Die Lösung liegt in dir
Corona hat unsere Arbeitsbedingungen verändert. Soziale Kontakte sind weggefallen, der Jobinhalt stand stärker im Vordergrund – und damit auch die Konfrontation mit der Frage: Passt mein Job überhaupt noch zu mir? Wir haben Coach Nicoletta Huber gefragt, wie man sich in den eigenen Job neu verlieben kann.
Die Corona-Krise hat für viele Menschen die Arbeitsbedingungen verändert. Durch den Wegfall von sozialen Kontakten waren viele auf den Jobinhalt zurückgeworfen. Hat das zu mehr Jobfrust geführt?
Das ist sehr individuell, aber es ist sicher so, dass sich vorhandener Frust durch die fehlende Ablenkung eher verstärkt hat. Durch die reduzierten sozialen Kontakte hatten sicher mehr Leute die Zeit, sich zu fragen, ob der aktuelle Job der richtige ist und noch den eigenen Potenzialen und Werten entspricht.
Unzufriedenheit kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben. Woran merkt man, dass wirklich der Job die Quelle der Unzufriedenheit ist?
Meiner Meinung nach liegt die Quelle der Unzufriedenheit im Innen, also in uns selbst und nicht im Aussen. Und um sich zu überlegen, ob der Job einen unzufrieden macht, muss man sich zuerst fragen, was einen überhaupt glücklich und zufrieden macht. Was ist mir wichtig, was erfüllt mich? Was sind meine Werte? Und was möchte ich im Leben noch alles erreichen? Wenn ich zum Beispiel gern mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte, der Job mich aber so beansprucht, dass das nicht möglich ist, habe ich einen Wertekonflikt. Und der führt dann auf Dauer zur Unzufriedenheit.
Und dann?
Dann ändere ich entweder etwas an den Umständen oder an meiner Einstellung…
Mit einer geänderten Einstellung verliebe ich mich wieder in meinen Job?
Die innere Haltung und Einstellung sind ausschlaggebend. Wir können nicht alle Ereignisse in unserem Leben kontrollieren aber wir können unsere Haltung dazu und wie wir mit den Ereignissen oder eben dem Job umgehen, kontrollieren. Dazu fällt mir ein Bild ein, das ich einmal in einer Präsentation gesehen habe: Auf einer Baustelle arbeiten drei Steinmetze. Ein Passant fragt den ersten, was er gerade mache. Der sagt, ich verdiene hier meinen Lebensunterhalt. Der Passant fragt den zweiten, der klopft auf seine Steine und antwortet ich liefere hier die beste Steinmetzarbeit. Als der Passant den Dritten fragt, antwortet dieser mit strahlenden Augen: Ich baue eine Kathedrale. Und so ist es bei uns allen, die innere Haltung entscheidet viel darüber, wie wir unsere aktuelle Situation bewerten und welche Chancen wir allenfalls auch darin erkennen können.
Entweder ich ändere etwas an den Umständen oder an meiner Einstellung.
Das ist natürlich nicht in jeder Situation so einfach…
Ja, die Wirklichkeit ist immer komplexer. Fest steht aber, dass jeder Mensch Talente hat. Teilweise liegen diese noch im Verborgenen und sind uns vielleicht noch nicht bewusst. Und um sich im eigenen Job wieder wohler zu fühlen, muss man sich fragen, wo man diese Stärken in seinem aktuellen Job einbringen und wo man den Job allenfalls erweitern kann. Manchmal hilft es auch, sich zu fragen, warum man überhaupt seinen aktuellen Job damals angenommen hat. Irgendetwas muss einem ja mal reizvoll erschienen sein. Darauf sollte wieder vermehrt der Fokus gelegt werden.
Nicht alle Jobs sind in dem Sinne anpassbar. Wann sollte man wirklich die Reissleine ziehen und den Job verlassen?
Wenn der Job wirklich nicht zu den eigenen Zielen, Werten oder Stärken passt. Wer gern mit Menschen arbeitet aber den ganzen Tag nur in Excel-Tabellen unterwegs ist, wird auf Dauer unzufrieden. Dann braucht es den Mut, die Komfortzone zu verlassen und einen Job zu finden, den man liebt und für den man brennt. Dabei können Coaches eine Hilfe sein, seinen eigenen Weg zu finden und den Schritt zu wagen, denn die Lösung liegt meistens bereits in dir.
Wie sieht es bei zwischenmenschlichen Problemen aus? Kündigungsgrund oder nicht?
In solchen Fällen ist es ganz wichtig, das Gespräch zu suchen und aus der eigenen Perspektive zu schildern, wie man eine Situation wahrnimmt. Oft basieren Konflikte einfach auf Missverständnissen und lassen sich durch ein Gespräch ausräumen. Auch eine neutrale Person, zum Beispiel aus dem HR, kann helfen zu vermitteln. Oft lassen sich solche Konflikte lösen.
Der Job ist nur eine Facette des Lebens. Kann sich die Jobzufriedenheit verbessern, wenn andere Lebensbereiche verbessert werden?
Wenn man sich das Leben wie ein Rad vorstellt, ist der Job darin natürlich nur ein Teil. Es gibt noch weitere Bereiche wie Familie, Partnerschaft, Hobbys, Gesundheit oder Freundschaften. Nun kann es sein, dass man einen Job hat, der vielleicht inhaltlich nicht so gut passt, aber bei dem man flexibel ist und viel Zeit für andere Lebensbereiche hat. Auch damit kann man zufrieden sein, wenn man sich klar macht, dass man die Erfüllung eben nicht über die Arbeit findet. Dann wird der Job Mittel zum Zweck – aber im positiven Sinne. Wichtig aber auch hier, dass man es ganzheitlich betrachtet und längerfristig versucht in allen Lebensbereichen ausgeglichen und zufrieden zu sein.
Viele sehnen sich nach «sinnvoller» Arbeit. Aber Zahl der Jobs die gemessen am allgemeinen Verständnis «sinnvoll» sind, ist begrenzt, nicht jeder kann einen solchen Job ausüben. Ist es möglich auch in einem 0815-Bürojob Sinn zu finden?
Ich denke ja. Ein Weg kann sein, sich wie der Steinmetz in dem oben erwähnten Bild, zu überlegen, was der eigene Beitrag zum grossen Ganzen ist. Vielleicht ist es auch der richtige Weg, den Sinn ausserhalb des Jobs zu suchen. Die Suche nach dem Sinn ist auch aktuell ein bisschen in Mode gekommen. Das kann auch manchmal Stress auslösen. Ich denke das darf man auch etwas gelassener sehen. Nicht alles was wir täglich tun, muss Sinn ergeben. Was aber sicherlich sinnvoll ist, darüber nachzudenken, was einen glücklich macht, für was man brennt, welche Ziele man hat und was einen davon abhält, diese zu erreichen. Denn nur, wenn du dich wirklich kennst, wenn du weisst, was du möchtest, kannst du dein Leben so leben, wie du es dir vorstellst.
Nicoletta Huber
Nicoletta Huber ist Head of Human Resources eines KMU in Zürich und selbständiger Coach für die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung, Standortbestimmung, Neuorientierung wie auch Lebensziele. Als Dozentin unterrichtet sie daneben an der Kalaidos Fachhochschule das Modul Differentielle Psychologie. Nach ihrem Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Zürich arbeitet sie seit mehr als 15 Jahren im Bereich HR in den unterschiedlichsten Funktionen unter anderen bei Swisscom, Migros wie auch bexio.
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