Kommunikation

Die Briefelemente und ihre Funktion (Teil 2)

Worauf es bei der Adresse, dem Datum und der Betreffzeile ankommt, war Thema in der letzten Ausgabe. Mit der Anrede wenden wir uns nun persönlich an den Empfänger oder die Empfängerin. Oft greifen die Schreibenden hier zu einer gedankenlosen Floskel. Doch es geht auch anders.

Die Anrede

«Und nun kommen wir zur schrecklichsten und am häufigsten angewendeten Floskel der Gegenwart, die nicht totzukriegen ist», sage ich jeweils in meinen Kursen an dieser Stelle. Genau, es geht um die Anrede «Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte Frau Vontobel». Stammt diese Floskel nicht aus dem Mittel­alter, als man am Strassenrand noch den Bückling machte und die Oberschicht mit «Sehr geehrte Frau Baronin» begrüssen musste? In der heutigen Zeit ist diese Anrede nichts anderes als eine unbedachte Floskel, die nicht hinterfragt wird. Verehren Sie den Empfänger, die Empfängerin tatsächlich? 20, 30, 50 Leute jeden Tag? Im Gegenteil, wir befinden uns auf Augenhöhe – gerade in der Geschäftskorrespondenz gibt es keinen Anlass, zu dieser toten Floskel zu greifen, die sowieso niemand ernst nimmt.

Und der Ersatz dafür? Die modernen Lehrbücher schlagen «Guten Tag Frau Oberholzer» vor. Das ist zeitgemäss und entspricht unserer direkten Umgangssprache. Achtung: «Guten Tag» ist nicht von der Tageszeit abhängig, die Anrede kann auch am Nachmittag oder am Abend verwendet werden!

In der Praxis allerdings muss man dieser über 100-jährigen Floskel wohl oder übel eine Hintertüre offen lassen. Die Frage ist: Muss man nicht so antworten, wie man angesprochen wird? Zähneknirschend kann man dazu den Rat geben: Wenn Sie ganz sicher gehen wollen und mit einer eher konservativ-klassischen Branche korrespondieren, dann ja, wenn Sie sich zum Beispiel für eine Stelle bewerben. Sicher ist sicher. In den Sprachleitfäden eini­ger Versicherungen und Banken ist das «Sehr geehrte» im Umgang mit Kunden zwingend vorgeschrieben. Ob das ein 20-jähriger Ver­sicherter auch dynamisch und zeitgemäss (oder cool) findet, ist eine andere Frage.

Aufgepasst: Viele Menschen reagieren auf «Hallo Herr …», «Liebe Frau …» oder «Grüezi Herr …» allergisch. Solange man nicht weiss, wer auf der anderen Seite sitzt, also bei einem ersten Kontakt, bleibt man bei «Guten Tag Frau …».

Der Brieftext

Nach der Anrede folgt der Text, das Gespräch mit dem Empfänger, der Empfängerin. Diese grobe Unterteilung hilft, den Inhalt zu strukturieren: Einstieg, Mittelteil, Ausstieg (Schlusssatz, Handlungsaufforderung).

Bevor man loslegt, fragt man sich am besten, was das Ziel des Briefes ist, warum man dieser Person schreibt. Das ist simpel, zwingt einen aber dazu, sich beim Schreiben zu überlegen, welche Sätze zielführend sind. Floskeln sind nicht zielführend. Gerade schreibt mir ein Verkäufer: «Ich bedanke mich höflich, dass Sie sich Zeit genommen haben für das nette Gespräch. Gerne unterbreite ich Ihnen die gewünschte Offerte.» Ich habe ihn durchschaut: So flattiert er allen Kunden, und ob er sich nun höflich oder unhöflich bedankt, ist mir eigentlich egal. Zielführend wäre: «Wenn Sie bis Ende Woche bestellen, liefern wir Ihnen das besprochene Gerät für 645 Franken, inklusive Installation!» Das ist der Einstiegssatz, der sitzt, mit allen Informationen.

Früher galt die Regel: Der erste Satz eines Briefes muss immer freundlich sein. Heute gilt: Mit dem ersten Satz muss man zur Sache kommen, kein Mensch hat die Zeit dafür, zu lesen, wie nett das Telefongespräch war, oder wie jemand sich freut, eine Offerte zu senden. Viel wichtiger ist der Schlusssatz, der Ausstieg. So wie man sich verabschiedet, so bleibt man in Erinnerung. Aber bitte nicht so: «Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.»

Die Grussformel

«Freundliche Grüsse» lautet die offizielle Verabschiedung in einem Brief – bei einem formellen Kontakt sogar zwingend. «Liebe Grüsse» ist in der Geschäftskorrespondenz zu nah und zu aufdringlich (ausser Sie haben zu dieser Person einen persönlichen Kontakt). Und bitte: Schreiben Sie nie wieder: «Wir verbleiben mit freundlichen Grüssen.» Schlimmer ist nur noch: «Hochachtungsvoll.»

Der Absender

Der Absender gibt in vielen Firmen zu Diskussionen Anlass. Gehört der Firmenname (wir reden immer noch von der Briefsprache, für E-Mails gelten andere Regeln) in den Absenderblock oder nicht? Auf dem vierfarbig gedruckten Briefbogen prangen stolz das Logo und die Firmenbezeichnung – deshalb wird der Firmenname im Absender nicht wiederholt.

Anders verhält es sich mit den Funktions­bezeichnungen, vor allem in Branchen, in denen es für den Kunden, die Kundin wichtig ist, ob der Schreibende überhaupt über eine Handlungsvollmacht verfügt, Geschäftsführer ist oder Prokurist. Ich denke da vor allem an Versicherungen und Banken. Aber, um noch einmal auf die Adresse zurückzukommen: Schreiben Sie eine Funktionsbezeichnung nie in eine Adresse, das wäre dann wirklich vorsintflutlich.

Die Beilagen

Voller Vorfreude ziehe ich den 32-seitigen Ferienkatalog aus dem C4-Couvert und blättere ihn durch – von Marrakesch bis ins Tirol. Später entdecke ich den den Begleitbrief dazu. «Beiliegend finden Sie unseren neuen Ferienkatalog», steht da. Und unten rechts: «Beilage erwähnt». Danke für den Hinweis, ohne den ich den Katalog nie entdeckt hätte.

Beilagen müssen nicht erwähnt werden. Oder höchstens als Dienstleistung für den Empfänger, die Empfängerin, wenn es sich um mehrere handelt (aber ohne «Beilage: …»). Das kann hilfreich sein, damit der Empfänger, die Empfängerin prüfen kann, ob alles dabei ist. 

Das PS

Das PS stammt aus der Zeit, als Briefe noch mit Feder und Tinte auf handgeschöpftes Papier oder Pergament geschrieben wurden. Hatte man im Text einen Satz oder wichtigen Hinweis vergessen, setzte man die Ergänzung als PS (lateinisch Postscriptum bzw. postscribere «dahinterschreiben») unter das Geschriebene. Im elektronischen Zeitalter ist das nicht mehr nötig. Das PS wird eingesetzt, um noch einmal auf etwas Wichtiges hinzuweisen. Doppelpunkt nicht vergessen (PS: Am kommenden Samstag haben wir bis 16 Uhr geöffnet).

Der Verteilvermerk

Der Verteiler (Kopie an Herrn Peter Falk) befindet sich immer zuunterst des Briefes (also nach PS und der Erwähnung von Beilagen).

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Gerold Brütsch-Prévôt, eidg. dipl. Kommunikationsleiter, ist Partner der Text- und Werbeagentur Wortstark 
in Zürich und unterrichtet an verschiedenen Schulen. An der KVZ Business School lehrt er das Fach «Kommunikation 
in der Muttersprache» im Lehrgang «Direktionsassistent/-in mit eidg. 
Fachausweis».

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