HR in der Assistenz

Dreiecksfragen und Zweiergespanne

Vom Klassiker, nach den drei Schwächen zu fragen, rät er ab, dafür empfiehlt er Dreiecksfragen und eine angenehme Atmosphäre, um erfolgreich Bewerbungsgespräche zu führen: Personalberater Matthias Mölleney über Tücken und Glücksfälle bei Jobinterviews.

Herr Mölleney, nehmen wir an, wir würden jetzt ein Bewerbungsgespräch führen: Wie sollte meine erste Frage an Sie als Kandidaten dann idealerweise lauten?

Matthias Mölleney: Das Wichtigste ist, dass aus dem Jobinterview ein Gespräch wird und nicht ein Verhör. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Für ein gutes Gespräch sollte man eine Atmosphäre schaffen, in der sich beide Seiten wohlfühlen. In den meisten Bewerbungsgesprächen ist die erste Frage wenig ergiebig im Sinne von «Haben Sie uns gut gefunden?» oder so. Das bringt niemanden weiter. Die erste Frage sollte dazu benutzt werden, die Verbindung aufzubauen, zum Beispiel mit einer Bemerkung, die sich auf den Lebenslauf bezieht. Wenn der Kandidat dort schreibt, dass er Hobby-Gleitschirmpilot ist, könnte der Interviewer ihn begrüssen mit: «Ich habe mich sehr auf unser Gespräch gefreut, ich bin auch Gleitschirmpilot …» Das zeigt dem Bewerber, dass er willkommen ist, dass Interesse an seiner Person besteht. Der Einstieg muss noch nicht mal eine Frage sein.

Und wie fahre ich weiter? Wie komme ich dann von der persönlichen auf die geschäftliche Ebene?

Sie sollten auf der persönlichen Ebene bleiben. Am besten versucht man im Gespräch zu simulieren, wie es aussehen würde, wenn der Kandidat in der Firma arbeiten würde. Je realistischer man das darstellt, desto besser kann sich der Kandidat hineinfühlen. Sehr interessant sind sogenannte Dreiecksfragen.

Wie sehen die aus?

Wählen Sie eine für den Job wichtige Eigenschaft aus, zum Beispiel eine gewisse Belastbarkeit. Die erste Frage lautet dann: «Schildern Sie uns doch bitte eine Situation, in der Sie ihre Belastbarkeit bewiesen haben.» An dieser Stelle merken Sie, ob Sie die gleiche Vorstellung von Belastbarkeit haben. Wenn der Kandidat ein zusätzliches Telefonat pro Tag als belastend empfindet, ist er eventuell nicht geeignet für Ihre Stelle. Die zweite Frage wäre dann: «Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?» So können Interviewer gut sehen, wie eine Person denkt, ob sie verschiedene Optionen in Erwägung zieht, was für Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten sie hat. Die dritte Frage lautet: «Was ist aus der Situation geworden?» Damit bekommen Sie einen Eindruck davon, wie der Kandidat die Folgen seines Handels reflektiert. Wenn es Interviewern gelingt, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen und gute Dreiecksfragen zu stellen, haben sie gute Chancen, den Bewerber als Person zu erleben und nicht als nervösen Kandidaten.

In dem Fall gehe ich als Interviewer sehr gut vorbereitet ins Gespräch, stelle standardisierte Fragen, nicht spontane?

Gute Vorbereitung ist zwingend. Nur abso
lute Profis können ohne eine vorbereitete Gesprächsstruktur vorgehen und eher freie Gespräche führen. Das Problem an freien Gesprächen ist, dass die verschiedenen Kandidaten so am Schluss sehr schwer vergleichbar sind, weil die Gespräche unterschiedlich verlaufen. Nichtgeübten empfehle ich ein strukturiertes Interview und dann zu versuchen, entlang dieser vorbereiteten Fragen ein Gespräch zu führen. Der Vorteil ist eine klare Struktur, sie können sich Notizen machen und haben nachher ein Protokoll und am Ende relativ gute Vergleichsmöglichkeiten. Der Nachteil: Sie fühlen sich für den Kandidaten oft wie ein Verhör an, es kommt keine Stimmung auf. Ich empfehle den Mittelweg, dafür braucht es aber Erfahrung.

Wie bereiten Sie sich für ein solches Gespräch vor?

Ganz, ganz wichtig ist es, sich vorher den Einstieg zu überlegen. Meistens schreibe ich den immer noch auf, obwohl ich schon sehr viele Interviews geführt habe. Dann bereite ich ein paar präzise Dreiecksfragen vor. Ich mache mir für jedes Gespräch einen Leitfaden, den ich mir einpräge. Fragen abzulesen wirkt komisch auf die Kandidaten. Aus dem gleichen Grund mache ich mir auch während des Gesprächs  keine Notizen. Aber ich nehme mir sofort danach die Zeit dafür aufzuschreiben, was mir aufgefallen ist, die wichtigsten Aussagen zu strukturieren und den Gesamteindruck festzuhalten.

Was sind die häufigsten Fehler, die Interviewer machen?

Der erste ist, sich eine Stunde lang auf die Schwächen des Kandidaten zu konzentrieren. Dreiviertel der Aufmerksamkeit sollten auf den Stärken liegen. Ein zweiter häufiger Fehler ist, dass die Struktur für den Kandidaten viel zu offensichtlich ist. Mein Ziel ist es immer, dass alle Gespräche hoch interessant werden. Alles andere ist auch schlecht fürs Firmenimage. Zu den Lufthansa-Recruitern habe ich immer gesagt: Die besten Kandidaten hier können entweder Mitarbeiter oder Kunden werden. Behandelt sie also gut.

Stellen Sie also keine klassischen Fragen wie nach den Stärken oder Schwächen?

Ich stelle immer die Frage nach den drei Stärken und Schwächen, aber eher im Spassteil. Die Frage bringt nichts, weil sie immer die gleichen Antworten bekommen, vor allem bei den Schwächen. Aussagekräftiger ist es zu fragen, welche Stärken der Kandidat in der vorliegenden Stelle optimal einbringen kann. Das zeigt auch, ob sich die Person mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hat.

Was gilt es denn eigentlich in einem Interview primär herauszufinden? Den Menschen persönlich kennenzulernen?

Richtig, ja. Was die Person fachlich kann, lese ich aus dem Lebenslauf. Das Ziel ist herauszufinden, ob die Kandidaten ins Team passen, menschlich. Man muss sich fragen, was mit dem Arbeitsklima passiert, wenn der neue Mitarbeiter mit im Büro sitzt.

Assistentinnen sind oft die Vertrauenspersonen ihrer Chefs. Finden Sie es sinnvoll, wenn sie auch bei Bewerbungsgesprächen dabei sind?

Ja. Vor allem in kleineren Betrieben ist der Chef ja meist auch HR-Boss. Er braucht operativ Unterstützung und die Assistentin ist ihm am nächsten. Zudem ist sie Vertrauensperson.

Haben Sie besondere Tipps für die Rolle der Assistentin?

Ideal ist es, wenn Chef und Assistentin als gut eingespieltes Team auftreten. Dafür sollte im Vorfeld abgesprochen werden, wer welche Fragen stellt. Es ist komisch, wenn dem Kandidaten zwei Personen gegenübersitzen und eine stumm bleibt. Ich würde auch der Assistentin empfehlen, während des Gesprächs keine Notizen zu machen. Sie soll aber aufmerksam und gut zuhören und nach dem Gespräch unbedingt getrennt vom Chef ihre Eindrücke aufschreiben. Erst dann, auf Papier, sollten die beiden ihre Notizen vergleichen. So werden die unterschiedlichen Perspektiven deutlich, die sich idealerweise ergänzen. Frauen achten oft auf ganz andere Dinge als Männer, und je diverser das Zweierteam ist, desto unterschiedlicher werden die Sichtweisen zum Kandidaten sein. Das ist äusserst wertvoll. Der Chef sollte seine Assistentin oder eine andere Vertrauensperson also bei Bewerbungsgesprächen unbedingt dabei haben.

Matthias Mölleney

Matthias Mölleney führt zusammen mit seiner Frau das Beratungsunternehmen peopleXpert in Uster, das sich mit der Entwicklung von Personalmanagement-Konzepten beschäftigt und Unternehmen sowie Führungskräfte bei anstehenden Veränderungen begleitet. Davor war er 20 Jahre für die Lufthansa tätig, kam dann in die Schweiz und wurde Personalchef von Swissair, Centerpulse und Unaxis. Mölleney leitet das Center for Human Resources Management & Leadership an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich und ist Präsident der ZGP Zürcher Gesellschaft für Personal-Management.

 

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