Ene, mene, muh ...
Ein Stapel Bewerbungen bringt so manchen in Bedrängnis. Wie soll man sich bloss entscheiden? Ist ein unscharfes Foto schon ein Zeichen für jemanden, der es mit den Details nicht so genau nimmt? Und kommt jemand, der jedes Jahr eine neue Stelle hatte, überhaupt in Frage – obwohl seine Qualifikationen stimmen? Es gilt, eine gute Vorauswahl zu treffen – anhand von ein paar Seiten Papier.
Wer auf dem Stellenmarkt nicht gerade nach Datenbankspezialisten, Medizinaldolmetschern oder anderen Raritäten sucht, hat oft Hunderte Bewerbungen in der Mailbox oder auf dem Schreibtisch. Da kann die Auswahl schon mal zur Qual werden. Rebecca Ludescher, Personalberaterin bei Schärpartners AG, rät, die Dossiers zuerst einmal auf drei Stapel zu verteilen: einen für Absagen, einen für Kandidaten, die so lala sind, und einen für die engere Auswahl.
Was braucht das Team?
Wer sich die Arbeit von vornherein erleichtern will, sollte etwas Zeit investieren und sich überlegen, welche Kriterien wirklich wichtig sind und welche einfach nur nice to have sind. Fachliche Qualifikationen, Berufserfahrung oder Sprachkenntnisse sind zumeist nicht verhandelbar. Aber auch Kriterien wie Ortsnähe oder, je nach Teambedürfnis, Alter und Geschlecht sollten klar benannt werden. Bei Letzteren ist aber Vorsicht geboten: «Das sind juristisch heikle Themen», weiss Ludescher. «Doch für das Einfügen ins Team kann so etwas schon wichtig sein», erklärt sie. Allerdings rät sie von einer zu frühen Festlegung in diesen Punkten ab. Ein älterer Kollege kann zum Beispiel einem jungen Team gut tun, auch wenn man das erst nicht dachte. «Die Qualifikation und der persönliche Eindruck gehen auf jeden Fall vor», sagt sie.
Für das spätere Bewerten der Unterlagen macht es Sinn, die festgelegten Kriterien in ein Formular zu übertragen. Ergänzt um ein paar allgemeingültige Punkte wie Vollständigkeit oder Gehaltsvorstellungen ist eine solche Liste sehr hilfreich, denn sie zeigt sehr übersichtlich, was ein Kandidat bietet – oder eben auch nicht. Bei einer grossen Anzahl von Bewerbungen ist übrigens eine Negativliste am sinnvollsten. Auf der stehen dann alle Kriterien, die für eine Absage sprechen, wie zum Beispiel schlampige oder unvollständige Unterlagen, nicht ausreichende Qualifikationen und vieles mehr. Wer hier zu viele Punkte sammelt, ist raus. Ein Beispiel für ein solches Formular finden Sie auf missmoneypenny.ch.
Rebecca Ludescher empfiehlt, die Äusserlichkeiten der Bewerbungsunterlagen beim ersten Sichten ausser Acht zu lassen. «Wichtiger sind die grundsätzlichen Qualifikationen», sagt sie. Doch auch hier würde die Personalberaterin nicht gleich jeden ganz aussortieren, der sie nur teilweise mitbringt, denn sie lassen sich manchmal auch nachholen. «Auf den Absagestapel gehört erst mal nur, wer gar keine der erforderlichen Qualifikationen erfüllt», sagt Ludescher. Wer sie zum Teil erfüllt, kommt auf den Reservestapel.
Weiter geht’s dann mit den Details in den Lebensläufen der geeigneten Kandidaten. Stutzig machen den Profi hier häufige Stellenwechsel oder Lücken. Ein K.o.-Kriterium sind sie aber nicht unbedingt. «Wenn sie gut begründet sind, die Bewerber zum Beispiel ein paar Jahre in befristeten Jobs gearbeitet haben und jetzt etwas Dauerhaftes suchen oder in einer Branche kurze Beschäftigungsverhältnisse üblich sind, ist das nicht negativ», sagt Ludescher. Wem aber ein geradliniger Lebenslauf wichtig ist und wer einem Kandidaten deshalb misstraut, kann diesen getrost auf den Reservestapel verfrachten.
Fotos beeinflussen die Wahl
Die Bewerbungen in der engeren Auswahl und auch die der Reserve unterzieht man danach am besten auch einem äusserlichen Check, um sie jeweils einen Stapel nach hinten zu schieben. Eselsohren, knapp erstellte oder gestaltete CVs, eine falsche Anrede oder sogar eine falsche Adresse sind Hinweise darauf, dass sich die Bewerber keine Mühe gegeben haben. Also raus damit, entweder in die Reserve oder zu den Absagen. In diesem Schritt kann auch gleich die Vollständigkeit geprüft werden. Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse und möglicherweise Arbeitsproben: Wenn da etwas fehlt, kann die Bewerbung ebenfalls verschoben werden. Der äussere Eindruck gibt aber nicht nur Hinweise auf die Motivation, sondern auch auf persönliche Eigenschaften der Bewerber. Manchmal riecht ein Umschlag zum Beispiel schon beim Öffnen stark nach Rauch. «Wer keinen Raucher im Team möchte, kann solche Bewerbungen gleich aussortieren», meint Ludescher.
Ein grosses Thema sind auch immer wieder die Fotos. In den USA ist es mittlerweile verpönt, Bewerbungen überhaupt Fotos beizulegen. Zu schnell kommt es wegen ihnen zu Diskriminierungen. So weit sind wir hierzulande noch nicht, doch der Eindruck, den ein Foto macht, ist nicht von der Hand zu weisen. Freimachen kann man sich davon nicht, weiss auch Ludescher. Ob jemand sympathisch rüberkommt oder ungepflegt ist, erkennt man nun einmal am besten durch ein Foto. Mit dem Aussortieren aufgrund des äusseren Eindrucks sollte man aber vorsichtig sein. «Das machen aber auch die wenigsten, denn die Qualifikation zählt am Anfang noch mehr», sagt Ludescher. Gehe es aber später darum, einzelne Dossiers zu besprechen, sei der persönliche Eindruck nicht mehr zu ignorieren. «Dann hat man aber ohnehin schon Namen im Kopf und eine Vorstellung», sagt sie. In diesem Stadium sei alles personalisiert und das Foto ein Wiedererkennungsfaktor. Mehr aber auch nicht.
Last but not least spielt bei der Entscheidung für den richtigen Kandidaten auch das Bauchgefühl mit. «Dem kann man ruhig vertrauen, man verliert ja nichts, wenn man Leute einlädt, die es vielleicht nur auf den Reservestapel geschafft haben», sagt Ludescher. Und gerade wenn es darum geht, wer gut ins Team passt, sei Intuition oft der bessere Ratgeber als reine Fakten.
Der richtige Umgang mit Daten
- Bewerbungsdaten dürfen nur in Zusammenhang mit dem Bewerbungsprozess erhoben und für eine spätere Verwendung nur mit dem Einverständnis des Bewerbers aufbewahrt werden.
- Die Unterlagen dürfen nur von Personen eingesehen werden, die mit dem Bewerbungsprozess zu tun haben. Eine Weitergabe an andere externe oder auch interne Personen ist nicht zulässig.
- Die Unterlagen müssen so aufbewahrt werden, dass nur mit dem Bewerbungsprozess betraute Personen darauf Zugriff haben.
- Die Unterlagen sind Eigentum des Bewerbers; bei einer Absage muss der Arbeitgeber sie zurückschicken. Möchte der Bewerber dies nicht, so sind die Unterlagen zu vernichten.