premium Drei KMU-Assistentinnen im Porträt-Special

Die Allrounderinnen

Wer als Assistenz in einem kleinen oder mittleren Betrieb (KMU) arbeitet, hat nicht nur ein vielseitiges Aufgabengebiet, sondern kann auch einiges bewegen. Wie das im Alltag konkret aussieht, erzählen uns die drei Geschäftsleitungsassistentinnen Lisa Fäh, Franziska Kilchenmann und Andrea Pablos.

Die COO

«Moment, darf ich schnell?» Lisa Fäh blickt konzentriert auf ihr Handy. «Nein, es ist nichts», murmelt sie und erklärt: «Mein Chef ist in den Ferien und das Telefon ist auf mich umgeleitet. Wenn ein Spital oder ein Arzt anruft, muss ich reagieren – es könnte Material für eine OP fehlen.»Lisa Fäh ist CEO-Assistentin bei der Spine Surgical GmbH, einer Firma für Medizintechnik in Zollikofen bei Bern. Bei der Firma handelt es sich gemäss Definition des Bundesamts für Statistik um ein sogenanntes Mikrounternehmen – dies sind Firmen mit bis zu neun Mitarbeitenden. Knapp 540 000 gibt es davon in der Schweiz und sie beschäftigen gut einen Viertel aller Erwerbstätigen hierzulande. Bei Spine Surgical arbeiten drei Leute: der CEO, Lisa Fäh selbst und eine weitere Mitarbeiterin. Bei so wenig Personal trägt Fäh viel Verantwortung und hat selbst beim Miss-Moneypenny-Interview das Geschäft immer im Blick.

 

«Meine Aufgabe ist es, alles zu tun, um meinem Chef den Rücken freizuhalten», sagt Lisa Fäh, CEO-Assistentin bei der Spine Surgical GmbH.

 

Der Chef und Firmeninhaber hat sich vor zwölf Jahren auf Nischenprodukte im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Traumatologie spezialisiert; vor fünf Jahren ist die dynamische 59-Jährige bei der Firma eingestiegen. Spine Surgical bezieht OP-Systeme und Implantate im Ausland und liefert sie an Schweizer Spitäler und Ärzte. «Mein Chef ist sehr gut darin, innovative Produkte aufzuspüren und sie auf den hiesigen Markt zu bringen», sagt Fäh und weist damit auf eine Stärke der Schweizer KMU hin: Sie sind oft hochspezialisiert und besitzen grosses fachliches Know-how.

Während der CEO zu den Ärzten und Spitälern fährt, dort die Leute zu den Produkten schult oder bei OPs unterstützt, kümmert Fäh sich um die Logistik. So nimmt sie die Produkte entgegen, überprüft sie, schaut, ob genügend Material für anstehende Operationen vorhanden ist, organisiert Nachschub, koordiniert Termine. Die Herausforderung sei, dass das Material zur rechten Zeit am rechten Ort sei – manchmal bringe sie die Bestellungen höchstpersönlich mit dem Auto im Spital vorbei, wenn es pressiere, sogar am Wochenende. Zudem ist Lisa Fäh im stetigen Kontakt mit den Lieferanten in Frankreich, Italien und den USA; sie spricht nicht nur die Landessprachen, sondern kennt sich mit den Fachausdrücken aus, die sie sich zusammen mit dem medizinischen Wissen nach und nach angeeignet hat – ganz nach ihrem Motto «learning by doing».

Meine Wahl

Spontaneität oder Planung?

Ich plane gerne, kann aber auch sehr spontan sein, wenn’s passt.

Morgenmensch oder Nachteule?

Morgenmensch. Nach 20 Uhr sind meine Batterien leer und meine Augen fallen zu, fragen Sie meinen Partner.

Stilettos oder Turnschuhe?

Stilettos als ich 29 Jahre jung war (habe aber immer noch wunderschöne Exemplare im Schrank für besondere Gelegenheiten).
Mit 59 Jahren eher Sneakers.

Asketin oder Genussmensch?

Voll und ganz Genussmensch!

Strand oder Berge?

Ich liebe den Strand, mittlerweile bin ich aber öfters in den Bergen unterwegs.

 

«Meine Aufgabe ist es, alles zu tun, um meinem Chef den Rücken freizuhalten», erklärt Fäh. «So kann er sich auf die Beschaffung und die Kunden konzentrieren.» Entsprechend denkt das Organisationstalent auch bei der Routenplanung mit, damit der Chef speditiv in der ganzen Schweiz unterwegs sein kann: «Wenn er zum Beispiel in Chur bei einem Arzt ist, lasse ich ihn das gleich mit einem Besuch im Kantonsspital verbinden.»

In einer Grossfirma würde Lisa Fähs Jobtitel wohl «COO» lauten, bei all den Aufgaben und der Verantwortung, die sie trägt. «Vermutlich», schmunzelt sie. «Aber mir gefällt es als Assistentin in unserem kleinen Unternehmen. Ich habe einen kurzen Dienstweg, die Abläufe sind schlank und es behindern mich weder Hierarchie noch Bürokratie – ich kann die Dinge tun, wie ich sie für richtig halte. Hauptsache, das Resultat stimmt.»

Lisa Fäh

Nach ihrer Lehre zur Detailhandelsfachfrau im Kanton Bern stieg Lisa Fäh in die Hotellerie ein und arbeitete für verschiedene bekannte Häuser wie das Gstaad Palace, wo sie zur ers­ten weiblichen Chef de Réception aufstieg. Anschliessend zog es sie in die Modebranche nach Asien; sie lebte in Hongkong, Thailand und Indonesien. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wurde Fäh Direktionsassistentin bei Gstaad Saanenland Tourismus und leitete sechs Jahre das Tourismusbüro, bevor sie 2017 zur Spine Surgical GmbH stiess. Lisa Fäh hat eine Tochter und lebt mit ihrem Partner im Kanton Bern

 

Die Systemrelevante

Wer dieser Tage die Nachrichten verfolgt, kommt am Thema Energieversorgung nicht vorbei. «Normalerweise werden wir nicht gross beachtet», sagt Franziska Kilchenmann, Geschäftsleitungsassistentin bei der Industrielle Betriebe Interlaken AG (IBI). «Das hat sich jetzt geändert.» Denn die IBI beliefert Interlaken und umliegende Gemeinden nebst Trinkwasser mit Strom und Gas.

Seit vier Jahren arbeitet Franziska Kilchenmann im 55-Personen-Betrieb. Was ihr besonders gut gefällt: dass alle am gleichen Strang ziehen. «Unser gemeinsamer Nenner ist die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Energie. Selbst wenn wir mal uneins sind, kennen wir die Richtung und sehen den Sinn in unserer Arbeit.» Dazu kommt, dass die Entscheidungswege in der Firma kurz sind – die IBI hat eine überschaubare Grösse, man kennt sich vom Monteur bis zur Geschäftsleitung persönlich. Wer ein Anliegen hat, kann direkt, ohne Terminvereinbarung, mit dem Chef sprechen, sagt Kilchenmann: «Spätestens in der Kaffeepause sieht man sich.»

 

«Man schaut zueinander», erklärt Franziska Kilchenmann, Geschäftsleitungsassistentin bei der Industrielle Betriebe Interlaken AG (IBI).

 

Zuvor hatte die Direktionsassistentin in einem Grosskonzern mit mehreren tausend Mitarbeitenden gearbeitet. Dort musste sie teilweise lange auf Feedback oder Entscheidungen warten. «Irgendwo hat es immer geklemmt.» In der IBI, wo die gesamte Belegschaft in einen SBB-Waggon passen würde, ist das anders: «Hier gehen die Dinge schneller vorwärts.»

Bei der IBI hat Kilchenmann auch deswegen angeheuert, weil sie sich mehr einbringen, mehr Einfluss haben wollte. Tatsächlich ist sie beim Energieversorger kein kleines Rädchen im System mehr, sondern relevant für den reibungslosen Ablauf im Betrieb – zumal ihre Aufgaben vielfältig sind. Von Marketing und HR über Kommunikation und Buchhaltung ist Kilchenmann überall dabei. «Klar, ich protokolliere die Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratssitzungen oder organisiere Anlässe. Aber ich arbeite auch in Projekten mit – die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft beispielsweise durfte ich administrativ begleiten.» Vor Kurzem hat Kilchenmann auch die interne Kommunikation übernommen. «Dafür haben wir das Intranet frisch aufgebaut. Vom Arbeitsjubiläum bis zu Baustelleninfos kommunizieren wir jetzt alles darüber.» So können sich die Leute auch über den digitalen Kanal austauschen und einbringen. Dass die Mitarbeitenden gehört werden, sei der GL ein grosses Anliegen, sagt Kilchenmann: «Beim neuen Personalreglement etwa konnten alle mitreden.»

Meine Wahl

Bauch oder Kopf?

Bauch. Ich tendiere privat zu schnellen Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Geschäftlich habe ich gelernt, den Kopf auch noch einzusetzen.

Einzelgängerin oder Teamwork?

Wohl eher Einzelgängerin. Ich mag es, mir meine Aufgaben selbst einzuteilen und sehr selbständig zu
arbeiten. Wenn alle am gleichen Strang ziehen, gefällt mir aber auch Teamwork gut.

Sport oder Wellness?

Bis vor zwei Jahren wäre die Antwort eindeutig Wellness gewesen. In der letzten Zeit habe ich aber doch noch meine sportliche Seite entdeckt und mache jetzt regelmässig und gerne – aber in einem moderaten Rahmen – Sport.

Romantik oder Action?

Romantik. Action ist weder beim Film oder Lesen noch bei meinen Freizeitaktivitäten mein Ding. Bei der Arbeit hingegen liebe ich es, wenn etwas läuft.

Süss oder sauer?

Sauer. Süssem bin ich aber auch nicht abgeneigt.

 

Obwohl Kilchenmann 60 Prozent arbeitet, kann sie ihre vielfältigen Aufgaben gut bewältigen; sie sei gefordert, aber nicht überfordert. Es werde auch immer wieder betont, dass sie jederzeit nein sagen dürfe. Nein zu sagen, das werde in der Firma generell gefördert – vor allem bei den Monteuren, denn da gehe es um Sicherheit auf der Baustelle. «Man schaut zueinander», sagt Kilchenmann. «Der Umgang ist sehr menschlich.»

Ob das einer der Gründe ist, warum die IBI letztes Jahr den «Swiss Arbeitgeber Award» als bestes Unternehmen in der Kategorie 50–99 Mitarbeitende gewonnen hat? «Wir wussten schon immer, dass wir ein sehr gutes Arbeitsklima haben», sagt Franziska Kilchenmann. «Als dann die Leute abgestimmt hatten – denn diesen Award vergeben die Mitarbeitenden –, hatten wir es quasi schwarz auf weiss.» Natürlich sei auch bei ihnen nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. «Doch letztlich ziehen wir alle am gleichen Strang. Dass wir nun ausgezeichnet wurden, darauf sind wir sehr stolz.»

Franziska Kilchenmann

Franziska Kilchenmann stammt aus dem Kanton Bern, wo sie auch ihre Lehre zur kaufmännischen Angestellten absolvierte. Danach arbeitete sie als Sachbearbeiterin in der Tourismus-Organisation Interlaken. Später wechselte sie zur Interlaken Congress & Events AG als Kongressberaterin, bis sie schliesslich bei der RUAG, einem Schweizer Technologiekonzern, als Assistentin anheuerte und dort acht Jahre verbrachte. Seit vier Jahren assistiert sie der Geschäftsleitung bei der IBI. Sie ist verheiratet, hat eine achtjährige Tochter und lebt in ­Wilderswil.

 

 

Die Vielseitige

Andrea Pablos hat in ihrem Leben schon vieles gemacht – etwa Konzerttourneen für den Sänger Bo Katzman organisiert oder den Wahlkampf eines Politikers betreut. Sie ist auch als Stewardess in der Weltgeschichte herumgeflogen, hat für einen Pharmariesen gearbeitet und bringt seit vielen Jahren als Zumba-Instruktorin die Leute dazu, ihre Hüften zu schwingen. Seit gut einem Jahr arbeitet sie als Geschäftsleitungsassistentin für die Stamm Bau AG, ein in Arlesheim ansässiges Bauunternehmen in ihrem Heimatkanton Basel-Landschaft. Warum hat sie sich – nach einer so schillernden Karriere – ausgerechnet für ein KMU in der Baubranche entschieden?

«Ich hatte zuvor schon in einem KMU gearbeitet, als persönliche Mitarbeiterin für einen Nationalratskandidaten, der eine Baufirma hatte», erzählt Andrea Pablos. «Ich kenne aber auch die Welt der Grosskonzerne.» Bei Letzteren, so empfand sie es, konnte sie nicht so eigenständig agieren wie ein einem kleineren Betrieb. «Wenn ich in einem KMU einen Event organisiere, kann ich selbst die Angebote einholen und entscheiden. In einem grossen Unternehmen läuft das über die entsprechende Corporate-Abteilung, wo ich einen Eventmanager als Ansprechperson habe.» In der kleinen Stamm Bau AG hingegen könne sie generell sehr selbstständig arbeiten, sagt Pablos. Das gefalle ihr.

 

«Manchmal ist es ein Spagat», sagt Andrea Pablos, Geschäftsleitungsassistentin für die Stamm Bau AG.

 

Obwohl – ganz so klein ist die Baselbieter Baufirma mit ihren 450 Mitarbeitenden und zwölf Betrieben nicht. Deshalb musste auch das Thema Kommunikation in Angriff genommen werden; denn je mehr Leute in einem Unternehmen arbeiten, desto komplexer wird der Informationsaustausch. «Als ich anfing, gab es in der Stamm Bau noch keinen digitalen Kanal für die interne Kommunikation, sondern lediglich ein Printmagazin», erzählt Pablos. So wurde die Digitalisierung der Kommunikation zu einem der ersten Projekte, die sie bei ihrem neuen Arbeitgeber leiten durfte – denn die ausgebildete Webdesignerin hatte schon andernorts das Intranet eingeführt und ihre Fähigkeiten kamen für das Unternehmen wie gerufen.

Meine Wahl

Struktur oder Chaos?

Ganz klar Struktur. Im Büro, aber auch privat funktioniere ich gerne strukturiert.

Büro oder Homeoffice?

Ich schätze den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen sehr – deshalb Büro.

Auto oder Zug?

Auto und noch lieber Motorrad – auf meiner Harley kann ich am ­besten abschalten.

Film oder Buch?

Es geht nichts über ein gutes Buch, ich liebe Krimis.

Spazieren oder biken?

Wenn, dann spazieren, aber am liebsten tanzen und das dreimal
pro Woche.

 

Dem CEO, ihrem Chef, sei die Digitalisierung sowieso ein grosses Anliegen, was wiederum der vielseitigen GL-Assistentin zugute kommt: «Ich bin sehr IT-affin», sagt sie. Entsprechend sind ihre Aufgaben spannend und vielfältig. «Zum Beispiel bin ich auch verantwortlich für unser Customer-Relation-Management-Tool; ich mache Schulungen oder helfe dabei, das Tool intern zu vermarkten.» Nebst den klassischen Tätigkeiten wie Sitzungsvorbereitung, Protokollführung und der administrativen Unterstützung der GL organisiert sie auch den grossen alljährlichen Kundenanlass mit 500 Gästen. «Da ich aus der Eventbranche komme, trifft sich das gut», meint sie. Prozessoptimierungen in der Administration sind ebenfalls ein Thema – denn auch in einem KMU kann man stets effizienter werden. «Deshalb schaue ich, dass wir Assistenzen uns regelmässig für einen Austausch treffen.»

Eine breite Palette an Aufgaben, die Andrea Pablos managt – wie bekommt sie alles unter einen Hut? «Manchmal ist es ein Spagat. Aber mein Chef und ich treffen uns jeden Morgen zu unserem ‹Check-in›. Da setzen wir die Prioritäten.» Die Energie für ihren abwechslungsreichen Job holt sie sich dann abends beim Tanzen oder wenn sie auf ihrer Harley durch die Gegend braust. Ob im Job oder privat: Andrea Pablos ist in jeder Hinsicht vielseitig.

Andrea Pablos

Andrea Pablos ist im Baselbiet aufgewachsen. Nach ihrem Handelsdiplom bildete sie sich in Webdesign und Eventmanagement weiter, arbeitete jedoch zunächst als Stewardess. Danach wechselte sie in den Bereich Marketing und war mehrere Jahre als Eventmanagerin für den Schweizer Musiker Bo Katzman tätig. Nach einem Zwischenstopp als Leiterin einer Stabsstelle in einem Spital zog es sie in die Politik, wo sie als persönliche Mitarbeiterin eines Nationalratskandidaten dessen Wahlkampf betreute. Heute ist sie als ­GL-Assistentin bei der Stamm Bau AG in Arlesheim. Sie hat zwei ­erwachsene Töchter und lebt mit ihrem Mann in Bubendorf.

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Jelena Martinelli ist selbstständige Texterin bei martinellitext. Sie schreibt leidenschaftlich gerne Blogs und Publireportagen und auch sonst alles, was mit Online-Marketing zu tun hat.

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