Dureschnuufe und Haltung bewahren
Ob wir jemandem gern zuhören, liegt auch an der Stimme. Die lässt sich zwar nicht verändern, aber wer beim Sprechen richtig atmet und sich gerade hinstellt, hat schon die halbe Miete.
Zuhörer von Vorträgen sind gnadenlos. Wer mit Piepsstimme Autorität beweisen will, verliert genauso wie jemand, der mit monotonem Tiefsprechen Leidenschaft entfachen möchte. Wenn der Redner laut ist, wird ihm unterstellt, sich nicht anders durchsetzen zu können. Und wer leise vor sich hin nuschelt, der hat offenbar nichts Wichtiges zu sagen. Sonst würde er ja Wert darauf legen, dass ihn jeder versteht. Das Publikum richtet bei einem Vortrag nur etwa sieben Prozent der Aufmerksamkeit auf die gesprochenen Worte, die restlichen 93 Prozent sind auf den Sprecher selbst gerichtet. Stimme, Körperhaltung, Mimik und Gestik müssen zum Gesagten passen, sonst überzeugt der Inhalt niemanden. Für einen guten Redner hört die Vorbereitung deshalb nicht auf, wenn er weiss, was er sagen will. «Obama hat ein ganzes Team, das mit ihm übt, bis alles zusammenpasst», sagt Sprecher und Rhetoriktrainer Detlef Rora. Das haben natürlich nur die wenigsten zur Verfügung, aber mit ein paar Tricks und Tipps kann jeder seine Präsenz vor Publikum verbessern.
Freie Rede wirkt natürlich
Einen Kapitalfehler können Redner schon bei der inhaltlichen Vorbereitung vermeiden: Die Rede sollte niemals ganz ausformuliert werden. Die Schriftsprache ist viel komplizierter als die gesprochene, Bandwurmsätze oder lange Haupt- und Fremdwörter sind an der Tagesordnung. Im Gespräch würde man die gar nicht erst verwenden. Und sie wirken auch nicht authentisch, wenn sie abgelesen oder auswendig vorgetragen werden. «Frei sprechen ist am besten», sagt Anne-Christiane Schneider, Trainerin für Auftrittskompetenz. «Das wirkt natürlich und spontan», sagt auch Detlef Rora. Sie raten ihren Klienten deshalb, den Inhalt nur in Stichworten zu skizzieren, am besten mehrfach. Wer eine Rede wiederholt für sich selbst durchgeht, wird sicherer und kann die Stichwörter immer weiter reduzieren. Am Ende sollten auf den Handzetteln nur noch wenige Punkte stehen. «Dann ist man fast bei der freien Rede und es wird richtig elegant», sagt Rora.
Abwechslung durch Pausen
Frei sprechen verändert auch Sprechgeschwindigkeit und Stimmlage positiv. Kaum ein Redner ist völlig entspannt, wenn er vor Publikum steht. Bei Aufregung und Nervosität neigen die meisten Menschen dazu, zu schnell zu sprechen. Freies Sprechen reduziert das Tempo automatisch. «Man redet dann nicht schneller, als man denken kann», erklärt Anne-Christiane Schneider. Und damit auch nicht schneller, als die Zuhörer folgen können. Denn wenn der Redner am Ende eines Satzes kurz über den nächsten nachdenkt, hat auch das Publikum die Möglichkeit, das Gehörte zu verarbeiten.
Bewusste Pausen am Satzende haben zudem eine grosse Wirkung auf die Stimmlage. «Monotones Sprechen in einer Stimmlage wirkt immer eintönig und langweilig, egal ob hoch oder tief», erklärt Rora. Pausen schaffen hier Abhilfe, denn wer sie bewusst macht, senkt vorher die Stimme. «So entsteht Abwechslung», sagt Rora, und die sei wichtiger als die Stimmlage selbst. Ganz egal, wie hoch oder tief man spreche, sei es aber nicht. «Wer nervös ist und zu schnell spricht, spricht meist auch zu hoch», sagt der Experte. Die Zuhörer nehmen den Zusammenhang direkt wahr, stufen einen Redner mit hoher Stimme schnell als unsicher ein und er verliert die nötige Autorität. Vor einem einfachen Senken der Stimme raten die Experten jedoch ab. «Das funktioniert so nicht», sagt Schneider. Die natürliche Stimmlage lässt sich kaum verändern. Wer eine hohe Stimme hat, wird sie ebenso behalten wie jemand, der von Natur aus tiefer spricht. Aber man kann seine Stimme durchaus beeinflussen und ihren Klang verbessern. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen Atmung, Körperhaltung und Stimme und den kann man sich durch Übung zunutze machen.
«Der richtige Umgang mit der Stimme beruht auf der Atmung», betont Rora. Wer richtig Luft holt, atmet bis in den Bauchraum. Die meisten Erwachsenen haben das verlernt und atmen nur noch flach bis in die Brust. Mit der Atmung wird aber die Luftzufuhr in den Kehlkopf geregelt und wenn die nicht stimmt, kann die Stimme nicht mehr funktionieren. Wenn zu viel Luft kommt, wird sie schwach und hauchig, der Sprecher räuspert sich öfter. Wenn zu wenig Luft kommt, verkrampft der Kehlkopf, die Stimme klingt gepresst und wird brüchig. Beides lässt sich durch richtiges Atmen in den Bauch vermeiden. Das kann und sollte man üben, nicht nur vor einer Rede, sondern auch im Alltag. «Wer das macht, hat seine Stimme im Griff», sagt Rora.
Ein kleiner Absatz hilft
In den Bauch atmen ist aber schwierig, wenn die Körperhaltung nicht stimmt. Richtig atmen geht nur, wenn im Körper eine gewisse Grundspannung herrscht. Wer zusammengesackt steht oder sitzt, kann diese nicht aufbauen. Gerade bei einem Vortrag ist eine aufrechte Haltung mit einem gewissen Mass an Körperspannung deshalb unerlässlich. «Man sollte fest auf beiden Beinen stehen, der Rücken ist gerade, der Bauch etwas angespannt und der Kopf nicht gesenkt», beschreibt Rora die richtige Haltung. Für die, denen das schwerfällt, hat Sprechtrainerin Schneider einen praktischen Tipp parat: «Ziehen Sie Schuhe mit leichtem Absatz an, das gibt Spannung.»
Eine solche aufrechte und spannungsgeladene Körperhaltung ist nicht nur Grundlage für gutes Atmen, sie schafft auch gleich Präsenz auf der Bühne. «Ein Redner sollte nicht starr, aber durchaus still stehen», sagt Rora. Und dann gezielt den Platz wechseln und auf dem neuen wieder zum sicheren Stand kommen. Nervös von einem Bein auf das andere wechseln, ist hier ebenso wenig angesagt wie hektisches Hin- und Herlaufen.
Neben dem Standplatz muss ein Redner auch immer mal die Blickrichtung ändern. «Am besten sucht man sich immer einen raus und schaut den wirklich an», empfiehlt Rora. Der Blick sollte dabei wandern und auch Personen in den hintersten Ecken erfassen. Einfach durch die Person durchgucken, wirkt aber nicht. «Man muss die schon richtig wahrnehmen», sagt Rora. Da fühlt sich nicht nur der Zuhörer direkt angesprochen, auch der Redner profitiert. Denn er kann die Reaktionen des Publikums erfassen und sich selbst nötigenfalls direkt korrigieren.
Authentisch bleiben
Gestik und Mimik haben im Vergleich zu Stimme und Körperhaltung einen kleineren Einfluss auf die Wirkung eines Redners. «Weniger ist da mehr», sagt Rora. Am besten sei als Massstab das natürliche Sprechen geeignet. Wer da nicht viel gestikuliere, solle es in der Rede lassen. Und wer gerne mit Händen und Füssen rede, der könne eben nicht ohne. «Man muss auf jeden Fall authentisch bleiben», sagt auch Schneider. Eingeübtes und Gekünsteltes falle sofort auf und würde abgestraft. Deshalb sei Zurückhaltung besser als Übertreibung.
Und wenn man vor lauter Lampenfieber nervös zu zucken beginnt oder sogar den Faden verliert? Nicht schlimm, urteilen die Experten. «Lampenfieber hat jeder und es ist gut, weil es Spannung erzeugt», sagt Rora. Die Konzentration auf das Amten könne das auf ein gutes Mass bringen und Mut und Ehrlichkeit würden immer honoriert. «Man kann das ruhig sagen, das ist natürlich», empfiehlt Rora. Sehr aufgeregten Menschen rät Schneider, sich von der Situation ab- und dem Inhalt zuzuwenden. «Wenn man sich vorher überlegt, warum man da steht, kann man sich das bei Nervosität wieder klarmachen.» Wer hinter seinem Thema oder seinem Projekt steht und sich darauf konzentriert, ist längst nicht mehr so aufgeregt.
Drei Übungen fürs Sprechen vor Publikum
1. Bewusstes Atmen
Stellen Sie sich gleichmässig auf beide Beine, richten Sie den Oberkörper auf. Stellen Sie sich dabei vor, dass an Ihrem Kopf eine Schnur ist, die Sie nach oben zieht. Spannen Sie die Bauchmuskeln an, halten Sie den Rücken gerade. Legen Sie jetzt die Hände auf den Bauch und atmen Sie genau da hin.
2. Übung für die Gesichtsmuskulatur
Schneiden Sie alle Grimassen, die Ihnen einfallen. Mund spitzen, Stirn in Falten legen, Augen zusammenziehen – alles ist erlaubt und Sie können auch die Hände zu Hilfe nehmen. Nebeneffekt: Sie lachen über sich selbst und das macht locker.
3. Übung gegen Lampenfieber
Überlegen Sie, was Ihr Ziel beim Vortrag ist und was passiert, wenn Sie das erreichen. Visualisieren Sie die letzten Sekunden Ihres Vortrags und die Momente danach. Vielleicht klappen Sie den Laptop zu, bedanken sich bei den Zuhörern, gehen raus und Ihr Chef gratuliert Ihnen. Das sollten Sie vor Augen haben, wenn Sie beginnen, der Weg dahin ist dann leichter.