Papierloses Büro

Der lange Abschied vom Papier

Mit digitalem Dokumentenmanagement kämpfen IT-Manager gegen die steigende Papierflut im Büro. Wer es richtig anpackt, senkt die Kosten und optimiert seine Geschäftsprozesse. Das Papier vollständig verdrängen kann die Digitaltechnik aber nicht.

Papier ist ein erstaunlich emotionales Thema. Die einen schwärmen vom Papier als Träger von Kulturgütern wie Buch oder Zeitung, die anderen begeistern sich für die Haptik, wieder andere beklagen die Abholzung der Wälder für die Papierproduktion. Und die IT-Manager wollen das Papier im Büro ganz loswerden.

Über das «papierlose Büro» wird seit zwei Jahrzehnten diskutiert. So richtig erfolgreich ist diese Idee bisher nicht. Im Gegenteil, der Papierverbrauch steigt seit vielen Jahren kontinuierlich an – trotz Computer.

Beliebtheit von Tablets steigt

In der Schweiz immerhin scheint er jetzt langsam zu sinken. Immer mehr Unternehmen arbeiten daran, Papier durch digitale Dokumente zu ersetzen. Die Swisscom beispielsweise hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr nur noch 4759 Tonnen Papier verbraucht, 2012 waren es noch knapp 8800 Tonnen.

Kommt das papierlose Büro jetzt doch langsam in Schwung? Gründe dafür gäbe es eine ganze Menge. Der steigende Wettbewerbsdruck zwingt viele Unternehmen, schneller zu agieren. Dementsprechend müssen auch Informationen schneller zur Hand sein und weitergeleitet werden. Hinzu kommt der Kostendruck, denn der Rohstoff Papier ist nun mal teuer. Auch der Trend zur mobilen Arbeit spielt eine Rolle. Kollegen, die unterwegs oder beim Kunden auf bestimmte Informationen zugreifen müssen, haben schon lange keine Lust mehr, dicke Aktenordner mitzuschleppen. Sie wollen mit ihren Notebooks oder Tablet-PCs von unterwegs auf Dokumente zugreifen können. Apropos Tablet: Diese Mobilrechner sind gerade bei Studenten ausserordentlich beliebt. Sie lesen Unterlagen oder White Paper vielfach nur noch als PDF-Dokument auf dem Display. Hier kommt also eine Generation junger Kollegen in die Betriebe, die das Lesen auf elektronischen Geräten gewohnt ist.

Nicht zu vergessen ist natürlich die Rechtslage. Seit langem schreibt diese vor, dass geschäftliche Unterlagen mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Bei elektronischen Dokumenten kommen noch Aspekte wie Revisionssicherheit hinzu (siehe Kasten).

Information statt Lesegenuss

Wie gut, dass auch die Technik in den letzten Jahren Fortschritte in dieser Richtung gemacht hat. Grosse Flachbildschirme und handliche Tablets haben das Lesen auf dem Bildschirm sehr viel angenehmer gemacht. Die Benutzerfreundlichkeit und die Haptik eines Buches haben die Displays natürlich noch nicht. Aber schliesslich geht es im Büro nicht um den Lesegenuss, sondern um die schnelle Information.

Das Konzept für die Digitalisierung der Informationen hört auf den etwas sperrigen Namen Dokumentenmanagement. Gemeint sind damit in der Regel komplette Lösungen, die die Archivierung von elektronischen Dokumenten, den Fluss der Informationen im Unternehmen und den Zugriff auf die Dokumente organisieren.

Die zentrale Frage dabei lautet: Welche Informationen oder Dokumente sollten digitalisiert werden und wo darf das Papier weiterleben? In der Regel besteht die Strategie darin, alle geschäftsrelevanten Dokumente, also Rechnungen, Verträge, Aufträge und dergleichen, zu digitalisieren. Das Notizbuch, in dem man spontan Ideen für eine neue Marketingstrategie aufgeschrieben hat, darf weiterleben. Das fertige Marketing-Konzept mit Arbeitsanweisungen für die Mitarbeiter sollte dagegen digital vorliegen.
Ein wichtiger Bestandteil des Dokumentenmanagements ist der Scanner. Nur so gelangen Informationen vom Papier auf die Festplatte. Die grosse Herausforderung: Die Dokumente nach einer bestimmten Ordnung oder Systematik ablegen und die Zugriffswege für die Mitarbeiter festlegen. Ausserdem müssen natürlich die Dateiformate definiert werden. Sonst kann es passieren, dass der mobile Mitarbeiter unterwegs den Vertragsentwurf für den Kunden nicht aufrufen kann, weil er die entsprechende Software gar nicht auf seinem Tablet hat.

Es geht nicht um einzelne Schnipsel

Wenn das System einmal funktioniert, ist das schon eine sehr praktische Sache. Nicht nur, dass alle Informationen platzsparend auf Festplatten archiviert sind, sie sind auch von jedem Ort und zu jeder Zeit zugänglich. In diesem Zusammenhang kann auch das viel diskutierte Cloud Computing nützlich sein (Artikel in Miss Moneypenny 1/2014 Seite 42). Aber es geht auch ohne die Cloud. Dokumente lassen sich auch auf dem firmeneigenen Server ablegen. Die mobilen Kollegen, Freelancer oder Heimarbeiter holen sich die Dokumente dann über eine gesicherte Internetverbindung. Inzwischen gibt es auch schon Apps, mit denen die Nutzer die Infos auf dem Smartphone lesen können.

Dass es beim Dokumentenmanagement nicht darum geht, jeden Papierschnipsel einzuscannen, sagen auch IT-Fachleute. «Das vollständig papierlose Büro wird es nie geben, digital optimierte und automatisierte Prozesse allerdings schon», sagt beispielsweise Matthias Kraus, Research Analyst beim Marktforschungsunternehmen IDC.

Der gute alte Netzwerkdrucker wird also noch lange nicht abgeschafft werden. Aber er soll weniger Arbeit bekommen. Druckerhersteller wie Canon, Kyocera oder Ricoh bieten die Möglichkeit, den Papier-Output durch gezieltes Druckmanagement zu begrenzen, sofern das nicht ohnehin Teil des Dokumentenmanagements ist.

Die Idee beim Druckmanagement – auch Managed Print Services (MPS) – ist es, alle Aspekte rund ums Drucken zu optimieren und die Kosten zu senken. MPS wird in der Regel als Dienstleistung angeboten. Zuerst werden alle Druckaktivitäten analysiert, angefangen vom Druckverhalten der Mitarbeiter über die Auslastung der Drucker bis hin zum Nachbestellen von Material. Daraus ergeben sich Empfehlungen für Drucklösungen und Rationalisierungen. Diese kann der IT-Manager als Richtlinien in die zentrale Management-Software integrieren. Darin legt er beispielsweise auch fest, dass bestimmte Drucker nur noch doppelseitig drucken oder teure Farbdokumente nur mit Genehmigung eines Vorgesetzten erstellt werden dürfen.

Es muss aber nicht immer die ganz grosse Lösung sein. Manchmal hilft auch Software, die den Ausdruck von PDF-Dokumenten blockiert. Und wer für seine Notizen auf dem Tablet mit dem Internetdienst Evernote oder Microso speichert und sortiert, braucht kein Papier mehr. Microsofts One Note leistet Ähnliches.

IT-Experten wie Matthias Kraus diskutieren aber weniger über den Kampf gegen die Zettelwirtschaft, sondern viel lieber über das grosse Potenzial, dass sie im Dokumentenmanagement sehen. Der IDC-Experte empfiehlt «zunächst Teilbereiche von dokumentenbasierten Abläufen zu verbessern, bevor dann die Geschäftsprozesse umfassend optimiert und automatisiert werden.»

Egal, ob man den Papierkram mit Einzelmassnahmen managt oder mit einer umfassenden Lösung arbeitet, das Thema wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Nach Schätzungen von IDC steigt die Informationsmenge in Unternehmen bis zum Jahr 2020 um den Faktor 30. Ohne ein effizientes System für das Management der Dokumente wird kein Unternehmen überleben können.

Die gute Nachricht dabei: Das Notizbuch mit dem feinen Papier und den schönen Kugelschreiber wird man auch 2020 noch benutzen dürfen.

Die Rechtslage

Grundlage für die Pflicht, Geschäftsdokumente aufzubewahren sind in der Schweiz das Obligationenrecht und die Geschäftsbücherverordnung. Nachfolgend die wichtigsten Regeln für die Archivierung.

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Das Unternehmen muss alle Unterlagen, die für das Geschäft und für die Besteuerung relevant sind, aufbewahren. Dazu zählen beispielsweise Rechnungen, Verträge, Bilanzen, Buchungsbelege und Jahresabschlüsse, Anweisungen für Mitarbeiter und Geschäftsbriefe. Letztere fallen als 
E-Mail ebenfalls unter die Aufbewahrungspflicht.
  • Die Unterlagen müssen mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Dokumente, die sich auf Geschäfte mit Immobilien und Grundstücken beziehen, sind 20 Jahre lang aufzubewahren.
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Die archivierten Dokumente müssen innerhalb einer angemessenen Frist wieder zugänglich -gemacht werden und in einem lesbaren Format vorliegen.
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Der Zugriff auf das Archiv muss kontrolliert werden.
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Dokument müssen nach dem Massstab der Integrität und Revisionssicherheit archiviert sein. Das bedeutet unter anderem, dass der Urheber eines Dokumentes erscheinen muss. Nachträgliche Änderungen am Dokument müssen ebenfalls klar gekennzeichnet und transparent sein. Revi-sionssichere E-Mails haben im Zweifelsfall auch vor Gericht Bestand.
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Mehmet Toprak ist freischaffender Journalist.

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