Erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Nö!
Nehmen wir die Arbeitswelt ein wenig zu ernst? Manchmal könnte man das meinen. Dabei vereinfacht eine humorvolle Haltung das Leben und die Arbeit ungemein. Das kann jeder lernen.
Halten Sie kurz inne und überprüfen Sie Ihren Gesichtsausdruck. Glätten Sie beim Weiterlesen bewusst die Stirnfalten. Dann die Mundpartie. Falls diese angestrengt oder gar ein wenig verbissen ist, ziehen Sie die Mundwinkel leicht nach oben. Das geht ganz leicht, indem Sie einfach einen Bleistift quer zwischen die Zähne stecken. Zwar sieht das etwas seltsam aus, doch Ihr Gehirn interpretiert die Veränderung der Gesichtsmuskulatur als positives, gemütserhellendes Signal. Wenn Sie nun noch die Augen bewusst zum Leuchten bringen, sind Sie auf dem besten Weg.
Ein Forschungsteam konnte in einem Experiment an der Universität Mannheim bereits Mitte der 80er Jahre zeigen, dass Studenten, die während eines Tests mit dem Stift ein Lächeln simulierten, bessere Ergebnisse erzielten. Selbst wenn wir ein Lachen nur imitieren, beeinflussen wir direkt unsere emotionale Befindlichkeit. Rund 30 Sekunden lächeln reichen aus, um Wohlbefinden zu erzeugen. Zudem entspannen sich dabei die Gesichtsmuskeln, was ganz nebenbei auch noch einen Anti-Aging-Effekt hat.
Ein humorvoller, freundlicher Blick auf sich und die Welt schärft die Wahrnehmung, verstärkt die Konzentrationsfähigkeit und erhöht den Sympathiebonus. Menschen mit einer humorvollen Grundeinstellung sind beliebter, sozial besser eingebunden und beruflich erfolgreicher. Humor und Lachen fördern ein entspanntes Betriebsklima und ermöglichen ein motiviertes, produktives Arbeiten. Und das ist einfacher als wir denken.
Ernste Miene hoch im Kurs
Trotz all dieser wissenschaftlich erhärteten Fakten scheint die ernste Miene im Arbeits-alltag nach wie vor hoch im Kurs zu sein. Steht sie doch gemeinhin für Seriosität, Kompetenz und Coolness. Angesichts der aktuellen finanzpolitischen Debatte hat dieses Mienenspiel wieder einmal Hochkonjunktur und wird in den Medien geradezu zelebriert. Auch in der zwischenmenschlichen Kommunikation setzen wir gern ein betont ernsthaftes Gesicht auf, um Verständnis oder Tiefgang zu signalisieren.
Humor hat, wer ...
- Komplimente macht
- heiter durch das Leben geht
- trotzdem lacht
Besonders am Arbeitsplatz ist auf diese Weise vielen Menschen das Lachen grundsätzlich vergangen. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass wir irgendwann angefangen haben, Arbeit und Freizeit zu trennen: So hat sich das Selbstverständnis breit gemacht, dass die Arbeit andere, ernstere Verhaltensweisen erfordert. Viele haben zudem noch den militärischen Dreiklang aus Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren gelernt und setzen das auch in der Geschäftswelt um.
Humor ist vor allem eine Haltung
Doch wovon reden wir überhaupt, wenn wir von Humor reden? Als ich bei einem Netzwerk-Apéro letztens erzählte, dass ich Humor-Coachings mache, erlebte ich Folgendes: Der sympathische CEO, mit dem ich im Gespräch war, verfiel sogleich in das bekannte Alphatier-Klischee: Rundblick zum Publikums-Check, Spruch klopfen, breit grinsen und zweiter beifallheischender Rundblick, um das Lachen der Anwesenden abzuholen.
Sprüche, Witze, heitere Sprachspiele können Humor zwar fördern, doch das allein genügt noch lange nicht. Humor ist vor allem eine Haltung; die Fähigkeit, einen Wechsel der Perspektive vorzunehmen, unabhängig davon, ob wir traurig sind oder Freude haben. Und Humor basiert nicht zuletzt auf der Fähigkeit, den Moment zu geniessen. Dazu gehört auch, in traurigen Situationen eine bestimmte Heiterkeit zu behalten. Denn im Prinzip ist Humor einfach eine andere Strategie, mit der sich der Alltag und überhaupt das Leben weitaus leichter bewältigen lässt als todernst. Nur zu gern verfallen wir ins Klagen und ins Leiden. Dabei tut es uns viel besser, wenn wir uns überlegen, was bereits gut ist und was wir noch besser machen können. Humorvoll ist also, wer es schafft, trotz Hindernissen das Lachen nicht zu verlieren.
Vorsicht vor ...
- Sarkasmus und Zynismus
- Auslachen
- Klatsch und Tratsch
Ja, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Aber was mache ich denn mit dem griesgrämigen Kollegen, der mich nie grüsst. Da vergeht einem ja das Lachen. Braucht es nicht. Wir haben die Wahl. Wenn der Kollege nie grüsst, liegt der Gedanke nahe: «Der hat was gegen mich», oder es ist möglich zu denken: «Ach witzig, scheinbar ist der morgens nie wach genug zum Grüssen». Zwei völlig unterschiedliche Denkweisen.
Mit Irritationen arbeiten
Wir erleben jede Menge vordergründig schwierige Situationen – aber es macht Sinn zu fragen, ob es wirklich so schlimm ist, wie es scheint, oder ob es nicht vielleicht sogar einen witzigen Aspekt hat. Und selbst wenn nicht: Das besorgte Gesicht des Teamleiters bei einem negativen Feedback hilft nicht. Sein Gegenüber schaut dann schnell ebenso drein. Auch eine Hiobsbotschaft wird nicht besser, wenn sie griesgrämig übermittelt wird. In schwierigen Situationen gibt es nur eins: Die innere Haltung bewahren. Gerade wenn uns jemand angreift oder vor uns in Verzweiflung versinkt, kann durch eine humorvolle Bemerkung oder Reaktion der negative Kreislauf durchbrochen werden. Darauf eingehen oder Angst zeigen, befeuert hingegen die negative Reaktion. Was uns lieber ist, können nur wir selbst entscheiden.
Eine negative Spirale lässt sich am besten mit Irritation durchbrechen. Ein Beispiel: Der CEO einer Möbelproduktionsfirma mit Direktverkauf litt unter dem Klatsch und Tratsch seiner Mitarbeiter. Er überlegte sich, wie er einen guten Weg finden konnte, um darauf aufmerksam zu machen. Eine Woche lang kam er jeden Morgen mit einem verklärten Lächeln ins Büro. Es kam wie vermutet: Die Leute tratschten über ihn. Irgendwann traute sich eine Mitarbeiterin und fragte ihn, ob er verliebt sei. Als er dann erklärte, dass er einfach viel mehr mit den Mitarbeitenden lachen möchte, war die erste Reaktion grosse Verblüffung.
Das geht immer:
- Lachen, lächeln, kichern
- Erfolgsgeschichten erzählen
- Freundlich sein
Der Chef blieb dran: In der ersten Woche gab er der Hälfte seiner Belegschaft den Auftrag, möglichst häufig zu lächeln. Die anderen bekamen den Auftrag, darauf zu achten, wie sie reagieren. Eine erste Auswertung ergab, dass die lächelnde Gruppe motivierter zur Arbeit kam. Die beobachtende Gruppe liess sich anstecken und lachte automatisch ebenfalls. Als nächstes bekamen sie den Auftrag, einander in den Pausen heitere Erfolgsgeschichten zu erzählen. Klatsch und Tratsch hörten auf, die Arbeitsmotivation war beschwingt, die Freundlichkeit im Kundenkontakt erhöht und die Produktivität stieg markant.
Was auch hilft: sich den cholerischen Chef als Hauptdarsteller einer Komödie vorstellen. Wir können uns genauso in die Komödie reinsteigern wie ins Elend. Wer eine Situation für sich auf diese Weise anders bewertet, überwindet Angst oder Wut und aktiviert Humor und Mut.
Humor ist ...
- die Fähigkeit, den Blick auf die Dinge zu verändern und Alltägliches in humorvollem Lichte zu betrachten.
- staunen und überraschende, quere oder naive Fragen stellen.
- eine Haltung, mit der das Leben leichter wird.
Witze, an die wir beim Thema Humor schnell denken, sind nur eine Technik. Im Pausenraum Witze auszutauschen oder Sitzungen mit dem Bericht eines heiteren Erlebnisses zu beginnen, kann helfen, eine positive Grundstimmung herzustellen. Positiver jedenfalls, als zuerst Dringliches zu diskutieren. Die Investition von vielleicht fünf Minuten lohnt sich: Alle werden viel aufnahmefähiger, präsenter und konzentrierter. Und geht es letztlich nicht darum, einen klaren Kopf zu behalten?
Humor lässt sich lernen
Ebenso wie man verschiedene Führungsstile einsetzen kann, verhält es sich mit dem Humor: Es ist wichtig zu wissen, wann und in welcher Situation was passt. Und ja: Ein professioneller Umgang mit Humor lässt sich lernen. Wer sich ernsthaft und vertieft mit Humor auseinandersetzen will, um Humor und Lachen auch professionell zu nutzen, verzichtet auf gewisse Verhaltensweisen, wie Zynismus, Sarkasmus, tendenziöse Witze oder kleinmachende Sprüche. Im professionellen Umgang mit Humor gelten folgende Prinzipien:
- Lachen ist ein miteinander Lachen.
- Lächeln ist freundlich.
- Witze sind ressourcenorientiert und unterstützend.
- Inszenierungen sind lösungsrelevant und wirkungsorientiert.
- Symbole (am PC oder auf dem Schreibtisch) regen die Humorperspektive an.
Bei Ihnen funktioniert es auch ernst ganz gut? Mag sein. Doch wir leben in Zeiten, in denen immer mehr Leute dem immensen Druck, der auf uns lastet, nicht mehr standhalten. Natürlich arbeiten Menschen auch unter Druck, aber nicht unbegrenzt. Und langfristig kostet uns das viel. Es ist viel einfacher und gesünder, wenn wir anfangen, das zu verändern.
Sie können schon die Ernsthaftigkeit zelebrieren, nur ist es auf Dauer viel schwieriger, mit dieser Haltung zu arbeiten. Zum Glück gibt es gerade einen Paradigmenwechsel: Je jünger die berufstätige Bevölkerung wird, desto besser kann sie lachen. Die Zeiten, in denen die vermeintlichen Tugenden der militärischen Ausbildung mit in die Arbeitswelt genommen wurden, scheinen vorbei zu sein. Menschen in einer heiteren Stimmung arbeiten einfach besser. Die Zeit wird uns recht geben.