Der Hut muss sitzen
Wer für mehrere Chefs arbeitet, sitzt schnell zwischen allen Stühlen und der Versuch, es allen Recht zu machen scheitert oft. Doch mit klaren Regeln, guter Kommunikation und einem beherzten «Nein, den Hut setze ich mir nicht auch noch auf», kann der Spagat gelingen.
Klarheit von Anfang an
«Gerade wenn man für mehrere Führungskräfte arbeitet, sind klare Absprachen von Beginn an unerlässlich», weiss Ingrid Kohn von «etc. training und coaching». Die Assistenz sollte genau wissen, was von ihr erwartet wird, was ihre Kernaufgaben sind und wer die Prioritäten festlegt. «Ohne solche klaren Absprachen fühlt man sich schnell für alles und jeden verantwortlich und dann kann man nur verlieren», sagt die Trainerin. Ihrer Erfahrung nach ist das Klären von Erwartungen und Aufgabengebieten meist kein Problem. Doch ebenso wichtig und häufig unterbewertet ist ihrer Meinung nach eine Besprechung der Rolle der Assistenz im und für das Team. Wenn zu den Aufgaben mehrerer Führungskräfte noch Aufgaben aus dem Team an die Assistenz herangetragen werden, kommt jede schnell an ihre Grenzen. «Wichtig ist festzuhalten, für wieviele Personen man zuständig ist und ob das Pensum überhaupt zu schaffen ist», rät Ingrid Kohn. Gerade wenn es stressig wird, ist Nein-Sagen und Delegieren Pflicht. «Und das geht viel einfacher, wenn man von Anfang an weiss, wo und mit wem man das ohne Probleme kann», sagt Kohn. In Stresssituationen lässt sich das längst nicht mehr so einfach lösen, wie zu Beginn einer Tätigkeit.
Prioritäten setzen ist Chefsache
Aufgaben nach Prioritäten sortieren ist das A&O in der Assistenz. Dies gilt umso mehr, wenn die Aufgaben nicht nur von einem, sondern von verschiedenen Führungskräften kommen. «Gerade da machen aber viele einen ganz grundlegenden Fehler», warnt Ingrid Kohn. Denn was welche Priorität hat entscheidet nicht die Assistentin, sondern der Chef. «Das können und müssen Assistentinnen deutlich einfordern», sagt sie. Und zwar so konkret wie möglich. In der Praxis heisst das, dass bei jeder Aufgabe klar sein muss, bis wann sie erledigt sein soll. Und wenn das anderen Aufgaben widerspricht, sollte die Assistentin das kommunizieren und den Ball zurückspielen an die Führungskraft. «Die müssen sich einigen, nicht die Assistenz», sagt Ingrid Kohn. Bei Prioritätenkonflikten ist es in ihren Augen völlig legitim, wenn die Assistentin die Chefs höflich bittet, das untereinander zu lösen.
Transparente Strukturen sind Gold wert
To-Do-Listen sind immer sinnvoll, wenn mehrere Aufgaben parallel erledigt werden müssen, allein für den eigenen Überblick. Assistentinnen, die für mehrere Chefs arbeiten, rät Ingrid Kohn aber dringend dazu, diese auch transparent zu machen. «Am besten führt man sie elektronisch und gewährt den Führungskräften Einblick», empfiehlt sie. Da viele Vorgesetzte ergebnisorientiert denken, sehen sie meist nur das Endergebnis einer Aufgabe, nicht aber die Schritte bis dahin. «Die kleinen Aufgaben innerhalb eines Projektes gehören deshalb unbedingt auch in die Liste», sagt Ingrid Kohn. Wenn der Chef eine Präsentation haben möchte, muss man vielleicht erst mal die Zahlen zusammensuchen. Das das seine Zeit dauert, sollte in der Liste ersichtlich sein. Ingrid Kohn empfiehlt folgende Aufgabenverteilung für die Liste: «Die Führungskräfte liefern die groben Ziele und Inhalte, den Feinschliff und die Pflege übernimmt die Assistenz». Wenn jeder zu jeder Zeit Einblick in ihre Auslastung hat, ist es bei Prioritätenkonflikten oder Überbelastung auch weniger schwierig, den Ball zurück zu spielen.
Reden, reden, reden!
Auch wenn mit einer transparenten Aufgabenstruktur schon viel erreicht ist: Ohne Kommunikation geht es nicht. Eine Assistentin mit mehreren Vorgesetzten hat die gleich vielfach an der Backe. Sie muss mit jedem der Chefs einzeln reden, mit allen gemeinsam und meist noch mit dem Team oder sogar mit mehreren Teams. Konzentrieren sollte sie sich dabei auf die Kommunikation mit den Führungskräften. «Das ist schwierig genug, mit den Teams können die Chefs im Zweifel auch selbst reden», sagt Ingrid Kohn. Auch das ist ein Thema, das in die anfängliche Aufgabenbesprechung gehört. Regelmässige Jour-Fixes, egal ob persönlich oder telefonisch, sind in der Kommunikation zwischen Assistenz und Chef aber in jedem Fall Pflicht, denn anders lassen sich Aufgaben und Prioritäten nur schwer besprechen. Ingrid Kohn rät auch dazu, alle Vorgesetzte regelmässig zusammen zu trommeln. «Auch hier geht es wieder um Transparenz», sagt Ingrid Kohn. Bei Konflikten zwischen den Führungskräften sollte die Assistenz sich allerdings zurückhalten. «Die zu lösen ist nicht ihre Aufgabe», betont der Coach.
Jeder Chef ist anders
Der eine braucht Fakten, der andere geniesst Small-Talk, die eine steht auf aktives Mitdenken, die andere möchte nur, dass alles schnell und ordentlich erledigt wird – jede Führungskraft tickt anders. Und wer für mehrere arbeitet, muss immer hin- und herswitchen. «Da muss man sich enorm einstellen und das ist nicht immer einfach», weiss Kohn. Hilfe kommt dabei aber aus der Typen-Psychologie. «Wenn man weiss, welchen Typ man vor sich hat, kann man schnell herausfinden, was der jeweils erwartet und braucht. Und wie man bei ihm am einfachsten zum Ziel kommt», rät die Expertin. Hat man das einmal raus, fällt das Switchen nicht mehr so schwer.
Mein Hut passt mir gut
Die grössten Gefahren für Assistentinnen mit mehreren Vorgesetzten sind, dass sie in Aufgaben untergehen und sich zwischen den Chefs aufreiben. Mit einem klaren Aufgabenprofil und transparenter Arbeitsweise lässt sich die erste der beiden vermeiden. Für die zweite benötigt eine Assistentin dagegen vor allem persönliche Stärke. «Sie sollte immer sie selbst bleiben, egal wie sehr sie auf alle anderen eingeht», sagt Ingrid Kohn. Grenzen zu setzen und auch mal deutlich Nein zu sagen, ist für sie eine der Vorausetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung der anspruchsvollen Aufgabe. Eine Assistenin, die versucht, mehr Bälle anzunehmen, als sie spielen kann, wird zwischendurch sicher welche verlieren. Wer dagegen immer nur den Hut aufsetzt, der auch wirklich passt, bleibt immer souverän.
Chef Typen und wie man am besten mit ihnen umgeht
- Typ 1: Zahlen-, Daten-, Fakten-Mensch: Hier sollte sich die Assistenz kurz, klar und präzise ausdrücken. Bei den E-Mails kann auf Anrede, Gruss verzichtet werden. Inhalte sollten verständlich, logisch und genau vermittelt werden.
- Typ 2: Der strukturierte, organisierte Mensch: Tipp für die Assistenz: Schritt für Schritt vorgehen, Hintergrundinformationen kurz benennen, ebenso Zeit- und Massnahmenpläne.
- Typ 3: Der kreative Mensch, der das Ganze sieht. Tipp für die Assistenz: anschauliche Beispiele, Visionen, über den Tellerrand schauen, Neues wagen
- Typ 4: Der fühlende, hilfsbereite Mensch: Tipp für die Assistenz: Achtsamer und respektvoller Umgang miteinander. Anrede und Schluss gehören in eine E-Mail, ebenso ganze Sätze. Lieber etwas ausführlicher als zu kurz.
Zur Person
Ingrid Kohn war selbst lange Assistentin der Geschäftsführung, mittlerweile leitet sie gemeinsam mit einer Partnerin ein Coaching-Unternehmen. Schwerpunkt ist praxisnahes Training in den Bereichen Arbeitsorganisation, Zeit- und Selbstmanagement.
etc-training-coaching.de