«Ich kann das jetzt nicht entscheiden. Kaufen Sie einfach alle Sorten und bringen Sie die, die mir nicht gefallen, zurück.» Das war die Antwort, die ich einst auf die simpelste aller Fragen bekam: «Möchten Sie lieber Aprikose, Lavendel oder Vanille?» Mein Auftrag: Besorge einen preisgünstigen Duftspray für die Bürotoilette. Die Auftraggeberin: die damalige Zürcher Direktorin eines der weltweit grössten Auktionshäuser. Am Ende gefiel ihr keiner der Düfte. Ich konnte sie dennoch vom Lavendel überzeugen, musste die anderen jedoch tatsächlich ins Geschäft zurückbringen. Diese nervtötende Unschlüssigkeit kostete mich zwei Stunden Arbeitszeit. Immerhin war es Zeit, die ich für die wohlriechende Sache verschwendete, denn auch in einem Auktionshaus ist nach dem Geschäft vor dem Geschäft. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten! Verkauft an die Dame mit dem gewissen «Je ne sais quoi!».
In diesem Fall handelte es sich um eine nichtige Entscheidung, die von einer exzentrischen Chefin zur Riesensache hochstilisiert wurde. Trotzdem ist sie sinnbildlich für die Angst vor Entscheidungen in so manchen Chefbüros. Die Unwiderruflichkeit eines einmal gefällten Entschlusses schürt die Furcht vor dem Fehlentscheid. Nicht umsonst hört man in diesen Kreisen öfters den Rat: «Wenn du etwas nicht unbedingt entscheiden musst, tue es nicht.» Dieser Rat kann ganze Departemente lahmlegen, da die richtungsgebenden Beschlüsse fehlen. Das geht natürlich nicht. Deshalb fordern zögerliche, aber smarte Manager ihre Teams auf, tiefer greifende Abklärungen zu treffen, die einen Entschluss begünstigen sollen. Aber asap, bitte! Damit treiben sie ganze Abteilungen in die Nachtarbeit, obwohl es in Tat und Wahrheit nur darum geht, mehr Zeit zu schinden. Der Überzeit-Verursacher trifft sich währenddessen zum Dinner mit seinen Geschäftsfreunden und gönnt sich vor dem Schönheitsschlaf noch einen entscheidungsfördernden Whiskey.
Auch in den Sekretariaten kennt man solche Entscheidungsstörungen. Eine Geschäftsreise nach Asien zum Beispiel müsste nicht zuletzt zwecks Visums-Beschaffung frühzeitig gebucht werden. Doch allein schon die Reiseroute stellt oft eine unüberwindbare Hürde dar. Via Frankfurt oder lieber in Bangkok umsteigen? Hat die Lufthansa die bequemsten Sitze? Liegt ein Umweg über Peking drin? Die Assistentin liefert sämtliche Informationen und Flugvarianten. Der Manager schiebt die Entscheidung konsequent bis zum letzten Moment hinaus. Eine Woche vor Abreise organisiert die Assistentin in Windeseile Flüge, Hotels und Kundenbesuche, verplempert einen Tag bei der chinesischen Botschaft mit der Einholung des Express-Visums, um dann am Tag vor Reiseantritt zu hören: «Frau Muggli, ich habe überlegt, noch einen Abstecher nach Nordkorea zu machen. In diesen Zeiten kann ein bisschen Networking mit den Kommunisten nicht schaden. Klären Sie doch mal die Konditionen ab! Ob ich hinfliege, entscheide ich dann später.»
Es gibt Entscheidungen im Leben, die wohlüberlegt sein wollen, weil sie von grosser Tragweite sind. Ob der Deckname des neuen Projekts Pumuckl oder Nemo sein soll, gehört nicht dazu. Ob man mit Courage durchs Leben gehen will oder nicht, allerdings schon.