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Wenn die Technik mitliest

Ob Videokamera im Eingangsbereich, elektronische Zeiterfassung oder GPS-Ortung von Dienstfahrzeugen – technische Überwachungs- und Kontrollsysteme sind in vielen Unternehmen im Einsatz. Der technische Fortschritt bringt immer neue Möglichkeiten, Daten zu erheben, zu speichern und ­aus­­zuwerten. Doch wo liegt die Grenze zwischen gerechtfertigtem Interesse des Arbeitgebers und dem Schutz der Arbeitnehmenden? Dieser Beitrag erklärt, was erlaubt ist und was nicht.

In den letzten Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten zur Überwachung stark weiterentwickelt. Kameras liefern gestochen scharfe Bilder, IT-Systeme speichern jede Bewegung im Netz, Telefonanlagen zeichnen Gespräche auf – und all das oft ganz automatisch.

Viele Arbeitgebende installieren solche Systeme mit guten Absichten: zur Verbesserung der Sicherheit, zur Kontrolle von Zugang und Arbeitszeit oder zum Schutz von Betriebsgütern. Doch nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch rechtlich erlaubt.

Was gilt als Überwachung? 

Als technische Überwachungs- oder Kontrollsysteme gelten Geräte, die Tätigkeiten oder Verhalten von Arbeitnehmenden erfassen und womöglich auch aufzeichnen. Dazu zählen beispielsweise Videoanlagen, Gegensprechanlagen, Ortungssysteme, Data-Logger in IT-Systemen, Telefonanlagen mit Aufzeichnungsfunktionen oder Kopierer mit Dokumentenspeicher.  

Auch alltägliche Systeme wie Zeiterfassungen, Zugangskontrollen oder Auftragsabwicklungstools können Überwachungscharakter haben, ins­besondere, wenn sie Rückschlüsse auf das Verhalten von Arbeitnehmenden zulassen.

Der rechtliche Rahmen: Schutz der Persönlichkeit 

Gemäss Artikel 328 Obligationenrecht (OR) und Artikel 26 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3) sind Arbeitgebende verpflichtet, die persönliche Integrität und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen. Von diesen Schutzbestimmungen kann auch vertraglich nicht abgewichen werden. Überwachungsmassnahmen, die gezielt oder auch nur potenziell das Verhalten von Arbeitnehmenden aufzeichnen, sind deshalb im Grundsatz verboten. Ausnahmen bestehen nur, wenn ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers vorliegt.

Ein solches Interesse kann beispielsweise beim Schutz von Personen (etwa bei gefährlichen Maschinen) oder besonders sensibler Unternehmenswerte (Tresorräume oder an Bankschaltern) gegeben sein oder wenn eine Überwachungsmassnahme zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften notwendig ist, beispielsweise im Bereich der Produktsicherheit oder Finanzdienstleistung. Selbst in solchen Fällen sind technische Überwachungsmassnahmen jedoch nur dann zulässig, wenn sie verhältnismässig ausgestaltet sind. 

Verhältnismässigkeit: eine heikle Abwägung 

Die Praxis zeigt: Es ist oft schwierig, manchmal sogar unmöglich, technische Überwachung so einzusetzen, dass sie nicht auch Verhaltensaspekte der Arbeitnehmenden betrifft. Dennoch ist sie in gewissen Fällen unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Jede Massnahme muss hinsichtlich ihres Zwecks und ihrer Wirkung verhältnismässig sein. Das bedeutet, dass sie geeignet, erforderlich und zumutbar sein muss. In jedem Einzelfall ist deshalb eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Interesse des Betriebs und dem Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden notwendig. 

Bei dieser Abwägung sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen: So spielt die Art und Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre der betroffenen Personen ebenso eine Rolle wie mögliche Gesundheitsrisiken, etwa durch das belastende Gefühl ständiger Beobachtung. 

Neben den Zielen und berechtigten Interessen des Unternehmens muss auch die technische Funktionsweise der eingesetzten Systeme berücksichtigt werden, beispielsweise, ob diese Daten speichern oder auswerten. Nur wenn das Betriebsinteresse höher als der Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmenden eingestuft werden kann, spricht man von einem überwiegenden Interesse. 

So ist etwa eine Kamera, die den Eingangsbereich eines Gebäudes überwacht, in der Regel unproblematisch. Eine Kamera direkt über einem Kassenplatz oder im Pausenraum hingegen ist in der Regel unverhältnismässig und stellt deshalb einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre der Arbeitnehmenden dar. 

Informieren statt überrumpeln 

Transparenz ist das A und O. Die betroffenen Arbeitnehmenden müssen vor der Inbetriebnahme eines Überwachungssystems klar und verständlich über Ziel, Zweck, Art und Dauer der Massnahme informiert werden. Zudem sollten sie die Möglichkeit haben, ihre Meinung dazu äussern zu können. 

Das verdeckte Überwachen von Internetverläufen, das heimliche Aufzeichnen von Gesprächen oder das Auswerten von Verhaltensdaten ohne Wissen der Betroffenen ist rechtlich unzulässig. Selbst, wenn es technisch möglich wäre. 

Datenschutz nicht vergessen

Systeme zur technischen Überwachung und Kontrolle sind meist mit Speicher- oder Auswertungssystemen gekoppelt. Bei Erfassung, Bearbeitung oder ­Auswertung von persönlichen Daten sind deshalb Art. 328b OR und das ­Datenschutzgesetz (DSG) zu beachten. Eine Überwachung, sprich eine Persön­lichkeitsverletzung, ist widerrechtlich, sofern sie nicht durch Einwilligung der betroffenen Person, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 31 DSG). 

Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine solche Einwilligung im Arbeitsverhältnis aufgrund der untergeordneten Stellung der Arbeitnehmenden nur eingeschränkt gültig ist. Erhobene Daten sind zudem so rasch wie möglich zu löschen – je nach Zweck idealerweise innerhalb von 24 bis 72 Stunden. Arbeitnehmende haben ausserdem das Recht, auf Verlangen Einsicht in die sie betreffenden Daten zu erhalten (Art. 25 DSG). 

Fühlen sich Arbeitnehmende in ihrer Persönlichkeit verletzt, können sie sich zusätzlich auf zivilrechtlichem Weg zur Wehr setzen. Nach Art. 32 DSG in Verbindung mit den Artikeln 28, 28a sowie 28g bis 28l des Zivilgesetzbuches (ZGB) stehen ihnen verschiedene zivilrechtliche Instrumente zur Verfügung. So etwa die Klage auf Unterlassung einer bestimmten Datenbearbeitung, die Verhinderung der Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte oder die Löschung beziehungsweise Vernichtung solcher Daten.

Was sollte im Betrieb geregelt sein? 

Weil Überwachung am Arbeitsplatz ein sensibles Thema ist, sollte jedes Unternehmen ein internes Reglement zum Umgang mit Kontrollsystemen erarbeiten. Dieses sollte unter anderem festlegen, welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmenden im Zusammenhang mit den Überwachungs- und Kontrollmassnahmen zustehen. Ein Reglement schafft Transparenz, schützt die Arbeitnehmenden und kann im Falle arbeitsrechtlicher Konflikte unterstützend wirken.

Fazit

Technik mit Augenmass Technische Überwachung am Arbeitsplatz ist kein Tabu, aber sie ist an klare rechtliche Voraussetzungen gebunden. Arbeitgebende dürfen nicht einfach alles überwachen, was technisch möglich ist. Und Arbeitnehmende haben ein Recht darauf, zu wissen, wann und wie sie beobachtet werden.  

Für Assistenzkräfte heisst das: Wer in der Beschaffung, Verwaltung oder Kommunikation solcher Systeme involviert ist, sollte die rechtlichen Grundlagen kennen – und bei Unsicherheiten ­lieber einmal mehr nachfragen. 

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Alexandra Williams-Winter ist Rechtsanwältin bei der Winterthurer Anwaltskanzlei Probst Partner AG. Sie berät und vertritt schweizerische und ausländische Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Nebst dem Gesellschafts- und dem allgemeinen Vertragsrecht ist sie spezialisiert im öffentlichen Beschaffungsrecht.
probstpartner.ch

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