Der Ton macht die Musik
Wer es versteht, beim Schreiben und Reden auch die drei Aspekte Satzmelodie, Sprechrhythmus und Wortklang bewusst einzusetzen, findet in vielen Situationen des Büroalltags mehr Gehör. Von der verbindlichen Vereinbarung über das klare Statement im Meeting bis zur herzlichen Einladung – eine stimmige «Komposition» verstärkt die Resonanz.
Während die tragende Bedeutung von Melodie, Rhythmus und Klang in der Musik für uns ganz selbstverständlich ist, spielt sie in der Sprache – gesprochen und geschrieben – oft eine Nebenrolle. Hier liegt der Fokus häufig vollständig auf dem Inhalt. Dabei lässt sich dessen Wirkung durch den ausgewogenen Dreiklang (Melodie, Rhythmus, Klang) gezielt unterstützen. Viele folgen hier der Intuition und liegen durchaus richtig. Es lohnt sich allerdings, die Zusammenhänge etwas genauer anzuschauen, um diese «Booster» gewollt einsetzen zu können. Denn zu einem guten Text, geschrieben oder gesprochen, gehört auch der gute Sound.
Die Keyplayer für den Wortklang
Neben aller subjektiven Wahrnehmung gibt es zur Wirkung des Sprachklangs weitverbreitete Übereinstimmungen hinsichtlich bestimmter Vokale und Konsonanten, sowohl einzeln als auch in Kombination. Manche Laute empfinden die meisten Menschen als natürlich klangschön. Und das schon seit Jahrtausenden; bereits der griechische Philosoph Platon teilte diese Meinung. Zu den Wohlklängen gehören beispielsweise die Vokale I, Y, E, A und O sowie verschiedene Vokalkombinationen, in der Fachsprache «Diphthong» (Doppellaut) genannt, wie ei, ai, oi, ie, ia, io oder eu, au. Sie sind meist positiv konnotiert und werden räumlich wahrgenommen.
Beispiele:
Feier, Laib oder Hain, Voice, Heim, Haus
Doch es gibt auch Schattenseiten. Denken wir an den Vokal u und die Vorsilbe Un-/un-, oft unheilvolle Boten, manifestiert zum Beispiel in Worten wie Untergang, Unwetter, ungemütlich, … Andererseits entspannt das U, macht rund und ruhig. Mit dem I verhält es sich ähnlich. Zu oft eingesetzt, macht es Sprache oder Text schrill und spitz.
Bringen Vokale Farbe und Lebendigkeit in die Sprache, sorgen Konsonanten in erster Linie für Prägnanz. Dafür setzen sie mit markanten Lauten (s, sch, ch, f, p, t, k, r) deutliche Akzente, schaffen Klarheit und sorgen für Sachlichkeit.
Eine gute Ausgangsbasis schaffen
Vor aller Feinarbeit mit den verschiedenen «Werkzeugen» wie dem sprachmusikalischen Dreiklang (siehe oben), Vokalen und Konsonanten lohnt es sich allerdings, für eine gute Ausgangssituation zu sorgen, Beziehungsebenen und Absicht zu klären.
- Wie geht es mir? Bin ich in einer guten Verfassung? Habe ich gut für mich gesorgt?
- Welche Beziehung habe ich zum Publikum oder den Gesprächspartnern?
- Wie ist meine Haltung zum Thema, über das ich sprechen oder schreiben will? Bin ich fachlich gut vorbereitet? Sind die Informationen gut strukturiert? Welche Absicht verfolge ich mit Text oder Rede? Will ich sachlich kühl bleiben oder emotional begeistern?
Hinweis: Sachliche Sprache ist rhythmischer – emotionale Sprache ist melodiöser.
Taktvoll sachlich und gewinnend
Im Büroalltag überwiegt der sachliche Kontext. Kurze Sätze mit gleichmässiger aber keineswegs monotoner Melodie und zügigem Rhythmus sind hier das Mittel der Wahl. Möglicherweise hilft dabei der Gedanke an einen morgendlichen Wake-up-Call-Song. Keinesfalls aber sollten Texte oder Reden wie Marschmusik mit Pauken und Trompeten daherkommen – wer wird schon gerne «anposaunt»?!
Wer sich auf der sachlichen Ebene Gehör verschaffen und seine Informationen eindeutig platzieren will, spricht oder schreibt daher informativ, konkret, aktiv, durchaus appellierend und dabei gerne auch klar und verbindlich.
Beispielsweise so:
Bitte senden Sie uns den unterzeichneten Vertrag bis … zurück. Vielen Dank.
Sie erhalten Ihre Dokumente bis …
Sollten Sie Fragen dazu haben, sprechen Sie mich bitte an.
Zu diesem Thema möchte ich Folgendes ergänzen: … (Aufzählung)
Als Grundlage für unsere Entscheidung zählen diese Fakten: …
Emotional berührend
Melodiöse Sätze, weiche Konsonanten und lange Vokale machen die Sprache lebendig, farbig und emotional. Zudem ist Wortvielfalt gefragt. Insbesondere lautmalerische Verben wie plätschern, rauschen, knistern … werfen das Kopfkino an, erzeugen Bild und Ton. Wer den sprachmusikalischen Dreiklang so spielt, weckt Empathie und erzeugt Dialogbereitschaft beim Gegenüber.
Beispiele:
Einladung: Sie sind herzlich zu unserem traditionellen Apéro eingeladen. Geniessen Sie einen gemütlichen Abend in freundschaftlicher Atmosphäre am leise knisternden Kaminfeuer. Wir freuen uns auf gute Gespräche bei Punsch und regionalen Köstlichkeiten. Bis bald!
Einstieg in Weihnachtsrede:
Liebe Gäste
Geschichten bereichern unser Leben. Geschichten bleiben, sie sind Teil von uns. Auch2015 sind wieder einige dazugekommen, manche davon kennen wir. Gemeinsam haben sie zum Erfolg geführt …
Gut bei Stimme
Die Rede ist geschrieben, die Präsentation bis ins letzte Detail vorbereitet, der sprachmusikalische Dreiklang voll ausgeschöpft. Was, wenn jetzt vor lauter Nervosität die Stimme stressbedingt zwei Oktaven höher rutscht und zum gepressten Piepsstimmchen mutiert?
Dieser Notfallplan hilft garantiert:
1. Sich gerade auf die Vorderkante eines Stuhls setzen und die Füsse hüftbreit auseinander fest auf dem Boden «verankern»
oder
aufrecht stehend mit leicht federnden Knien die Füsse ebenfalls hüftbreit auseinander fest im Boden verwurzeln
2. Ruhig und tief durchatmen, mit einem möglichst langgezogenen Ausatmen. Das befreit von aufgestautem Stress und Anspannung, dauert nur knapp sieben Sekunden und kann fast unbemerkt geschehen.
Beides steigert die Präsenz; der Atemfluss wird gleichmässig und tiefer. Jetzt sinkt auch die Stimme wieder in ihre gewohnte Lage, klingt sonorer und voluminöser. Das unterstützt einen sicheren, souveränen Auftritt.
Mit dem Dreiklang zum Einklang
Der sprachmusikalische Dreiklang aus Melodie, Rhythmus und Klang bietet vielfältige Möglichkeiten, den gesprochenen und /oder schriftlichen Dialog zu verfeinern und zu wahrer Meisterschaft zu bringen. Er ist ein kreatives Mittel, Kommunikation noch genussvoller und wirksamer zu gestalten. Um schliesslich das in Sprache zu fassen, was jede und jeder von uns tatsächlich sagen will.
Sachlich vs. emotional
In der Gegenüberstellung von eher sachlicher und eher emotionaler Sprache sind die Unterschiede deutlich. Wer eine harmonische Atmosphäre schaffen will, wählt die emotional formulierte Version:
Beispiele: prägnant (sachlicher) – weich (emotionaler)
präzise Auflistung – genaue Angaben
Der Effekt ist derselbe. – Die Wirkung ist ähnlich.
Dasselbe sage ich auch. – Das ist auch meine Meinung.
Ich bitte sehr, dass … – Darf ich darum bitten, …?
Das tut mir leid. – Ich fühle mit Ihnen.
Das kann sein. – Das ist vielleicht möglich.
Wir müssen diesen Konflikt lösen. – Wir möchten diese Situation klären.
Hörmuster zu im Artikel aufgeführten Beispielen finden Sie unter voicepower.ch.