MICE

«Menschen im Metaverse treffen»

Wie sieht das Hotel der Zukunft aus? Dieser Frage geht das Fraunhofer IAO im Rahmen des Innovations-Netzwerks «FutureHotel» nach. Miss Moneypenny sprach mit Forschungsleiterin Prof. Dr. Vanessa Borkmann.

Seit 2008 forschen Sie am «FutureHotel». Welche Erkenntnisse sind seit Forschungsbeginn bereits umgesetzt worden?

Vanessa Borkmann: Mit der Überschrift «Future Hotel», also Konzepte und Lösungen für das Hotel der Zukunft, haben wir uns ja schon einem sehr facettenreichen Thema angenommen. Da geht es im Besonderen darum, die Gäste zu verstehen – das war so ein Thema mit dem wir gestartet sind und wo wir relativ schnell rausgefunden haben, wo es aktuell für die Reisenden hakt. Auf dieser Grundlage sind wir dann in unsere Labore, haben entwickelt und mit dem Start des Projektes waren wir schon beim Thema Digitalisierung.

Ein Beispiel dafür ist der Check-in-Prozess. Wie kommt ein Gast im Hotel an? Wie wird er empfangen? Welche Daten sind erforderlich und natürlich auch die Frage: Wie kommt er zu seinem Zimmer und wie öffnet sich die Zimmertüre? Greift man noch zu einem analogen Schlüssel, oder gibt es bereits innovative, technologische Lösungen? Im Jahr 2012 setzten wir die gewonnen Erkenntnisse in die Praxis um und realisierten gemeinsam mit unserem ersten Partnerhotel, dem Hotel Schani in Wien (siehe Box), einen innovativen Gästereiseprozess.

Hotel Schani

Das Hotel Schani Wien ist das erste Hotel, das in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO konzipiert und gebaut wurde. Da schon vor Baubeginn auf die Ergebnisse der «FutureHotel»-Gästebefragung zurückgegriffen werden konnte, sind viele der dort geäusserten Wünsche im Hotelkonzept integriert worden. Es gibt beispielsweise eine individuelle Zimmerauswahl, mobilen Check-in und Check-out sowie den Zimmerschlüssel am Handy. Zudem werden die Räume mit neuartiger Induktionstechnologie gekühlt oder erwärmt.

Welche Themen, abgesehen vom Check-in, wurden ebenfalls angeschaut?

Wir beschäftigten uns mit Wellness der Zukunft, Wohlbefinden und Gesundheit. Uns interessierten auch community-basierte Ansätze: Wie gestalten wir halb-öffentlichen Bereiche in einem Hotel und was bieten wir dort an? Wie können wir das Hotel besser mit der Nachbarschaft in der lokalen Umgebung vernetzen? Das Serviceangebot eines Hotels muss sich nicht nur an Reisende richten, sondern kann sich auch für die Bevölkerung in der Gegend öffnen.

Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse von Geschäfts- und Freizeitreisenden?

In der Regel ist es so, dass die Geschäftsreisenden eher unter Zeitdruck sind und die Dinge einfach auf Knopfdruck funktionieren müssen. In unseren Umfragen sehen wir, dass Geschäftsreisende höhere Anforderungen haben, z.B. beim Check-in und Check-out: sie wollen morgens schnell das Hotel verlassen, weil man geschäftlich Termine hat oder den Flieger bekommen muss. Es geht um Geschwindigkeit und eben die Digitalisierung dieser Prozesse fördert das. 

Bei Privatreisen ist oft der persönliche Kontakt, z.B. beim Check-in, noch erwünscht. Da ist auch ein Interesse an den Angeboten des Hotels und generell vor Ort vorhanden. Ansonsten erleben wir mittlerweile, dass es einen sehr starken Trend auch bei den Privatreisenden gibt, Arbeit und Privates – auch bei den Urlaubsreisen – miteinander zu verbinden. 

Welche Ausstattungen sollte ein modernes Hotel heutzutage unbedingt anbieten oder zeitnah einführen?

Es ist fast traurig, dass ich das überhaupt erwähnen muss, aber eine verlässliche Internetverbindung für Gäste ist heute ein absolutes Muss. Der Zugang sollte möglichst unkompliziert sein sowie eine stabile und schnelle Bandbreite garantieren – sowohl für den Download als auch den Upload. Der digitale Fortschritt sollte sich auch im Hotel widerspiegeln: Gästen ist es wichtig, moderne Lösungen zu nutzen, wie etwa einen digitalen Schlüssel, den sie bequem auf ihrem Smartphone mitführen können. Im Idealfall entfällt sogar jegliche manuelle Aktion – das Zimmer öffnet sich automatisch, sobald sie mit ihrem mobilen Gerät davorstehen und die Technologie die Tür für sie freigibt.

Ein weiteres wichtiges Thema sind digitale Buchungsmöglichkeiten für zusätzliche Services. Das kann zum Beispiel ein Tisch sein, den ich mir zum Frühstück zu einer bestimmten Zeit buche oder Wellness-Leistungen, die angeboten werden. Das kann aber auch ein Arbeitsplatz sein, irgendwo im Hotel, in der Lobby oder in einem Community Bereich, den ich mir einfach für eine bestimmte Zeit dann blocken kann oder auch einen Meetingraum. Gerade auch im Bereich Tagungen und Konferenzen ist das relevant. Dann kann das Hotel selbst auch schon viel besser planen: Wie müssen wir unser Personal verfügbar machen? 

Welche Technologien in Hotels werden in den kommenden fünf Jahren noch relevanter?

Wir forschen aktuell an Technologien rund um künstliche Intelligenz. Diese machen Prozesse schneller, besser und effizienter und da wird, meiner Einschätzung nach, viel passieren. Insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel bietet die Digitalisierung Lösungen, um Abläufe, zum Beispiel im Buchungsprozess, zu vereinfachen und das Personal durch Automatisierungen zu entlasten. Gerade vielfältige Aufgaben, die bisher manuell erledigt wurden, lassen sich durch KI optimieren. 

Das ist das Essentielle, damit Hotels in Zukunft überhaupt noch betriebsfähig sind: Sie müssen im Hintergrund die Mitarbeitenden auf der einen Seite mit Technik ausstatten und Digitalisierungslösungen umsetzen, sodass sie ihre Arbeit leichter erledigen können und dass auch Quereinsteiger in der Branche den Arbeitsplatz besetzen können, wenn keine Fachkraft verfügbar ist. Unternehmen müssen ausserdem zunehmend überlegen, wie sie auch ohne ständige Vor-Ort-Präsenz funktionieren können – eine Notwendigkeit, die uns die Corona-Pandemie deutlich vor Augen geführt hat.

Kann man den Mitarbeitenden zumuten, sich komplett umzustellen?

Es wird oft unterstellt, dass Digitalisierung und neue Technik generell abgelehnt werden – von Gästen und Mitarbeitenden. Unsere Forschung zeichnet jedoch ein anderes Bild: Mitarbeitende wünschen sich gezielte Schulungen und Fortbildungen. Erhalten sie Unterstützung bei technischen Problemen, steigt auch die Akzeptanz digitaler Werkzeuge. Es ist entscheidend, Mitarbeitende frühzeitig in den Transformationsprozess einzubeziehen. Nur so kann man sicherstellen, dass die Projekte tatsächlich ihren Bedürfnissen entsprechen. Dazu ist es wichtig, deren Erfahrungswerte zu berücksichtigen und eine kontinuierliche Kommunikation aufzubauen – idealerweise bereits in der frühen Phase und auch mit Mitarbeitenden, die nicht unmittelbar betroffen sind.

Ein kleines Gedankenexperiment: Wie sieht das «Tagungshotel der Zukunft» aus?

Für mich bedeutet eine Tagung, nicht nur Wissen zu erwerben und Neues zu entdecken, sondern auch den Austausch mit Menschen zu suchen. Ich möchte aber auch mit Menschen ins Gespräch kommen. Ein Tagungshotel der Zukunft sollte deshalb eine Vielzahl unterschiedlicher Räume und Szenarien bieten, um diese Begegnungen zu fördern. 

Ich stelle mir einen Ort vor, an dem man in einem Dschungel-ähnlichen Garten entspannen, in einem Aquarienraum sitzen oder irgendwo in Costa Rica zu sein, z.B. in einem Baumhaus. Also unterschiedlichste Situationen und in solchen Situationen möchte ich mich dann mit Menschen kreativ unterhalten können und einen guten Austausch erleben in Räumen, die inspirieren, anregen und eben auch dafür sorgen, dass man mit anderen ins Gespräch kommt. 

Stichwort Metaverse: das gehört für mich in das Tagungshotel der Zukunft auch unbedingt. Man sollte das Angebot haben, dass sich Menschen auch im Metaverse treffen können und da über ihren Avatar an Tagungen teilnehmen können. Dadurch könnten Menschen weltweit an Veranstaltungen teilnehmen, ohne physisch anwesend sein zu müssen. 

Prof. Dr. Vanessa Borkmann

Vanessa Borkmann ist Division Director am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart und leitet den Forschungsbereich Stadtsystem-gestaltung, u.a. mit  Forschungsarbeiten im Fachbereich «Hotellerie & Tourismus». Sie ist außerdem Professorin für Tourismus und Hotelmanagement an der SRH Berlin University of Applied Sciences. Sie ist Initiatorin und Projektleiterin des Verbundforschungsprojektes «FutureHotel» mit dem gleichnamigen Showcase «FutureHotel». 2011 erhielt Borkmann am Fraunhofer IAO den »Innovationspreis für Technologiemanagement« und 2017 den »Hospitality Innovation Award« als Anerkennung für bedeutende Leistungen, die die internationale Hotelbranche nachhaltig beeinflusst haben.
futurehotel.de

 

 

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