Karriere

Frag den Coach

Liebe Tatjana, in meinem Alltag lege ich grosse Sorgfalt an den Tag. Ich tue mich sehr schwer damit, Dinge unter 150 Prozent und ohne zig Gegenchecks abzugeben. Gerade bat mich mein Chef, etwas weniger Arbeit in die Dinge zu investieren. Wie soll das gehen? Wie kann ich diesbezüglich gelassener werden? Verena S. aus Basel 

Liebe Verena, vielen Dank für Ihre Frage! Was Sie hier skizzieren, tönt nach Perfektionismus. Immer dann, wenn ein normales Mass an Einsatz überschritten wird, spricht man von sogenannten Überlebensmustern, die sich in der Kindheit manifestiert haben.

In der kognitiven Verhaltenstherapie wird davon ausgegangen, dass das gesamte Verhalten erlernt wird. Menschen werden geprägt durch ihre frühkindlichen Erfahrungen. Diese Prägungen sind dann wie eine Programmierung, die das gesamte weitere Leben des Menschen beeinflusst. Im Falle der Perfektion war das, was man als Kind gemacht hat, nie gut genug, man wurde vielleicht als ungeschickt oder dumm deklariert, als Versager abgestempelt oder hat sich selbst durch Vergleiche mit beispielsweise Geschwistern in eine solche Schublade gesteckt. Die Glaubenssätze dahinter: «Ich bin nicht gut genug!», «Ich bin hässlich, dumm und ungeschickt!», «Ich bin ein Versager und Taugenichts!».

Diese Sätze haben die Betroffenen in ihrer Kindheit permanent gehört und verinner­licht. Der innere Kritiker hat diese Stimmen der Eltern, Geschwister, des Umfelds nun übernommen und malträtiert sich täglich damit. Im Erwachsenenleben versuchen diese Menschen, keinerlei Angriffsfläche zu bieten, agieren aus der Defensive und versuchen, möglichst alle Fehler zu minimieren. Die Betroffenen verausgaben sich, es ist nie gut genug, sie wollen immer höher, weiter, schneller werden. Stets rennen sie den eigenen Ansprüchen hinterher und können Erfolge nicht wirklich feiern. Sie sind nie zufrieden und führen Erfolge auf Glück oder andere nicht beeinflussbare Faktoren zurück.  

Finden Sie sich in diesen Beschreibungen wieder? Machen Sie den Test! Welche Aussagen treffen auf Sie zu?

  • Ich entscheide selten spontan.
  • Bevor ich mit jemandem über meine Ideen spreche, arbeite ich diese aus und wäge Pro und Kontra ab.
  • Ich liefere Dinge nur ab, nachdem ich sie sorgfältig geprüft habe.
  • Erfolge beäuge ich kritisch und suche stets nach Optimierung.
  • Was ich auch tue, ich versuche immer, das Beste aus mir herauszuholen.

Wenn Sie mehr als 3 × Ja angekreuzt haben, ist das Muster «Perfektionismus» Teil Ihrer Persönlichkeit und Ihres Handelns. So machen Sie sich frei: Bringen Sie Ihren inneren Kritiker zum Schweigen! Sicher kennen Sie den Spruch «Nobody is perfect». Niemand ist perfekt. Erst unsere Unperfektheit macht uns zu Menschen.

Beantworten Sie sich zukünftig bitte folgende zwei Fragen: Was will ich beweisen? Wem muss ich etwas beweisen? Ihr innerer Kritiker hat Sie lange genug malträtiert. Weisen Sie ihn in seine Schranken! Dazu schliessen Sie die Augen und stellen sich vor, Sie treten mit ihm in einen Dialog. Beginnen Sie damit, ihm für sein Feedback all die Jahre zu danken, aber machen Sie ihm nachdrücklich klar, dass seine Hilfe nun nicht länger benötigt wird, da Sie das nun selbst übernehmen. Alternativ können Sie Ihrem inneren Kritiker auch einen Brief schreiben. Versuchen Sie, mit sich selbst so umzugehen, wie Sie es mit ihrer besten Freundin tun würden. Fangen Sie an, Verständnis für sich selbst zu entwickeln, sich Fehler zuzugestehen. Denn nur aus Fehlern lernen wir! Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Reduktion der Perfektion!

Herzlichst Tatjana Strobel

Liebe Leserinnen, wenn auch Sie ein Problem beschäftigt, schreiben Sie mir unter redaktion@missmoneypenny.ch. Vielleicht lesen Sie die Lösung dann im nächsten Heft.

Herzliche Grüsse

 Tatjana Strobel

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