Billig ist nicht gleich gut
Drei Angebote einholen, das billigste auswählen und gut ist es? Dieser einfachste Weg der Beschaffungsmarktforschung mag bei der Bestellung von Büromaterial ja noch angehen, aber sobald es um Rohstoffe, Zulieferteile oder Dienstleistungen geht, verschenkt man damit Potenzial.
Wer ohne Plan einfach irgendwo bestellt, verschwendet mit Sicherheit Geld. Das alleine ist Grund genug, sich vor einer Bestellung nach mehreren Bezugsquellen umzuschauen und die Preise zu vergleichen. Aber das ist nicht alles, denn wer seine Lieferanten nicht gut auswählt, riskiert auch Qualitätseinbussen oder verkompliziert unter Umständen die Produktionsprozesse durch schlechte Zusammenarbeit. Und er verspielt die Chance, mit einem guten neuen Lieferanten auch neue Möglichkeiten zu erschliessen. «Wenn man nicht nach neuen Kontakten und Lieferanten schaut, geht man die Wege, die alle gehen», erklärt Adriano Di Cianni, Bereichsleiter Einkauf & Logistik bei Peter Fuchs Technology. Und damit habe man oft keine Chance, sich von der Konkurrenz zu abzuheben.
Bei Produkten oder Dienstleistungen, die regelmässig benötigt werden, ist eine Markt-analyse meist nicht aufwendig. In den meisten Unternehmen gibt es Listen mit freigegebenen und erprobten Lieferanten, unter denen nur der passende ausgewählt werden muss. Da reicht es, sich mit drei Angeboten einen preislichen und qualitativen Überblick zu verschaffen. «Darauf sollte man aber nie verzichten», betont Di Cianni. Selbst wer nur Büromaterial bestelle, sollte sich bei verschiedenen Anbietern umschauen, rät er. Denn ohne drei Angebote kann man ein Produkt nicht mal preislich einordnen und der Lieferant, der im vergangenen Jahr der günstigste war, muss es heute nicht mehr sein.
Lieber erst andere fragen
Spätestens, wenn es um den Einkauf von neuen Produkten oder aussergewöhnlichen Dienstleistungen geht, hilft die Lieferanten-liste dann aber meist gar nicht mehr weiter. «Da hat man oft gar keinen», weiss Di Cianni. Und steht vor der grossen Frage, woher man sein Produkt denn nun am besten bekommt. Die Antwort auf diese Frage ist nichts anderes als das Ziel einer jeden Beschaffungsmarktforschung. Doch wie geht man die richtig an?
Wörterbuch
Marktanalyse: Sammlung und Aufbereitung von Informationen über aktuelle und potenzielle Beschaffungsmärkte zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Marktbeobachtung: Marktanalyse zu mehreren Zeitpunkten zum Erkennen beschaffungsrelevanter Entwicklungen.
Marktprognose: Ableitung von möglichen Entwicklungen des Marktes in der Zukunft auf Basis der Marktbeobachtung.
Am Anfang steht immer die Sammlung von umfassenden Informationen. Wenn der Bedarf genau definiert ist, wird zuerst der Markt angeschaut. Die Konkurrenz kann da wichtige Hinweise geben. «Wenn ich weiss, welche Firmen ähnliche Produkte haben und mit wem die zusammenarbeiten, dann habe ich schon erste potenzielle Lieferanten», sagt Di Cianni. Mögliche Zulieferer oder Dienstleister findet man aber auch im Internet, auf Fachmessen oder über Fachverbände. Hat man eine erste Auswahl zusammen, muss man sich die Portfolios genau anschauen. Über welche Kompetenzen verfügen die Kandidaten? Können sie das gewünschte Teil oder die Dienstleistung wirklich liefern? Entsprechen ihre Qualitätskriterien den eigenen Wünschen? Wenn das alles bejaht werden kann, ist man schon einen Schritt weiter und kann damit anfangen, die Leistungen zu verifizieren. Darauf sollte man auf keinen Fall verzichten, rät Di Cianni, denn «nicht jeder, der kompetent erscheint, ist auch wirklich gut». Der Experte vertraut da gerne den Einschätzungen anderer. «Wenn bisherige Geschäftspartner zufrieden sind, ist das immer ein gutes Zeichen», sagt er. Die Zusammenarbeit innerhalb einer Branche sei dabei auch unter anderen Gesichtspunkten von Vorteil. Gerade für kleinere Unternehmen könne es sich lohnen, wenn sie sich beim Einkauf mit ihren Kunden oder anderen Unternehmen zusammenschlössen. «Einsparungen kann man sich ja dann teilen», rät Di Cianni.
Hat man eine Liste mit mindestens drei potenziellen Lieferanten zusammen, geht es ans konkrete Einholen von Angeboten. Bei der Auswertung geht es dann nicht nur um den Preis, denn der billigste Anbieter ist nicht unbedingt der beste. Überprüft werden muss auch, ob das Angebot überhaupt vollständig ist, die Qualität passt und die Anforderungen an die zeitlichen Abläufe erfüllt werden. Für eine Überprüfung der Qualität rät Di Cianni vor einer verbindlichen Bestellung immer zu einer sogenannten Bemusterung. «Wenn das passt, sollte man vertraglich festlegen, dass das Endprodukt auch dem Muster entspricht», sagt er. Das sei leider nicht immer der Fall. Bei neuen Lieferanten plant der Experte deshalb immer eine Startphase ein und bestellt nicht gleich den Jahresbedarf. «Das schützt vor unliebsamen und teuren Überraschungen», weiss er.
Die Nadel im Heuhaufen
Vor allem wenn man bei der Suche nach den passenden Lieferanten den nationalen oder deutschsprachigen Raum verlässt, ist der Rückgriff auf die Erfahrungen anderer unerlässlich. «Auf eigene Faust die Nadel im internationalen Heuhaufen zu finden, ist schwierig», weiss Di Cianni. Ohne Kenntnisse der Märkte vor Ort würden schon Geschäfte mit europäischen Partnern schwierig. «In Italien oder Spanien braucht man zum Beispiel eine lokale Verwurzelung», sagt Di Cianni. Wer keine firmeninternen Kräfte vor Ort hat, für den wird es unter Umständen teuer. Denn gerade internationale Geschäftspartner sollte man persönlich kennenlernen, Dienstreisen zu den Produktionsstätten inklusive. «Im europäi-schen Raum geht das alles noch recht einfach, aber wenn es um sogenannte Low Cost Countries geht, wird es schwieriger», sagt Di Cianni. Dann rät er unbedingt zur Vorsicht. Die Handelskammern bieten hier einen guten Service an. In sogenannten Business-Hubs kann man Steckbriefe von Unternehmen einsehen und sich mit anderen Kunden austauschen. Der Service umfasst sogar die Überprüfung eines Unternehmens nach bestimmten, selbst festlegbaren Kriterien. Zum Beispiel kann man sicherstellen lassen, dass ein Standort wirklich existiert oder die Geschäftszahlen stimmen. Das ist nicht unwichtig, denn gerade im internationalen Geschäft kann es sogar vorkommen, dass der vermeintlich kompetente Partner in Wirklichkeit gar nicht existiert.
Tipps für internationale Kontakte
- Anfragen immer nur mit einem Beispiel stellen, nie mit der originalen endfertigen Zeichnung.
- Lieferanten durch unklare Anfragen testen (nur wer zurückfragt, ist kompetent!).
- Fachliche Fragen stellen und die Antworten bewerten.
- Je unterschiedlicher die Kultur, umso wichtiger sind persönliche Kontakte.
- Bei Unsicherheit lieber kein Geschäft machen, egal wie verlockend es erscheint.
Wer häufiger im Einkauf tätig ist, für den ist mit einer reinen Marktanalyse aber noch nicht Schluss. Denn die bezieht sich ja nur auf einen bestimmten Zeitpunkt. Veränderungen oder gar Prognosen für die künftige Entwicklung sind damit nicht möglich. «Dafür muss man den Markt länger beobachten und die Ergebnisse von verschiedenen Zeitpunkten vergleichen», erklärt Di Cianni. Wer das regelmässig macht, der hat auf jeden Fall einen guten Überblick und sicher auch das richtige Händchen für die Lieferantenauswahl.