So fällt die Decke nicht auf den Kopf
Unser Leben steht seit ein paar Wochen Kopf: Kein Kino, kein Theater, keine Restaurants mehr, die Schulen sind zu, immer mehr Menschen arbeiten im Homeoffice. Ob man alleine lebt oder als Familie plötzlich den ganzen Tag zusammen verbringt – wir sind gefordert. Die neue Situation schürt ausserdem Ängste. Wichtig ist es deshalb, seinen Tagen eine klare Struktur zu geben, rationale von irrationalen Ängsten zu unterscheiden und – gut zu sich selbst zu sein, sagt die Psychologin Petra Klingler. Hier sind ihre Tipps, wie Sie die nächste Zeit gut überstehen.
Wenn Sie alleine leben
«Einige können sehr gut damit umgehen, plötzlich von sämtlichen Kontakten isoliert zu sein. Andere müssen nun überlegen: Wie kann ich mit mir selbst zufrieden sein?» sagt Petra Klingler. Sie rät:
Zapfen Sie Ihre Hobbies an und setzen Sie sich Ziele: Es kann so einfach sein, wie ein Buch zu lesen. Bei Ihren Tätigkeiten sollten Sie aber auf fassbare Resultate achten. Zum Beispiel: Die Fenster sind geputzt oder der Schrank ist aufgeräumt. Menschen sind von der sogenannten Funktionslust motiviert und freuen sich, wenn sie etwas erreicht haben.
Suchen Sie sich Gleichgesinnte: Mailen oder telefonieren Sie mit Leuten, die in der gleichen Situation sind wie Sie. Fragen Sie, wie andere mit der Situation umgehen. Austausch hilft.
Strukturieren Sie Ihren Tag: Legen Sie fest, wann Sie was tun. Zum Beispiel: Arbeitsblock von 8 bis 11, anschliessend Mittagessen kochen. Wichtig ist, dass Sie auch Ihre Morgenrituale beibehalten, und zwar so, als würden Sie ins Büro gehen. Stehen Sie auf, duschen Sie, schminken Sie sich, wenn Sie das bisher auch so gemacht haben. Die Jogginghose ist Tabu, bis Sie sich abends vor dem Fernseher entspannen.
Wenn Mann und Kinder plötzlich zu Hause sind
Für Familien gilt im Prinzip das Gleiche: Strukturieren Sie den Tag und legen Sie fest, wann Sie arbeiten und wann Sie als Familie zusammenkommen. Sonst kann es schnell zu Unruhe und Konflikten kommen.
Familienzeit: Vereinbaren Sie verbindliche gemeinsame Zeiten. Die einfachste Möglichkeit ist, sich nach den Mahlzeiten zu richten – Frühstück, Znüni, Mittagessen, Zvieri, Abendessen. Legen Sie aber auch fest, wenn jeder für sich auf seinem Zimmer ist. Kinder können und sollen sich selbst beschäftigen, und auch die Erwachsenen brauchen mal Abstand und Ruhe.
Arbeitszeit: Wenn Sie arbeiten, dann sollten Sie es nicht am Küchentisch tun, sondern in einem separaten Raum, wo Sie auch die Türe hinter sich zumachen können. Wer etwas von Ihnen will, soll anklopfen – halten Sie die Regeln klar und bestimmt.
Ängsten begegnen
«Angst ist grundsätzlich eine gute Sache», sagt Petra Klingler. «Sie zeigt uns, wann wir aufpassen müssen, um nicht zum Beispiel eine Treppe hinunterzufallen.» Aber sie kann uns auch zu irrationalem Verhalten verleiten, etwa zu Hamsterkäufen oder zum Horten von WC-Papier.
Sie rät, zwischen den Ängsten zu unterscheiden: «Wenn ich wegen Corona mein Geschäft schliessen muss, keine Rücklagen habe und dazu alleinerziehend bin, dann sind meine Sorgen berechtigt. Hier hilft es, aktiv gegen die Angst vorzugehen: Beim Sozialamt anrufen, Fürsorge beantragen.»
Bei irrationalen Ängsten hingegen helfe es, die Nachrichten für eine Weile abzustellen und Zeiten festzulegen, wann man sie konsumiert – und sich stattdessen etwas Gutes tun: Zum Beispiel lustvoll und mit Genuss kochen oder ein langes, entspanntes Schaumbad nehmen. Was auch immer für Sie passt: Hauptsache, Sie geniessen es in vollen Zügen.
Zur Person
Petra Klingler ist Pädagogische Psychologin und Inhaberin von Plaschair Organisationsentwicklung GmbH.