenstellen kann. Dafür braucht es ein Klima der Offenheit und des Vertrauens. Ein Chef sollte seine Mitarbeiter ernst nehmen und ihnen in den richtigen Situationen zuhören, dafür sollten die dann aber auch den Freiraum nutzen und mitgestalten.

Die so genannte Führung von unten ist also eine Herausforderung für beiden Seiten?
Ja. Die eine Seite kann ja nicht Verantwortung abgeben, wenn auf der anderen Seite niemand ist, der sie übernimmt. 

Es klingt geradezu paradiesisch, wenn das funktioniert.
Ist es auch. Aber man darf ein solches Klima auch nicht mit einem Wohlfühlprogramm verwechseln. Unangenehmes wird trotzdem auftauchen und muss auch geklärt oder entschieden werden.

Also ist letztlich alles beim Alten und der Chef hat immer noch das Sagen?
Natürlich. Er ist nicht dafür verantwortlich, dass es allen gut geht. Und er muss auch mal konsequent sein. Aber wenn die Mitarbeiter in der Lage sind, ihn zu führen, dann lassen sich viele Probleme leichter lösen.

Und wie überzeugt man einen Chef vom Konzept der Führung von unten, falls der davon nichts wissen will?
Solche Chefs überzeugt man am besten, indem man ihnen zeigt, was es ihnen persönlich bringt. Chefs haben zum Beispiel meist nicht viel Zeit, wer ihnen welche schafft, hat schon ein gutes Argument auf seiner Seite. Oder Mitarbeitende bringen konkrete Vorschläge in Besprechungen ein und warten nicht, bis sie damit beauftragt werden.

Praxistipps aus dem Pocketguide «Chefs führen»

  1. Chefs sind auch nur Menschen. 
    Akzeptieren Sie ihre Stärken und ihre Schwächen.
  2. Chefs sind von sich überzeugt. 
    Ohne ein gesundes Selbstbewusstsein kann man keine Entscheidungen treffen und  kommt nicht in eine Führungsposition. Sehen Sie es ihrem Chef nach, wenn er sich nach aussen als toller Hecht präsentiert. Und schlagen Sie ihn mit derselben Waffe: Zeigen Sie Selbstbewusstsein, wenn Sie ihn führen.
  3. Chefs haben Macht 
    Selbst wenn Ihr Chef Ihnen Freiraum gibt, hat er am Ende das Sagen. Gehen Sie souverän mit dieser Erkenntnis um und wissen Sie es zu schätzen, dass Ihr Chef gelassen mit seinem Machtverlust umgeht, wenn er sie Ihnen für einen gewissen Zeitraum überträgt.
  4. Chefs gestalten Beziehungen 
    Geht es den Mitarbeitern gut, geht es dem Chef gut und umgekehrt. Wenn Ihr Chef etwas gut macht, dürfen Sie ihn ruhig loben. Das hat noch niemandem geschadet und verbessert die Arbeitsbeziehung ganz bestimmt.
  5. Chefs tragen nicht die Schuld für alles. 
    Ab und an mal unter Kollegen über den Chef ablästern geht in Ordnung. Wer das aber ständig tut, übersieht womöglich seinen eigenen Anteil an der Situation und wird zum Gründer eines Jammer-Clubs. So ändert sich aber garantiert nichts. Versuchen Sie es besser mal mit einem direkten Gespräch über Ihre Unzufriedenheit. Unter vier Augen versteht sich.
  6. Chefs haben Stärken.
    Führung nach oben bedeutet auch, die Stärken des Gegenüber anzuerkennen und diese zu respektieren.
  7. Jeder Chef ist anders
    Jeder Mensch hat eigene Vorlieben und Charakterzüge. Lernen Sie Ihren Chef kennen und verstehen Sie, wie er tickt. Dann wissen Sie, wo Sie ihn packen können.
  8. Chefs arbeiten viel
    Wenn ein vielbeschäftigter Chef Ihnen zeit widmet, nutzen Sie sie. Seien Sie professionell, gut vorbereitet und kommen Sie schnell zum Punkt. Dann wird er garantiert bereitwillig kooperieren.
  9. Chefs brauchen Feedback
    Kommunikation ist das A und O einer jeden Beziehung. Nehmen Sie Gespräche mit Ihrem Chef wichtig, geben Sie ihm Feedback. Positiv und negativ, aber immer wertschätzend.
  10. Chefs lieben mitdenkende Mitarbeiter
    Hören Sie auf, nur Aufgaben auszuführen. Denken Sie mit, machen Sie Vorschläge, werden Sie aktiv. Ihr Chef wird das zu schätzen wissen.
     

Buchtipp 

Pocketguide Chefs führen
Hrsg.: Kaufmännischer Verband Zürich
Autor: Stefan Häseli
Hier erhältlich 

 

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