Porträt

Bewerbungen sind ihr Ding

Bei der SBB arbeitet Fabienne Schaad als Assistentin der Leiterin Personalpolitik. Auch in ihrer Freizeit beschäftigt sie sich mit Human Resources Management: Sie hat mit ihrem Freund zusammen eine Homepage für Bewerbungen aufgebaut – mit Erfolg.

Schwimmen, Skifahren, Malen oder Stricken: Das sind gängige Antworten auf die Frage nach den Hobbys. Bewerbungen schreiben hört man hingegen nie. Anders bei Fabienne Schaad. Die 25-Jährige hat mit ihrem Freund vor einem Jahr die Einzelfirma Keller Administration mit dem Produkt «bewerbungen.ch» gegründet – eine Internetseite, welche Lebenslauf und Motivationsschreiben per Mausklick erstellt. An den Wochenenden tüfteln sie gemeinsam an passenden Formulierungen, vollständigen Lebensläufen und neuen Dokumentvorlagen. Unter der Woche arbeitet Schaad Vollzeit als Assistentin der Leiterin Personalpolitik bei der SBB.

Doch wie kommt man dazu, seine spärliche Freizeit Bewerbungen zu widmen? Schaad sitzt entspannt im Starbucks direkt am Berner Hauptbahnhof. Vor ihr steht eine grosse Tasse Milchkaffee. Daneben liegen iPad und iPhone auf dem Tisch. «Das ist eine lange -Geschichte», sagt die Bielerin lächelnd. Sie kreuzt ihre langen Beine, welche in schwarzen, engen Jeans stecken, greift sich mit ihrer linken Hand zum Perlohrring und fängt mit leiser Stimme zu erzählen an. Angefangen hat alles vor über fünf Jahren.

Ausser Dienst

  • Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht: Als wir uns definitiv dazu entschieden, die Seite «bewerbung.ch» zu lancieren und den Schritt zu wagen.
  • Dieses Ritual ist mir wichtig: Das «Käfele» mit meinem Freund. Wir gehen jeden Sonntagmorgen ins gleiche Café in Biel. 
  • Das möchte ich gerne lernen: Geduld. Das ist mein Vorsatz für 2014.
  • Das hat mich geprägt: Unsere Einzelfirma. Ich bin dadurch selbstsicherer geworden und habe enorm viel gelernt.
  • Das bringt mich zum Staunen: Selbstlose Leute, die sich für andere, denen es schlechter geht, einsetzen.
  • Das macht mich nachdenklich: Die zunehmend negativen Nachrichten, sobald man den Radio oder den Fernseher einschaltet. Man hört selten Positives.
  • Das wollte ich als Kind werden: Modedesignerin oder Grafikerin
  • Diese Person würde ich gern einmal kennenlernen: Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook

Damals arbeitete Schaad noch bei Generali Versicherungen, wollte aber die Stelle wechseln. Zu diesem Zeitpunkt realisierte sie erstmals: «Ich weiss zu wenig über Bewerbungen!» Sie klemmte sich dahinter, belegte Kurse und bemerkte rasch: Das Gestalten, die Formulierungen, die exakte Arbeit bei einer Bewerbung, das kam ihr entgegen. Wenig verwunderlich, bekam sie auf Anhieb die Stelle als Direktionsassistentin bei Cendres+Métaux SA, einem Bieler KMU. 

Die Frau für Bewerbungen

In ihrem Freundeskreis sprach sich ihr Flair rasch herum. «Wenn der Abfluss verstopft ist, ruft man einen Klempnerfreund an, wenn man mit Bauchweh im Bett liegt, kommt die Kol-legin, welche Medizin studiert, zum Zuge. Und wenn man die Stelle wechseln will, wurde ich zur Ansprechperson», erzählt Schaad schmunzelnd. Für Freunde, Familie, Bekannte setzte sie jeweils an verregneten Sonntagen passende Briefe auf, meist mit Hilfe ihres Freundes Raphael Keller. Am Montagmorgen stand sie dann wieder beim Cendres+Métaux SA auf der Matte, wo sie auch in der HR-Abteilung aushalf. Dort wurde sie jeweils mit Dossiers konfrontiert, wie man es eben nicht machen sollte. «Da kamen Bewerbungen von Hand geschrieben, auf farbigem Papier oder mit Motivationsschreiben bestehend aus nur einem Satz!», erzählt Schaad. Ihr war klar: Da besteht Handlungsbedarf.

In stundenlangen Diskussionen mit ihrem Freund und unzähligen Kaffees im Bieler Baramundo formte sich die Idee zu einem Projekt. Sie wollten standardisierte Vorlagen für Lebensläufe und Motivationsschreiben anbieten. Einfach, rasch, per Mausklick. «Es ist unser Hobby, daher wollen wir den Zeitaufwand im Rahmen halten», so Schaad. Die Preise legten sie nicht pro Bewerbung, sondern nach Zeitaufwand fest. Wer den Dienst 24 Stunden braucht, zahlt rund 15 Franken und kann innerhalb dieser Zeit so viele Bewerbungen drucken, wie er will.

Das Paar holte von Informatikbetrieben Offerten ein – und erlitt den ersten Schock. 50 000 Franken und darüber war die Messlatte. «Da schluckten wir schon leer. Wir sind ja beide noch jung und bezahlen alles aus eigener Kasse», betont Schaad. Nach langem Suchen fanden sie einen valablen Kandidaten und schalteten die Homepage anfangs 2013 auf. Mit Erfolg: Das Medienecho in der Region und der ganzen Schweiz war gross, die ersten Kunden kauften ein Abo. Und die Feedbacks von Bekannten, Freunden und Familie machten Freude. 

Neue Herausforderung bei der SBB 

Ungefähr gleichzeitig suchte sich Schaad, nach Abschluss der Weiterbildung zur Direk-tionsassistentin, eine neue berufliche Herausforderung und fand diese bei der SBB. «Mei-ne Bewerbung kam anscheinend an», sagt Schaad lachend. Sie setzte sich gegen die Mitbewerber durch und unterstützt nun die Chefin Personalpolitik in allen Belangen. Dass eine Frau ihre Vorgesetzte werden sollte, sorgte im Vorfeld für Skepsis. «Es ist das erste Mal, dass ich eine Chefin habe. Und ich hörte im Voraus schon die eine oder andere Geschichte», erzählt Schaad. Doch schon nach wenigen Tagen waren die Zweifel verflogen. «Wir haben ein gutes, unkompliziertes und offenes Verhältnis», so Schaad.

Ihre Vorgesetzte mache klare Ansagen, sage, wenn etwas gut war, oder wenn etwas nicht passt. Dies sei ihr als Assistentin enorm wichtig. «Man arbeitet so eng zusammen, da muss die Chemie stimmen und es darf es keine angestauten Missstimmungen geben», so Schaad. Auch das Aufgabenfeld der Personalpolitik kommt der 25-Jährigen entgegen: Wie kann man ein Unternehmen für künftige Arbeitnehmer interessant gestalten? Was tun bei Vertragsauflösungen? Oder wie weit kommt man den Gewerkschaften und weiteren Sozialpartnern entgegen? «Personalfragen interessieren mich einfach», betont Schaad. 

Dass es indes nicht immer einfach ist, die richtigen Leute zu finden, hat Schaad im letzten Sommer selbst feststellen müssen. Jedes Jahr absolviert ein Berufsmaturitäts-Absolvent in der Personalpolitik der SBB ein zwölfmonatiges Praktikum. In letzter Zeit war es immer schwieriger geworden, die Praktikumsstelle zu besetzen. «Ich habe das Gefühl, das Wort Politik schreckt die Jungen ab. Dazu kommt der demografische Wandel», sagt Schaad. Auch für diesen Sommer sind bisher noch nicht viele Bewerbungen eingegangen. Und dies, obwohl die SBB ein sehr attraktiver Arbeitgeber ist, wie die Bielerin betont. «Die Bedingungen sind sehr gut. Vom Lohn über die Arbeitszeiten bis hin zum Umgang miteinander», so Schaad. Ihr kommen auch die klaren Strukturen und Abläufe entgegen. «Chaos entspricht mir nicht. Ich habe gerne Vorgaben», betont sie.

Was ist eine gute Bewerbung?

Das kommt auch bei ihren Bewerbungsvor-lagen zum Ausdruck: Strukturiert, ordentlich, übersichtlich – so hat für die 25-Jährige ein gutes Dossier auszusehen und so bieten sie dieses auch auf «bewerbungen.ch» an. Der Aufbau der Einzelfirma hat nicht nur ihr Wissen über Bewerbungen vergrössert. Schaad hat auf andere Arten davon profitiert. Im Privaten sind sie und ihr Freund noch enger zusammengeschweisst. Daneben konnte sie ihr erlerntes Wissen in der Weiterbildung beispielsweise über Rechtsformen und die Lancierung eines Start-ups einsetzen. Und nicht zuletzt gewann sie an Selbstvertrauen im Umgang mit Medien und Partnern. «Das war für mich ganz neu», so Schaad.

Zur Person

Fabienne Schaad wurde am 5. November 1988 geboren. Sie wuchs mit ihrer drei Jahre älteren Schwester in Lengnau BE auf. Nach der Primar- und Sekundarschule liess sie sich bei der Mobiliar als kaufmännische Angestellte ausbilden. Danach wechselte sie zu Generali Versicherungen und anschliessend in einen KMU-Betrieb in Biel, bevor sie vor einem Jahr zur SBB wechselte. In den letzten Jahren absolvierte Schaad die Weiterbildung zur diplomierten Wirtschaftsfachfrau, Direktionsassistentin mit eidgenössischem Fachausweis und Personalassistentin. Daneben lancierte sie mit ihrem Freund Raphael Keller die Seite «bewerbungen.ch». Sie lebt mit ihrem Freund in Biel.

Anfänglich nahm sie negative Kritik noch persönlich. Beispielsweise, als sie in einem Onlineartikel von 20Minuten gesalzene Kommentare las. «Wir sind doch einfach zwei junge Menschen, die etwas bewegen und ausprobieren wollen!» Mit der Zeit legte sich Schaad ein härteres Fell zu, nicht zuletzt, weil die Reaktionen meist positiv ausfallen. Auch diejenige ihrer jetzigen Chefin. «Sie findet unser Engagement toll», sagt Schaad. Als es um den Innovationspreis des Schweizer KMU-Verbands ging, stimmte sie fleissig für «bewerbungen.ch» ab. Mit Erfolg: Das Projekt setzte sich gegen die Mitbewerber durch.

Als Schaad und Keller im November in Zürich den Preis entgegennahmen, waren beide ein wenig nervös. «Es ist unser Baby, das prämiert wurde», sagt Schaad. Ob das Baby zu einem Teenager wird, steht indes noch in den Sternen. «Wir sind auf Kurs und zufrieden mit der Entwicklung», sagt Schaad. Vielleicht werden sie und ihr Freund in zehn Jahren eine Bewerbungsfirma mit 20 Angestellten leiten. Vielleicht wird das Projekt aber auch in zwei Jahren gestorben sein. «Was in der Zukunft passiert, werden wir sehen», so Schaad. Bei der SBB will sie jedoch noch lange bleiben. «Ich hatte noch nie so einen guten Arbeitgeber!» 

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Sarah Forrer ist freie Journalistin.

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