Deadlines – wenn die Kollegen nicht pünktlich liefern
«Denk dran, Freitag muss der Bericht da sein!» oder «Immer muss ich dich an alles erinnern!»: Wer solche Sätze häufiger zu den Kollegen sagt, hat ein Problem. Denn eigentlich gehört es nicht zu den Aufgaben einer Assistenz, Ergebnissen hinterherzulaufen oder ständig an Deadlines zu erinnern. Aber mit klarer Kommunikation und freundlicher Bestimmtheit kann man die Probleme in den Griff bekommen.
Unvorhergesehene dringende Termine, Krankheitstage, zu voller Schreibtisch: Es gibt zahlreiche Gründe, warum Deadlines nicht eingehalten werden. Und es kommt auch ganz ohne böse Absicht oder schlechtes Zeitmanagement immer wieder vor. Wer darauf vorbereitet ist, kann schon bei der Festlegung von Deadlines dafür sorgen, dass er selbst weniger Ärger damit hat. «Wer Deadlines klug setzt, baut immer Spielraum und Puffer ein», erklärt die Organisationsentwicklerin Norina Peier. Und zwar so, dass man selbst nicht in die Bredouille kommt, wenn jemand anderes nicht pünktlich liefert. «Damit spart man sich und oft auch den Vorgesetzten viel Stress», so die Arbeitspsychologin.
Doch mit einer guten Zeitplanung allein ist es nicht getan, sie muss auch transparent kommuniziert werden. «Es steigert das Commitment, wenn man Kollegen nicht nur einzelne Deadlines sondern den kompletten Zeitplan eines Projekts schickt», erklärt Norina Peier. Denn dann wissen sie, welche Folgen es für andere hat, wenn sie ihre Fristen nicht einhalten. Und geben sich hoffentlich mehr Mühe. Allerdings sollte man die eingebauten Zeitpuffer hier nicht ankündigen – das wäre kontraproduktiv.
Wer andere vor Ablauf einer Deadline unaufgefordert erinnert, der zeigt, dass er ihnen nicht vertraut.
Zu einer Arbeitsbeziehung auf Augenhöhe gehört ganz grundsätzlich, darauf zu vertrauen, dass der andere weiss, was bis wann zu tun ist und dies auch zuverlässig erledigt. «Man sollte deshalb immer davon ausgehen, dass Deadlines eingehalten werden», sagt Norina Peier. Von frühzeitigem Erinnern rät sie aus diesem Grund ganz klar ab. «Wer andere vor Ablauf einer Deadline unaufgefordert erinnert, der zeigt, dass er ihnen nicht vertraut», sagt die Expertin. Und trägt ausserdem dazu bei, dass andere sich daran gewöhnen und ihr eigenes Zeitmanagement schleifen lassen. «Wenn die Kollegen wissen, dass sie immer erinnert werden, fangen sie von allein irgendwann nicht mehr an», warnt Norina Peier. Und das ist nicht im Sinne der eigenen Effektivität und Produktivität, denn die ist sicher woanders besser eingesetzt als bei Erinnerungen.
Doch auch eine noch so gute Vorbereitung und ein grosses Vertrauen in den anderen schützen nicht davor, dass jemand in Verzug gerät und nicht pünktlich abgibt. Die Gründe dafür sind ebenso unterschiedlich wie die Folgen und der Umgang mit der jeweiligen Situation.
Verschiebung der Deadline aus sachlichen Gründen mit Einhaltung des Zeitpuffers
Sachliche Gründe für die Verschiebung einer Deadline sind zum Beispiel unvorhergesehene Krankheitstage oder auch andere dringende Projekte, die vorher gelöst werden müssen. Wenn solche Fälle auftreten und zudem klar kommuniziert wird, ist der Fall einfach: Sie brauchen nur einmal nachzufragen, vereinbaren eine neue Frist innerhalb des Puffers und niemand gerät in Schwierigkeiten.
Verschiebung der Deadline aus sachlichen Gründen und Nichteinhaltung des Zeitpuffers
Wenn klar ist, dass auch der Zeitpuffer nicht eingehalten werden kann, muss das sofort an den kommuniziert werden, der auf die Informationen angewiesen ist. «Da muss eine Assistenz klarmachen, dass sie ihren Job gemacht hat und die Verantwortung woanders liegt», rät Norina Peier. Das gehe auch ganz sachlich und ohne den anderen in die Pfanne zu hauen. «Wer Emotionen rauslässt und bei den Tatsachen bleibt, macht hier nichts verkehrt», sagt sie.
Dann kann man gemeinsam schauen, wie das Problem zu lösen ist. «Vielleicht kann jemand anderes kurzfristig einspringen oder die Chefin entscheidet über die Prioritäten und entlastet so den beauftragten Mitarbeiter», schlägt die Expertin vor.
Verschiebung aus nicht sachlichen Gründen
Spätestens wenn klar wird, dass die Deadline gerissen wurde, weil der andere zum Beispiel sein Zeitmanagement nicht im Griff hat, insgesamt überlastet ist oder sich nicht wirklich zuständig fühlt, ist ein Gespräch dringend notwendig.
Das Ziel, also die Erledigung der Aufgabe, muss im Mittelpunkt stehen und alles andere kann auf später verschoben werden.
In der konkreten Situation empfiehlt Norina Peier, erst einmal die Sachebene in einem persönlichen Gespräch zu klären. «Man sollte herausfinden, wie das Problem schnellstmöglich gelöst werden kann», rät sie. Das Ziel, also die Erledigung der Aufgabe, muss im Mittelpunkt stehen und alles andere kann auf später verschoben werden. «Da kann eine Assistentin proaktiv Unterstützung anbieten», empfiehlt die Arbeitspsychologin. Denn wenn man jemandem aus der Bredouille hilft, wird das auch honoriert. «Das sollte allerdings gute Gründe haben und sorgfältig abgewogen sein», warnt die Expertin. Immer einspringen muss eine Assistentin nicht.
Das Einbeziehen des Vorgesetzten oder Verantwortlichen ist in einem solchen Fall ratsam. «Auch hier muss eine Assistentin klare Grenzen ziehen zwischen der eigenen Aufgabe und denen der anderen.» Durch ein Gespräch zu dritt kann sie die Verantwortung abgeben und gleichzeitig zu einer Klärung beitragen.
Nach der Verschiebung
Wenn die Situation dann gemeistert ist und auch zukünftig zusammengearbeitet werden soll, empfiehlt Norina Peier ein Debriefing: Was hat gut funktioniert? Wo haben wir in der Zusammenarbeit oder im Prozess noch Potenzial? Das ist wichtig, damit die Arbeitsbeziehung nicht gestört ist: «Es ist professionell, nach einer solchen Situation zu besprechen, wie der Ablauf beim nächsten Mal verbessert werden kann», sagt sie. Damit klärt man unter anderem die Beziehungsebene, indem man gemeinsam Regeln für die Zukunft aufstellt. Ein Lösungsansatz kann in dem Fall auch darin bestehen, dass man künftig vor Ablauf der Deadline schon mal an sie erinnert. Wenn das so vereinbart wird, ist eine Erinnerung zum abgemachten Zeitpunkt sinnvoll.
Ausserdem beugt man künftigem Stress vor – für sich selbst und auch für den anderen. Denn vielleicht hat der tatsächlich so viel auf dem Schreibtisch, dass er froh ist, Aufgaben abgeben zu können. Oder er fühlt sich nicht zuständig oder häufig überrollt von kurzfristigen Anfragen des Chefs. Das kann langfristig geklärt werden, wenn es einmal auf dem Tisch ist.
Wiederholte Nichteinhaltung von Deadlines
Wenn derselbe Kollege trotz guter Planung und vorangegangenen Gesprächen wieder und wieder Fristen nicht einhält, sollte die Assistenz das Thema in andere Hände geben und den Chef bitten, das Problem zu klären. «Das ist dann eine grundsätzliche Angelegenheit und die gehört auf eine andere Ebene», sagt Norina Peier.
Einmalige vs. regelmässige Zusammenarbeit
Einen Unterschied macht auch, ob es sich um eine einmalige oder eine regelmässige Zusammenarbeit handelt. «Wer bei einer einmaligen Zusammenarbeit Fristen nicht einhält, wird einfach nicht noch einmal beauftragt oder gefragt, wenn das Problem gelöst ist», sagt die Expertin. Eine Klärung auf der Beziehungsebene ist dann nicht notwendig.
Wenn die Assistenz klar kommuniziert, werden es auch die anderen eher tun.
Bei einer regelmässigen Zusammenarbeit, auch wenn sie nur selten vorkommt, rät sie dagegen immer zu einem klärenden Gespräch.
Insgesamt lassen sich nach Ansicht von Norina Peier viele Probleme rund um das Thema Deadlines und Fristen mit guter Vorbereitung, klarer Kommunikation und einer tragenden Arbeitsbeziehung leicht aus dem Weg räumen. «Wenn die Assistenz klar kommuniziert, werden es auch die anderen eher tun», sagt sie. Die beste Ausgangsbasis sei gegenseitiges Vertrauen. «Wenn die Kollegen schon dann Bescheid geben, wenn sie merken, dass es eng wird, kann man gemeinsam meist schnell und einfach Lösungen finden und sich gegenseitig unterstützen.»