Bewerbungsbilder mit KI – geht das?
Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch: Nebst Texten können mittlerweile auch Bilder mit diversen Tools generiert werden. Miss Moneypenny Online-Redaktorin Luisa Schmidt hat ein KI-Tool getestet, das Bewerbungs- und Image-Bilder generiert.
Professionelle Fotoshootings – muss das sein? (Foto: Cody Scott Milewski / Unsplash)
Manchmal kann der Wechsel von einen Job in den nächsten ganz schön beschwerlich sein. Lassen wir mal aussen vor, dass wir zunächst einen langen Weg mental gehen müssen, bevor wir überhaupt in Aktion treten und uns sagen «Jetzt gehe ich es an!». Die erste Hürde im Bewerbungsprozess ist oftmals der Lebenslauf – mitunter mögen einige Jahre vergangen sein, seit dem wir zuletzt einen aufsetzen mussten. Ganz zu schweigen vom Foto. Das ist meist stark veraltet und die abgebildete Person hat im schlimmsten Fall nichts mehr mit uns selbst gemein, da sich Äusserlichkeiten wie Frisur oder Brille geändert haben. Dann heisst es erst einmal neue, professionelle Fotos machen zu lassen, denn Selfies vor der Wohnzimmerwand sind bei Bewerbungen ein No-Go.
100 Bilder für 17 USD
Hier kann Künstliche Intelligenz helfen: Try it on AI verspricht Nutzerinnen und Nutzern innerhalb von maximal 72 Stunden 100 Bilder, die in einem professionellen Shooting aufgenommen sein könnten – für schlappe 17 USD! Zum Vergleich: ein Fotoshooting für Bewerbungsfotos liegt im Bereich von etwa 100 bis 250 Franken. Ganz zu schweigen davon, dass man dafür auch noch einen Termin abmachen muss, das eigene Styling auffrischen, usw.
Deshalb wollte Ich es wissen: Ist KI wirklich eine einfache und günstige Alternative zum professionellen Fotoshooting? Der Prozess ist einigermassen einfach: So musste ich nur zehn aktuelle Portrait-Bilder von mir finden, die ich auf der Seite von Try it on AI hochladen kann. Damit generiert das System dann 100 Bilder, von denen ich mir erhoffe, dass mindestens eines für den Bewerbungsprozess geeignet ist. Meine Auswahl war so breit gefächert wie möglich. So wählte ich sowohl ungeschminkte Bilder von mir wie auch solche, auf denen ich top gestylt bin.
Die finale Auswahl, auf die ich tatsächlich keine 24 Stunden warten musste, reicht von beeindruckend brauchbar zu sehr gruselig. Ein Hindernis stellte wohl vor allem meine Brille dar, die oftmals unschön verzerrt wurde. Einen weiteren Minuspunkt gibt es für das Alter. Auf einigen Bildern sah ich zu jung aus, auf anderen wiederum zu alt – was wohl mitunter daran liegt, dass das Tool nur das Geschlecht abfragt, nicht aber das Alter.
Wen würden Sie zum Gespräch einladen? Fauxisa oder die echte Luisa? (Bilder: Try it on AI und Sören Funk)
Was die Bilder taugen
Ein etwas zu perfektes Bewerbungsbild.
Es sind auf jeden Fall Bilder dabei, die ich für eine Bewerbung verwenden und von denen ich überzeugt wäre, dass Recruiter nicht erkennen würden, dass ich das gar nicht bin. Von 100 Stück schafften es etwa 10 in meine persönliche Endrunde. Bei den restlichen Bildern setzte mich die KI so in Szene, dass ich mich selbst gar nicht mehr wiedererkannte. Jawohl, das ist eine hübsche, professionell aussehende Frau in meinem Alter, die mir da entgegenlächelt. Würde ich dieses Bild aber mit einer Bewerbung mitsenden und tatsächlich eingeladen werden, müssten die Personaler und künftigen Vorgesetzten wohl mehrmals hinsehen, ob sie hier tatsächlich dieselbe Person vor sich haben. Sicherlich: Oft ist man nach Fotoshootings mit dem eigenen Gesicht sehr kritisch und es mag einem kein Bild so richtig zusagen. Da ist es ein wenig so, wie mit der KI: Am Ende kommen nur ein paar wenige in Frage, die sich überhaupt zum Benutzen eignen.
Als nächstes testete ich ein Bild im realen Leben. Sehen Leute, die mir nahe stehen, dass das nicht ich bin? Das Resultat fiel etwa so aus, wie ich es erwartet hatte. Nur zwei Personen bemerkten, dass irgendetwas nicht stimmen kann, wussten aber nicht genau was. Von den meisten anderen – auch von meiner Familie – bekam ich Zuspruch für das Bild, das sie zu sehen bekamen.
Das sagen die Spezialisten
Die beiden Profifotografen Aniela Lea Schafroth und Sören Funk, denen ich die generierten Bilder zeigen durfte, finden die Möglichkeiten ebenso faszinierend wie ich. Dennoch ist ein Bild für eine Bewerbung nicht gleich ein Bild für eine Bewerbung.
«Ein Bewerbungsfoto sollte genauso wie das Anschreiben zur gesuchten Stelle passen. Die Frage ist also, wie gut es ein User schafft, seinem KI-Bewerbungsfoto den gewünschten Look zu verpassen», sagt Sören Funk. Zugegeben: Für einen Job in einer Kanzlei oder einer Bank könnte ich die meisten Bilder wahrscheinlich tatsächlich nicht gebrauchen.
Einen weiteren, validen Punkt bringt Aniela Lea Schafroth: «Aus ‹ethischer Sicht› finde ich es momentan etwas problematisch, sich mit KI-kreierten Bildern zu bewerben. Der Schritt von retuschierten Fotos und Fotomontagen hin zu komplett KI-generierten Fotos ist sehr gross.»
«Als Fotografin erlebe ich oft, wie die Person während eines Fotoshootings ‹aufblüht›, durch das Erlebnis an Selbstbewusstsein gewinnt und die eigene Wahrnehmung sich zum Positiven verändert. Dieses Erlebnis und Erkenntnisse wie ‹Wow, ich mag mich. Ich sehe kompetent aus und fühle mich gut.› fallen bei einem KI-Tool komplett weg», führt Schafroth weiter aus. Sie erlebt Kundinnen und Kunden oft in der Position, dass ein professionelles Fotoshooting eher etwas besonderes ist als eine lästige Aufgabe auf der To-Do-Liste.
Funks Erfahrungen decken sich damit. «Die Aufgabe eines Fotografen ist nicht nur den Knopf auf der Kamera zu drücken, sondern mit dem Menschen vor der Kamera zu arbeiten und das Beste herauszuholen. Wir Fotografen verändern die Wahrnehmung der fotografierten Menschen also auch. Aber auf einer ganz anderen Ebene», erklärt er. «Wenn ich ein Personal Branding-Fotoshooting mache, steht an erster Stelle ein persönliches Gespräch, um die Persönlichkeit des Menschen zu spüren und zu entdecken. Der Unterschied zur KI besteht also darin, dass wir uns zuerst Gedanken machen und dann umsetzen.»
Von der Familie unerkannt: das ist eine KI-Luisa.
Gehöre ich noch mir?
Ein weiterer Punkt, der mich interessierte, war das Recht am Bild. Wem gehört mein künstlich generierter «Avatar» eigentlich? Gehört mein Gesicht noch mir oder taucht es irgendwann ohne meine Zustimmung in der digitalen Welt wieder auf? Ein Blick in die Nutzungsbestimmungen verrät: Ich allein bestimme über die Verwendung der Bilder und wenn ich sie von der Seite von Try it on AI lösche, sollen sie auch vollständig aus den Sphären des Internets verschwunden sein. Die Seite erlaubt die Nutzung der Bilder zwar nur im privaten Gebrauch – also beispielsweise eben für eine Bewerbung – aber auf Nachfrage von Miss Moneypenny durften wir die Bilder auch explizit in diesem Beitrag zeigen.
Fazit
Würde ich nun eines dieser Fotos auf einer Bewerbung verwenden? Ja, würde ich. Wenn es mir tatsächlich nur um ein oder zwei gute Bilder geht, dann ist aus den 100 sicher etwas Brauchbares dabei. Allerdings würde ich mir dennoch wünschen, dass über dieses generierte Bild von mir nochmal ein Mensch mit der Retusche drüber gehen würde, damit es ein wenig lebensechter aussieht.
Wie immer aktuell bei KI: Für Basisleistungen sind solche Tools absolut verwendbar, aber wenn es um grössere Bilder-Serien oder Image-Fotografie geht, würde ich nach wie vor den Fotografen oder die Fotografin Ihrer Wahl empfehlen. Die wissen oft am besten, welche Posen und Outfits zu der Stelle passen, auf die Sie sich bewerben wollen.