Du, hör mal...
Ihr Chef hält sich für unfehlbar und baut Mist, den Sie dann ausbaden müssen? Kein Wunder, dass Sie ihm gern mal so richtig die Meinung sagen würden. Aber damit der Schuss nicht nach hinten losgeht, sollten Sie Kritik am Chef immer gut vorbereiten und vor allem auch gut vortragen.
Auch wenn Vorsicht angeraten ist, niemand sollte mit einem Problem zu lange hinter dem Berg halten. «Wenn man zehn Jahre lang alles in sich hineinfrisst, wird es schwierig», warnt der Unternehmensberater und Coach Matthias Mölleney. Dann sei die Stimmung schon so aufgeladen, dass kaum noch mit Erfolg zu rechnen sei. Mölleney rät deshalb dazu, Feedback von Anfang an auf die Tagesordnung zu setzen. «Gerade wenn man eng zusammenarbeitet, sollte man immer wissen, wie der andere tickt und was beide voneinander halten», sagt er. Besser als das jährliche Mitarbeitergespräch seien deshalb Feedbackgespräche im Wochen- oder Monatsrhythmus. «Dann wird das ein Ritual und verliert seinen Schrecken», erklärt er. Durch die Regelmässigkeit und die Ritualisierung entsteht ein permanenter Dialog, der von Offenheit und Wertschätzung geprägt ist. Und das ist die beste Voraussetzung für kritische Äusserungen ohne negative Nachwirkungen.
Angst nicht angebracht
Alle Beteiligten sollten sich zudem klar darüber sein, dass das Recht auf Kritik für jeden gilt. Der Chef hat es nicht gepachtet, im Gegenteil. Gerade die engsten Mitarbeiter sind für Chefs unverzichtbar als Gradmesser für das eigene Verhalten und auch für den wirtschaftlichen Erfolg. Denn sie kriegen im Zweifelsfall mit, wenn Fehler passieren, und die können bares Geld kosten. Einem guten Chef ist ihr Feedback also wichtig. «Das muss man sich deutlich machen», sagt Mölleney. «Am Ende sitzen sich zwei Menschen gegenüber, nicht mehr und nicht weniger.» Auch Chefs haben schlechte Tage, machen Fehler, bemerken ihre eigenen Marotten nicht und sind oft froh, wenn jemand mit ihnen darüber spricht. Angst vor dem Vorgesetzten ist also nicht angebracht, gesunder Respekt dem Menschen gegenüber aber schon. Es ist deshalb auch kein Fehler, mit dem Chef direkt zu klären, ob und wie Feedback bei ihm willkommen ist. Wenn das besprochen ist, ist die Kritik selbst keine grosse Sache mehr.
Egal ob kurz oder lang, selten oder häufig: Ein Feedbackgespräch enthält üblicherweise vier feste Elemente. Der Mitarbeiter beginnt mit einer Selbsteinschätzung über das, was gut gelaufen ist und was nicht, wo er sich anders oder besser hätte verhalten können und wo er Probleme in seinem Verhalten sieht. Der Chef kann dann darauf reagieren und seine Meinung dazu äussern. Und dann ist er selbst dran mit einer Selbsteinschätzung. Tut er das ehrlich und konsequent, erwähnt er meist Probleme von selbst und der Mitarbeiter muss ihn nicht mehr kritisieren, sondern nur noch zustimmen. Oder Verbesserungsvorschläge anbringen. «Wenn das so läuft, ist es optimal», sagt Mölleney.
Diplomatisches Geschick
Wichtig ist auch die richtige inhaltliche Bewertung. «Kritik am Chef sollte immer sachlich eingeordnet werden», rät Mölleney. Bevor man loslegt, sollte man sich also selbst Gedanken über die Hintergründe der Kritik machen. Stört mich das Verhalten einfach nur persönlich? Oder behindert es mich bei meiner Arbeit? Im ersten Fall kann man selbst vielleicht etwas ändern, zum Beispiel Toleranz üben. Wird man aber durch ein Verhalten in seiner Arbeit behindert, ist die Kritik auf jeden Fall berechtigt und nützlich, auch für den Chef. Denn wenn ein Mitarbeiter nie die Qualität erreicht, die er unter optimalen Bedingungen erreichen würde, schadet das auch dem Chef. «Es sollte immer deutlich werden, was das kritisierte Verhalten nach sich zieht», rät Mölleney. Mit einer guten Begründung und Erklärung der Konsequenzen versteht auch der kritikresistenteste Chef, dass es in seinem Sinne ist, etwas zu ändern. Denn dann sieht er, dass er selbst davon profitieren kann.
Kritik bezieht sich nicht immer nur auf die Zusammenarbeit, sondern auch auf Fehler, die ein Projekt behindern oder gefährden, oder gar auf strafrechtlich relevante Sachverhalte. «Vor allem Letzteres sollte man auf keinen Fall für sich behalten», sagt Mölleney, denn man könne sich selbst strafbar machen. Bei Fehlern sei etwas diplomatisches Geschick gefragt. Helfen kann da der Verweis auf die unterschiedliche Perspektive. Ein möglicher Fehler aus Mitarbeitersicht muss aus Chefsicht keiner sein, denn er hat möglichweise weitere Informationen. Schon mit diesem kleinen Hinweis lässt man dem Chef alle Reaktionsmöglichkeiten offen und hat harsche Kritik elegant umschifft.
Die richtige Formulierung der Kritik ist aber nicht nur in diesem Punt entscheidend. «Der andere sollte sich immer wertgeschätzt fühlen», sagt Mölleney. Am einfachsten geht das, wenn man sich nicht nur auf das Negative beschränkt. Wurde beim letzten Feedbackgespräch zum Beispiel die Kommunikation bemängelt, sollte man beim nächsten kleine Fortschritte loben und dann weitere konkrete Verbesserungswünsche nennen. « Wichtig ist die Balance aus Negativem und Positivem», sagt Mölleney. Kriegt man die hin, ist die Kritik konstruktiv und wird gut angenommen.
Unter vier Augen
Auf keinen Fall sollte man den Chef so kritisieren, dass er das Gesicht verliert. Bei Fehlverhalten, das in der Persönlichkeit begründet ist, ist deshalb besondere Vorsicht geboten. Völlig fehl am Platz ist in dieser Hinsicht auch die Kritik in Anwesenheit anderer. «Das ist immer eine Vier-Augen-Sache», erklärt Mölleney. Wer den Chef mitten im Meeting vor allen Kollegen kritisiert, hat denkbar schlechte Karten. «Das ist ein Vertrauensbruch», sagt Mölleney. Besonders schwierig fällt die Kritik oft bei vermeintlich peinlichen Dingen. Körpergeruch ist dafür ein gutes Beispiel. «Da den Mund aufzumachen, kostet einiges an Mut, wird aber am Ende belohnt», sagt Mölleney. Denn die meisten Menschen seien froh, wenn jemand Vertrautes sie auf so was hinweise und nicht alle hinter dem Rücken des Betroffenen darüber reden würden. «Statt verärgert, reagieren viele da sogar dankbar», sagt Mölleney.
Und was, wenn trotz guter Vorbereitung und sorgfältig gewählter Worte alle Kritik am Chef abprallt und er sich nicht ändern will oder kann? Dann sollte man sich ein dickes Fell zulegen. Und wenn das nicht hilft, kann man sich an die Personalabteilung wenden. Ist die Lebensqualität schon beeinträchtigt und wirklich keine Besserung in Sicht, dann bleibt nur noch, sich nach einem neuen Job umzusehen. Und dann direkt mit regelmässigen Feedbackgesprächen zu starten.
Der sichere Weg zur Kündigung
1. Vorbereitung ist alles: Sammeln Sie jahrelang alles, was Sie ihrem Chef vorhalten können. Am besten führen Sie akribisch Buch über sein Fehlverhalten und seine Charakterfehler.
2. Recherche gibt neue Impulse: Informieren Sie sich über die Symptome der bekanntesten Persönlichkeitsstörungen. Tipp: Narzissmus geht immer.
3. Das Timing ist entscheidend: Schauen Sie in den Kalender und suchen Sie die
Sitzung mit den meisten Anwesenden raus, um Ihren Chef so richtig in die Pfanne
zu hauen. Nicht nur Kollegen, auch Kunden sind ein aufmerksames Publikum!
4. Fangen Sie mit den grössten Brocken an: Ihr Chef hat keine Fehler gemacht,
die Geld kosten oder Projekte gefährden? Egal. Er grüsst bestimmt morgens nicht
oder zieht die kleine Blondine der Nachbarabteilung vor. Und das müssen jetzt
alle wissen!
5. Werden Sie persönlich und beleidigend: Bezeichnen Sie Ihren Chef unbedingt
als Idioten wahlweise auch als chauvinistischen Macho oder feministische Zicke. Beziehen Sie seine Lebensgeschichte mit ein. Benutzen Sie Schimpfwörter.
6. Drama, Baby: Werden Sie hysterisch. Machen Sie jedem Anwesenden deutlich,
wie sehr Sie unter Ihrem Chef leiden und wie unfähig er ist. Wenn es geht, fangen
Sie an zu weinen, bis Ihre Wimperntusche verläuft. Je dramatischer Ihr Auftritt
ausfällt, umso besser.
7. Wie geht’s weiter? Packen Sie Ihre Sachen und suchen Sie sich einen neuen Job!